Normen
32013R0604 Dublin-III Art13 Abs1;
AsylG 2005 §5;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art3;
MRK Art8;
32013R0604 Dublin-III Art13 Abs1;
AsylG 2005 §5;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art3;
MRK Art8;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die erstrevisionswerbende Partei ist der Ehegatte der zweitrevisionswerbenden Partei und beide sind die Eltern der weiteren (minderjährigen) revisionswerbenden Parteien. Die zweitrevisionswerbende Partei brachte am 2. Dezember 2016 in Österreich ein weiteres Kind zur Welt. Die revisionswerbenden Parteien sind afghanische Staatsangehörige und stellten am 23. Jänner 2016 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Schreiben vom 29. Februar 2016 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) gestütztes Aufnahmeersuchen an die zuständige kroatische Behörde, welches unbeantwortet blieb.
2 Mit Bescheiden jeweils vom 19. Juli 2016 wies das BFA die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung Kroatien für die Prüfung der Anträge zuständig sei, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung der revisionswerbenden Parteien an und stellte fest, dass gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet ab. Darüber hinaus sprach das BVwG aus, dass die Durchführung der Außerlandesbringung der revisionswerbenden Parteien gemäß § 61 Abs. 3 FPG bis acht Wochen nach der Geburt des Kindes der zweitrevisionswerbenden Partei aufgeschoben werde. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, die revisionswerbenden Parteien seien unrechtmäßig über Pakistan, Iran und die Türkei nach Griechenland, Mazedonien, Kroatien, Slowenien und schließlich nach Österreich eingereist.
5 Im Weiteren legte das BVwG dar, weshalb einer Überstellung der revisionswerbenden Parteien nach Kroatien Art. 3 und Art. 8 EMRK bzw. Art. 4 und Art. 7 GRC nicht entgegenstünden.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision - zusammengefasst - vor, das BFA hätte aufgrund von im Fall der Rückstellung nach Kroatien drohenden Verletzungen von Art. 3 und Art. 8 EMRK zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung ausüben müssen. Die revisionswerbenden Parteien führen aus, in Kroatien lägen systematische Mängel im Asylverfahren vor und Kroatien sei auch nicht in der Lage, all jene Flüchtlinge wiederaufzunehmen, für die es nach der Dublin III-Verordnung zuständig wäre. Darüber hinaus stehe einer Überstellung nach Kroatien der Umstand der Geburt des Kindes am 2. Dezember 2016 sowie die Anämie mit Belastungsdyspnoe der zweitrevisionswerbenden Partei entgegen. Schließlich wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass die revisionswerbenden Parteien bereits ein Jahr in Österreich aufhältig seien, integriert seien und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich hätten. Die Entscheidung in dieser Angelegenheit hänge daher von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ab, insbesondere da eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Problematik fehle und das Erkenntnis des BVwG von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.
10 In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wurde bereits geklärt, dass die Asylbehörden bei Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 auch Art. 3 EMRK zu berücksichtigen und bei einer drohenden Verletzung dieser Vorschrift das im Dublin-System vorgesehene Selbsteintrittsrecht auszuüben haben (vgl. VwGH vom 21. August 2014, Ra 2014/18/0003, mwN) sowie dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 widerlegbar ist (vgl. VwGH vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0113 bis 0120).
11 Im vorliegenden Fall führte das BVwG in Bezugnahme auf die dem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderberichte aus, Dublin-Rückkehrer hätten bei Rückkehr Zugang zu Unterbringung, wobei auf spezifische Bedürfnisse der Asylwerber Rücksicht genommen werde, und die festgestellten Krankheiten der zweitrevisionswerbenden Partei würden in Kroatien behandelt werden können. Im Hinblick auf den gemäß § 61 Abs. 3 FPG ausgesprochenen Aufschub der Durchführung der Außerlandesbringung bis acht Wochen nach der Geburt und den Umstand, dass die erforderlichen (Nach‑)Behandlungen der Zweitbeschwerdeführerin in Kroatien durchgeführt werden können, gebe es keinen Anlass für die Befürchtung, dass die revisionswerbenden Parteien im Falle ihrer Überstellung in ihren durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt werden würden.
12 Der Revision gelingt es nicht, diese Beurteilung des BVwG im vorliegenden Fall in Zweifel zu ziehen. Weder vor dem Hintergrund der den Feststellungen des BVwG zu Grunde gelegten Länderberichten zur Lage in Kroatien noch aufgrund des Vorbringens der revisionswerbenden Parteien ergeben sich konkrete Hinweise darauf, dass es nach der Rückstellung der revisionswerbenden Parteien zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC kommen könnte. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die in § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zum Ausdruck gebrachte Sicherheitsvermutung erschüttert wäre (vgl. auch VwGH vom 23. Juni 2016, Ra 2016/20/0069).
13 Im Hinblick auf das weitere Vorbringen in der Revision betreffend Art. 8 EMRK ist darauf hinzuweisen, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033, und vom 1. März 2016, Ra 2015/18/0247).
14 Das BVwG führte zutreffend aus, dass es im Fall der Überstellung aller revisionswerbenden Parteien nach Kroatien zu keinem Eingriff in das Familienleben komme. Darüber hinaus kommt es in einer vertretbaren Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zu dem Schluss, dass insbesondere aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer und unter Berücksichtigung der von den revisionswerbenden Parteien vorgebrachten Integrationsmerkmale kein relevanter Eingriff in das Privatleben der revisionswerbenden Parteien vorliege.
15 Soweit in der Revision schließlich knapp und undifferenziert vorgebracht wird, von einer illegalen Einreise nach Kroatien könne nicht gesprochen werden, weil "im Rahmen des
vorjährigen Flüchtlingsstromes ... auf der Balkanroute
außergewöhnliche Verhältnisse geherrscht" hätten, reicht es darauf hinzuweisen, dass allein durch dieses in der Revision nicht weiter substantiierte Vorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 16. Februar 2017
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