VwGH Ra 2016/21/0323

VwGHRa 2016/21/032326.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des M M (auch: M M) in W, vertreten durch Mag. Alexander Tonkli, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 27/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. September 2016, Zl. W197 2134260-1/7E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste im April 2012 illegal nach Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Juni 2012, bestätigt durch das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 4. September 2012, vollumfänglich abgewiesen; unter einem wurde der Revisionswerber nach Pakistan ausgewiesen. Weitere Anträge auf internationalen Schutz vom Oktober 2013 und August 2015 wurden rechtskräftig wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Am 28. Juli 2016 wurde der Revisionswerber festgenommen. Mit sofort in Vollzug gesetztem Bescheid vom selben Tag ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung an.

2 Am folgenden Tag stellte der Revisionswerber einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Das BFA hob mit Bescheid vom 17. August 2016 gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz auf. Das Bundesverwaltungsgericht sprach mit Beschluss vom 25. August 2016 aus, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig sei.

3 Am 6. September 2016 erhob der Revisionswerber Beschwerde gegen "die Schubhaftverhängung und die weitere Anhaltung in Schubhaft".

4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet ab. Gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 3 BFA-VG sprach es aus, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlägen. Weiters wurde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG der Kostenersatzantrag des Revisionswerbers abgewiesen und sein Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr als unzulässig zurückgewiesen.

5 Begründend stellte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen fest, dass sich der Revisionswerber den Behörden im Jahr 2015 mehrfach entzogen habe; es habe ihm weder ein Bescheid noch eine Ladung zugestellt werden können. Er besitze im Bundesgebiet keine "sichere Unterkunft". Auf Grund seines bisherigen Verhaltens bestünden erhöhte Fluchtgefahr und ein massiver Sicherungsbedarf. Der Revisionswerber sei keinesfalls gewillt, sich für eine Abschiebung nach Pakistan bereitzuhalten und an einer solchen mitzuwirken. Die Schubhaft sei demnach weiterhin verhältnismäßig und geboten.

6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt vor, das Bundesverwaltungsgericht verkenne "aufgrund der Aktenlage", dass der Revisionswerber "während seines gesamten Aufenthaltes in Österreich sehr wohl die Möglichkeit genutzt hatte, einen festen Wohnsitz während seines Aufenthaltes zu organisieren"; er selbst habe "in den bekannten Verfahren" angegeben, dass er derzeit in Wien bei einem Freund wohnen könne, der ihn auch versorge. Weiters werde er von humanitären Organisationen so weit unterstützt, dass er seinen "Bedürfnissen des täglichen Lebens" nachkommen könne. Er befinde sich seit April 2012 in Österreich, weshalb es lebensnahe sei, dass er in den mehr als vier Jahren nicht ohne "soziale Integrität" auf sich alleine gestellt leben könne. Es sei ihm auf Grund der geraumen Zeit sehr wohl gelungen, sich durch Freunde und humanitäre Organisationen ein soziales Leben aufzubauen. Daher sei die Schubhaft "im Vergleich zu seinem bestehenden sozialen Leben" unverhältnismäßig.

10 Die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts, dass er sich den Behörden im Jahr 2015 mehrfach entzogen habe und Zustellungen gescheitert seien sowie dass er im Bundesgebiet aktuell über keine feste Unterkunft verfüge, bestreitet der Revisionswerber nicht. Auf Basis dieser Feststellungen war die Bejahung einer die Schubhaft rechtfertigenden Fluchtgefahr durch das Bundesverwaltungsgericht aber jedenfalls vertretbar, sodass insoweit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Derartige einzelfallbezogene Beurteilungen sind nämlich im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurden - nicht revisibel (vgl. den hg. Beschluss vom 19. Mai 2015, Ro 2015/21/0017).

11 Darauf, ob sich der Revisionswerber um die Begründung eines festen Wohnsitzes "bemüht" hat oder ob er ein "soziales Leben" führt, kommt es bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfs nicht an; auch eine Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft kann daraus fallbezogen nicht abgeleitet werden. Dass er in Wien bei einem Freund wohnen könnte - was allenfalls die Verhängung eines gelinderen Mittels ermöglichen würde -, hat er indes weder gegenüber dem BFA noch in der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vorgebracht, sodass es sich um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung handelt.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Jänner 2017

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