VwGH Ra 2016/21/0236

VwGHRa 2016/21/023623.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31. Mai 2016, Zl. W154 2126707-1/3E, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: B S, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §18 Abs4;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
AVG §18 Abs4;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste am 2. Februar 2016 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Gewährung von internationalem Schutz. Mit Bescheid vom 27. April 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag auf Grund der Zuständigkeit Deutschlands gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück. Es ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) seine Außerlandesbringung an und erklärte seine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG für zulässig.

2 Mit Erledigung vom 22. Mai 2016 verhängte das BFA gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG und § 57 Abs. 1 AVG über den Mitbeteiligten die Schubhaft zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung.

3 Gegen diese Schubhaftanordnung erhob der Mitbeteiligte Beschwerde, in der er behauptete, dass die ihm übergebene Bescheidausfertigung "keine Unterschrift eines Organs" enthalten habe, "eine handschriftliche Unterschrift oder eine elektronische Amtssignatur" sei nicht ersichtlich. Es sei "bis dato kein den formalen Mindesterfordernissen entsprechender Schubhaftbescheid zugestellt" worden.

4 In einer Stellungnahme vom 25. Mai 2016 räumte das BFA ein, dass "der Originalschubbescheid bei den Effekten des Häftlings einer Überprüfung unterzogen und festgestellt (worden sei), dass tatsächlich keine Unterschrift des Genehmigenden vorlag." Am 25. Mai 2016 sei "ein ordnungsgemäß gefertigter Schubbescheid zugestellt" worden.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 31. Mai 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mangels wirksamer Erlassung des bekämpften Schubhaftbescheides als unzulässig zurück (Spruchpunkt A.I.). Hingegen gab es der Beschwerde des Mitbeteiligten insofern gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG statt, als es dessen Anhaltung in Schubhaft vom 22. Mai 2016, 18.30 Uhr, bis zum 25. Mai 2016, 11.00 Uhr, für rechtswidrig erklärte (Spruchpunkt A.II.). Es sprach gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG aus, dass ein Fortsetzungsausspruch nicht zu treffen sei (Spruchpunkt A.III.) und verhielt den Bund gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG zum Aufwandersatz an den Mitbeteiligten (Spruchpunkt A.IV.). Einen weiters vom Mitbeteiligten gestellten Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr wies es als unzulässig zurück (Spruchpunkt A.V.). Mit Spruchpunkt B erklärte es die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6 Begründend führte das BVwG - auf das im vorliegenden Zusammenhang Wesentliche zusammengefasst - aus, die (die Schubhaft anordnende) Erledigung des BFA vom 22. Mai 2016 (erkennbar gemeint: deren an den Mitbeteiligten zugestellte Ausfertigung) sei "durch das Fehlen der Unterschrift durch den Genehmigungsberechtigten bzw. das Fehlen der Amtssignatur mit einem Fehler belastet". Das - außerhalb des gesetzlichen Fehlerkalküls liegende - Fehlen der ordnungsgemäßen Fertigung iSd § 18 Abs. 4 AVG führe zur absoluten Nichtigkeit des erlassenen "Bescheides". Der dem Mitbeteiligten ausgehändigte "Mandatsbescheid" habe nämlich weder die Unterschrift des Genehmigungsberechtigten noch eine Amtssignatur enthalten. Die gegen die Erledigung gerichtete Beschwerde sei somit als unzulässig zurückzuweisen.

Hieraus folge allerdings weiter, dass die dargestellte Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft ohne Rechtsgrundlage erfolgt sei. Diese Anhaltung habe am 25. Mai 2016 um 11.00 Uhr geendet. Danach habe sich seine Anhaltung auf den nicht angefochtenen Mandatsbescheid vom 25. Mai 2016 (Rz 4) gestützt, sodass die Voraussetzungen für einen Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG fehlten. Dem Mitbeteiligten stehe gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG Kostenersatz zu.

Den Ausspruch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG begründete das BVwG damit, dass es im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden habe, wobei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu lösen gewesen sei.

7 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Amtsrevision des BFA ist zwar nicht ausdrücklich auf bestimmte Spruchpunkte des angefochtenen Erkenntnisses eingeschränkt; in Bezug auf die Spruchpunkte A.III. und A.V. enthält sie aber keinerlei Ausführungen. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Revision nicht auch gegen diese von den anderen Spruchpunkten trennbaren Spruchpunkte richtet.

Die Amtsrevision erweist sich als unzulässig:

8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 Dazu macht die Amtsrevision Ermittlungsfehler des BVwG zum Vorliegen der in § 18 Abs. 4 AVG normierten Voraussetzungen bei der dem Mitbeteiligten zugestellten Ausfertigung des die Schubhaft anordnenden Bescheides vom 22. Mai 2016 geltend. Außerdem entspreche das angefochtene Erkenntnis nicht den Anforderungen an die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

11 Damit wird jedoch keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt. In Anbetracht des dargestellten Vorbringens in der Schubhaftbeschwerde konnten die wiedergegebenen Ausführungen in der Stellungnahme des BFA vom 25. Mai 2016 nämlich vom BVwG nur als Eingeständnis des BFA verstanden werden, dass die zugestellte Ausfertigung des "Bescheides" vom 22. Mai 2016 nicht den Erfordernissen des § 18 Abs. 4 AVG entsprochen habe. Vor diesem Hintergrund sind dem BVwG weder Ermittlungsfehler noch sonstige auf das Ergebnis durchschlagende Rechtsverstöße (im Rahmen seiner Entscheidungsbegründung) anzulasten.

12 Die Amtsrevision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 23. März 2017

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