VwGH Ro 2016/13/0025

VwGHRo 2016/13/002531.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, BA, über die Revision des Finanzamtes Baden Mödling in 2500 Baden bei Wien, Josefsplatz 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 11. Mai 2016, Zl. RV/7103594/2015, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2008 bis 2013 (mitbeteiligte Parteien: 1. K in W, 2. K in W, 3. K in W, alle vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1030 Wien, Am Heumarkt 7), den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §24 Abs1 litd;
B-VG Art133 Abs4;
EStG 1988 §27;
VwGG §34 Abs1;
BAO §24 Abs1 litd;
B-VG Art133 Abs4;
EStG 1988 §27;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Eine Selbstanzeige des im Jahr 1925 geborenen und im Jahr 2015 verstorbenen Vaters der mitbeteiligten Parteien, eines österreichischen Arztes, führte bei ihm im März 2013 zu einer die Einkommensteuer für die Jahre 2003 bis 2011 betreffenden Außenprüfung. Im Bericht darüber vom 15. März 2013 wurde zu den Einkünften aus Kapitalvermögen festgehalten, strittig sei die ertragsteuerliche Anerkennung dreier Versicherungsverträge, die der Vater der mitbeteiligten Parteien im September 2008 mit einer Versicherungsgesellschaft in Liechtenstein abgeschlossen hatte.

2 Nach dem Inhalt der Selbstanzeige handle es sich dabei um fondsgebundene Lebensversicherungen auf den Todes- und Erlebensfall, wobei die Prämienzahlung durch Übertragung von Depots bei einer liechtensteinischen Bank erfolgt sei. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge habe es die im April 2010 publizierten Kriterien der österreichischen Finanzverwaltung für die Anerkennung solcher Verträge (gemeint: die diesbezügliche Information des Bundesministeriums für Finanzen vom 23. April 2010; vgl. in weiterer Folge Rz 7780a ff und seit dem Wartungserlass 2013 Rz 6209 ff der EStR 2000) noch nicht gegeben. Nach der in der Selbstanzeige vertretenen Auffassung seien diese Kriterien jedoch erfüllt, weil die Verträge mit inländischen "grundsätzlich vergleichbar" seien. Die Versicherung zahle im Ablebensfall 105% des aktuellen Werts des Deckungsstockes und übernehme damit ein "maßgebliches Risiko". Für den Fall einer Verneinung der Vergleichbarkeit wegen der Prämienzahlung durch Depotübertragung werde geltend gemacht, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren des Deckungsstocks jedenfalls der Versicherung zuzurechnen sei. Der Versicherungsnehmer habe weder die Depotbank noch den Vermögensverwalter wählen können und habe auch kein Weisungsrecht in Bezug auf konkrete Einzelanlagen. Er könne nur die Anlagestrategie ändern.

3 Das Finanzamt, so der Bericht vom 15. März 2013, habe dazu "erwogen", die strittigen Verträge seien "nicht vergleichbar mit inländischen Versicherungsprodukten, insbesondere auch nicht mit fondsgebundenen Lebensversicherungen".

4 An diese nicht weiter begründete Erwägung schloss sich im Bericht folgende Prüfung des Sachverhaltes nach Maßstäben der zuvor inhaltlich wiedergegebenen Rz 7780e der damaligen Fassung der EStR 2000 (vgl. jetzt Rz 6211) für die Zurechnung von Wertpapieren des Deckungsstocks bei fehlender Vergleichbarkeit mit inländischen Versicherungsprodukten:

"In den Versicherungspolizzen selbst und auch nicht in den allgemeinen Versicherungsbedingungen ist die Einflussnahme des Versicherungsnehmers auf die Wahl der Depotbank oder die Wahl des Vermögensverwalters/Treuhänders ausdrücklich ausgeschlossen, vielmehr ist entgegen der Behauptungen in der Selbstanzeige die Rede davon, dass die unterschiedlichen Kosten sich ‚je nach der vom Kunden beauftragten Finanzinstituten' (sic) ergeben. In den allgemeinen Versicherungsbedingungen ist festgelegt, dass eine Dispositionsbefugnis ‚über die Veranlagung und den gelegentlichen Austausch von Investmentfonds' besteht. Die Einzahlung erfolgte durch Depotübertragung. Für die Auszahlung ist lt. Polizzen auch die Möglichkeit der ‚Sachwertleistung' vorgesehen, damit kann nur die Depotrückübertragung gemeint sein. Das Gesamtbild spricht im Gegensatz zur Sichtweise der Selbstanzeig(e) dafür, dass (der Vater der mitbeteiligten Parteien) über die im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere verfügen kann.

Aufgrund der dargestellten Prüfung der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis ergibt sich nunmehr, dass die im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere aus ertragsteuerlicher Sicht dem Kunden (Versicherungsnehmer) zuzurechnen sind. Deshalb sind auch die auf den Kunden entfallenden Einkünfte aus den ihm zugeordneten Wertpapieren des Deckungsstocks unmittelbar dem Kunden, nämlich (dem Vater der mitbeteiligten Parteien), zuzurechnen und bei diesem zu besteuern."

5 Gegen die darauf gestützten Einkommensteuerbescheide vom 18. März 2013 für die Jahre 2008 bis 2011 erhob der Vater der mitbeteiligten Parteien Berufung, wobei er sein Vorbringen ausgehend von Erlässen der Finanzverwaltung in Ausführungen zur "Vergleichbarkeitsebene" und zur "Zurechnungsebene" gliederte. Zur Vergleichbarkeit knüpfte er zunächst an die von der Finanzverwaltung bei inländischen Versicherungsprodukten gepflogene, seiner Ansicht nach zutreffende formale Betrachtungsweise nach Maßstäben des Versicherungsaufsichtsgesetzes an. Für den Fall, dass sich nicht daraus schon - bei sonstigem Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit - die Anerkennung auch der verfahrensgegenständlichen liechtensteinischen Verträge ergebe und im Sinne der von der Finanzverwaltung vertretenen Ansicht bei ausländischen Versicherungsprodukten eine wirtschaftliche Vergleichbarkeitsprüfung vorzunehmen sei, machte er geltend, das in den Erlässen definierte Risikokriterium sei erfüllt, wenn im Ablebensfall 105% des aktuellen Werts des Deckungsstockes zur Auszahlung kämen. Die strittigen Verträge sähen dies vor. Der in den Erlässen auch vertretenen Ansicht, die Möglichkeit des Einmalerlags der Prämie durch Depotübertragung schade der Vergleichbarkeit, sei nicht zu folgen. Für den Fall, dass die Vergleichbarkeit dennoch zu verneinen sei, werde den Argumenten des Prüfers auf der dann maßgeblichen "Zurechnungsebene" auf näher dargestellte Weise entgegengetreten.

6 Der Vorlagebericht, mit dem das Finanzamt die Berufung im Mai 2013 dem unabhängigen Finanzsenat vorlegte, enthielt den "Antrag auf Abweisung im Sinne von Rz. 7780a ff EStRL. Auf eine Stellungnahme des Außenprüfers wurde verzichtet, da der Sachverhalt unstrittig ist."

7 Im Juli 2014 erhob der Vater der mitbeteiligten Parteien Bescheidbeschwerde gegen einen am Bericht vom 15. März 2013 orientierten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012, worüber zunächst - mangels Antrages auf sofortige Vorlage nach der nunmehr maßgeblichen Rechtslage - eine auf den Bericht verweisende abweisende Beschwerdevorentscheidung erging. Im Vorlagebericht nach Einlangen eines Vorlageantrages des Vaters der mitbeteiligten Parteien verwies das Finanzamt auf den Vorlagebericht vom Mai 2013.

8 Im Juni 2015 erhob der Vater der mitbeteiligten Parteien Bescheidbeschwerde gegen einen im Streitpunkt gleichartigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013, wobei er das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung beantragte. Im Vorlagebericht verwies das Finanzamt wieder auf den Vorlagebericht vom Mai 2013.

9 Mit Beschluss vom 23. Juli 2015 hielt das inzwischen zuständig gewordene Bundesfinanzgericht dem Vater der mitbeteiligten Parteien vor, es beabsichtige die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in dem zu Ro 2015/15/0012 anhängigen Verfahren über eine Revision gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom 17. Dezember 2014, RV/5100901/2012, betreffend Lebensversicherungsverträge mit derselben liechtensteinischen Versicherung (wobei für den Abgabepflichtigen auch dieselben Vertreter einschritten wie im vorliegenden Verfahren für den Vater der mitbeteiligten Parteien und nunmehr für diese). Der Vater der mitbeteiligten Parteien sprach sich dagegen aus und brachte dazu vor allem vor, die von ihm abgeschlossenen Verträge seien später zustande gekommen als die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu beurteilenden, bei deren Abschluss im Jahr 2004 noch nicht (ergänze: im Sinne eines Rundschreibens der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 12. Dezember 2006) eine Todesfallleistung von 105% des aktuellen Werts des Deckungsstocks vereinbart worden sei.

10 In der mündlichen Senatsverhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am 2. Mai 2016, deren Niederschrift in den vorgelegten Akten die Kopie eines Gerichtsbeschlusses über die Einantwortung der mitbeteiligten Parteien als Erben ihres Vaters beiliegt, brachten die steuerlichen Vertreter vor, dass sich die gegenständliche Versicherung nicht von österreichischen fondsgebundenen Versicherungen unterscheide (eine "Diskriminierung der liechtensteinischen Versicherungsprodukte" sei deshalb auch unzulässig). Der Vertreter des Finanzamtes meldete sich laut Niederschrift nicht zu Wort.

11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der nun als Beschwerde zu behandelnden Berufung und den die beiden Folgejahre betreffenden Beschwerden statt. Es orientierte sich dabei an dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 17. Dezember 2014, mit dem die Anerkennung der Versicherungsverträge im dort zu entscheidenden Fall verneint worden war, und sah den ausschlaggebenden Unterschied im Sachverhalt darin, dass die Versicherung mit der Vereinbarung einer Leistung von 105% des aktuellen Werts des Deckungsstockes im vorliegenden Fall ein ausreichendes Risiko übernommen habe. Dabei verwies das Bundesfinanzgericht auch auf das beim Abschluss der Verträge schon hohe Alter des Vaters der Mitbeteiligten. Zur Gestaltung der Verträge vom September 2008 stellte das Bundesfinanzgericht u.a. noch fest, die Laufzeit habe 25 Jahre mit einer Mindestlaufzeit von zehn Jahren betragen und zu den Kosten und Gebühren, mit denen das Deckungsstockkonto belastet worden sei, hätten dem Vertrag zufolge auch "die Rückversicherungsprämien zur Absicherung des eingegangenen biometrischen Risikos" gehört.

12 Das Bundesfinanzgericht ging - wie schon in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 2014 - davon aus, ungeachtet der "teilformalrechtlichen Anknüpfung in den bezughabenden Erlässen der Finanzverwaltung", der das Bundesfinanzgericht nicht folge, sei sowohl bei in- als auch bei ausländischen Versicherungsprodukten nach wirtschaftlichen Kriterien zu untersuchen, ob eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Zurechnung des Deckungsstocks zum Versicherer oder eine bloße Verwaltung des Deckungsstocks für den Kunden vorliege. "Zentraler Angelpunkt" dafür sei die "Übernahme eines spezifischen (im Fall der Lebensversicherung: biometrischen) Risikos", deren Fehlen erst "die Wurzel für eine Prüfung nach weiteren Zurechnungskriterien" bilde.

13 Im vorliegenden Fall sei die Übernahme eines für einen Versicherungsvertrag typischen Risikos zu bejahen, weshalb auf die übrigen vom Finanzamt ins Treffen geführten Kriterien nur mehr "kursorisch" eingegangen werde. Anzumerken sei dabei, dass eine Einflussnahme auf die Wahl der Depotbank oder des Vermögensverwalters in den Verträgen zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, aber auch nicht vorgesehen sei und das Bestehen vertraglich nicht eingeräumter Befugnisse "nicht vermutet werden" könne. Was das Argument unterschiedlicher Kosten "je nach der vom Kunden beauftragten Finanzinstituten" anlange, so sei aus dem in den Verträgen enthaltenen Hinweis auf unterschiedliche Kosten "je nach beauftragten Finanzinstituten" für die Zurechnung der Wertpapiere nichts zu gewinnen. (Anmerkung: Nach dem Wortlaut der Vertragsklausel ist die Höhe der Kosten "je nach der vom Kunden gewählten Anlagestrategie und den beauftragten Finanzinstituten unterschiedlich".)

14 In Bezug auf Entscheidungen über die Veranlagung sei der Kunde auf die Auswahl unter standardisierten Anlagestrategien sowie auf eine Auswahl unter "öffentlich vertriebenen Investmentfonds und deren Umschichtung" beschränkt. Die Prämienentrichtung durch Depotübertragung und die Möglichkeit einer Depotrückübertragung sprächen für sich genommen zwar eher für den Charakter einer Kapitalanlage, reichten für eine Änderung der wirtschaftlichen Zurechnung aber nicht aus, zumal die Einflussmöglichkeiten des Versicherungsnehmers bei aufrechter Versicherung stark beschränkt seien.

15 In den Polizzen werde zwar grundsätzlich eine jederzeitige Kündbarkeit eingeräumt, wobei aber eine Mindestlaufzeit von zehn Jahren festgesetzt sei, was die Möglichkeit, durch Kündigung und Depotrückübertragung wieder die volle Verfügungsberechtigung über die Wertpapiere des Deckungsstockes zu erlangen, drastisch eingeschränkt habe.

16 Dass schließlich das Risiko der Wertentwicklung des Deckungsstockes vom Versicherten getragen werde, sei ein typisches Merkmal fondsgebundener Lebensversicherungen. Somit sei der Vater der mitbeteiligten Parteien in den Streitjahren auch in einer Gesamtschau nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Wertpapiere des Deckungsstockes gewesen.

17 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht - in Übernahme der Gründe dafür in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 2014 - für zulässig, weil zur Frage, ob der ertragsteuerliche Lebensversicherungsbegriff wirtschaftlich oder formal anknüpfe, noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamtes vom Juli 2016, zu der die mitbeteiligten Parteien im August 2016 eine Revisionsbeantwortung erstattet haben.

19 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach Abs. 1 ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

22 Mit Erkenntnis vom 23. November 2016, Ro 2015/15/0012, hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen das zuvor erwähnte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 17. Dezember 2014, auf das sich das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Fall gestützt hat, als unbegründet abgewiesen. Mit diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, sind die Grundfragen der ertragsteuerlichen Anerkennung von Lebensversicherungsverträgen der vorliegenden Art geklärt, sodass es nicht mehr an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt und die Voraussetzungen für eine Zulässigkeit der Revision insoweit nicht mehr vorliegen.

23 Die Amtsrevision stützt ihre Zulässigkeit auch auf die zusätzliche Behauptung, das angefochtene Erkenntnis widerspreche dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2013, 2008/17/0081, 0082, wonach einem Versicherungsvertrag die "Übernahme einer gewissen Risikoabsicherung" innewohne.

24 Dabei macht die Amtsrevision nicht geltend, die den vorliegenden Fall von dem mit dem Erkenntnis vom 23. November 2016 entschiedenen Fall unterscheidende Übernahme der Verpflichtung zur Auszahlung von 105% des aktuellen Werts des Deckungsstockes im Ablebensfall könne keine Übernahme eines für die Anerkennung als Versicherungsvertrag ausreichenden Risikos bedeuten. Die Revision führt dagegen aber Umstände des vorliegenden Einzelfalles ins Treffen und trägt dazu auszugsweise vor:

"Im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages (gemeint: der Verträge) war der Versicherungsnehmer 83 Jahre alt. Die Mindestlaufzeit der Versicherungen beträgt jeweils 10 Jahre (...) Die Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungsfall innerhalb der Mindestlaufzeit eintritt ist daher (...) extrem hoch. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die Versicherungsgesellschaft mit dem Eintritt des Versicherungsfalles mit eben dieser hohen Wahrscheinlichkeit gerechnet hat. Damit liegt aber tatsächlich kein Risiko im Sinne eines zufallsabhängigen negativen Ereignisses, dessen Eintritt ungewiss ist, vor, weil bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäftes feststeht, dass der Versicherungsfall in Anbetracht der statistischen Daten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten wird und davon ausgegangen werden muss, dass dieser Umstand in den Vertragsbedingungen berücksichtigt wurde. Damit hat die Versicherungsgesellschaft von Beginn an mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssen, dass der Versicherungsfall eintritt, womit die garantierte Todesfallleistung (...) ausgezahlt werden muss. Unter diesen Umständen erscheint es schon aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten unglaubwürdig, dass diese - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintretende - Leistungsverpflichtung nicht entsprechend eingepreist und damit im Ergebnis dem Versicherungsnehmer selbst angelastet wird und von ihm wirtschaftlich zu tragen ist.

Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass tatsächlich ein Risiko vorhanden war, weil der Eintritt des Versicherungsfalles nicht bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit an Sicherheit angrenzender Wahrscheinlichkeit vorhersehbar war, ist zweifelhaft, ob die Versicherungsgesellschaft ein ausreichendes aleatorisches Element übernommen hat. (...)

Im vorliegenden Fall werden durch Belastungen des Deckungsstockes Prämien zur Rückversicherung des von der Versicherungsgesellschaft eingegangenen biometrischen Risikos geleistet. Ein Risiko der Versicherungsgesellschaft ist daher nicht vorhanden, sie muss im Zeitpunkt des Todes nur den Depotstand (Deckungsstock) leisten. Die bloße Tatsache, den Depotstand (Deckungsstock) im Zeitpunkt des Todes zu leisten, kann für sich alleine nicht als Risikoübernahme gewertet werden. Die Versicherung leistet im Schadensfall nur das, was ohnehin vorhanden ist. Das Todesfallrisiko und das Risikokapital in Höhe von 5% des Deckungsstockes wurden somit nicht von der Versicherungsgesellschaft getragen, sondern im Gegenteil vom Versicherungsnehmer selbst, der für dieses Risiko - dessen Verwirklichung wie oben dargestellt mit an Sicherheit angrenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten war - entsprechende Risikoprämien geleistet hat."

25 Da die Versicherung auch nicht das Kapitalanlagerisiko trage, liege "mangels Risikoübernahme der Versicherung kein Versicherungsprodukt" vor.

26 Die Amtsrevision scheint damit den Standpunkt zu vertreten, das Risiko des Versicherers sei umso geringer, je wahrscheinlicher der Eintritt des Versicherungsfalles sei. Zumindest dann, wenn der Eintritt des Versicherungsfalles mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit drohe, müsse nämlich "davon ausgegangen werden", dass die "Vertragsbedingungen" das Risiko auf den Versicherungsnehmer überwälzen würden, indem es "eingepreist" werde. Gegenteiliges sei "unglaubwürdig". Als entsprechende "Vertragsbedingung" scheint die Amtsrevision schließlich die Vertragsklausel zu benennen, nach der die Prämien für die Rückversicherung vom Versicherungsnehmer zu tragen sind. Letzteres soll zugleich bedeuten, dass die den Zeitwert des Deckungsstockes übersteigenden 5% nicht von der Versicherung zu "leisten", sondern "vom Versicherungsnehmer selbst" zu "tragen" seien. Die Versicherung leiste "nur das, was ohnehin vorhanden ist".

27 Dieser Argumentation steht nach einem Verfahren, in dem das Finanzamt nie das Fehlen einer Risikoübernahme durch die Versicherung behauptet und zur geltend gemachten Todesfallleistung von 105% auch vor dem Bundesfinanzgericht kein Vorbringen erstattet hat, das Neuerungsverbot des § 41 VwGG entgegen. Sie gründet sich mit der Annahme eines "Einpreisens" zunächst auch nur auf eine allgemein gehaltene - Gesichtspunkte etwa des Risikoausgleichs in der Versichertengemeinschaft im Übrigen nicht berücksichtigende - Vermutung und ist insoweit, als diese durch die Bezugnahmen auf Rückversicherungsprämien konkretisiert werden soll, auch unschlüssig, wenn aus der Belastung mit solchen Prämien geschlossen wird, die Versicherung habe die zusätzlichen 5% im Ablebensfall nicht zu leisten. Dass etwa die Prämien diesen Mehrbetrag konsumieren würden, wird nicht behauptet und könnte ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot im vorliegenden Fall auch nicht mehr geltend gemacht werden.

28 Grundlegende Rechtsfragen wirft die Amtsrevision auch mit den - in ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit nicht mehr erwähnten - Einwänden gegen die vom Bundesfinanzgericht "kursorisch" ins Treffen geführten Zusatzargumente nicht auf, wobei die Revision auch hier gegen das Neuerungsverbot verstößt, wenn sie meint, es müsse "in Zweifel gestellt werden, ob die vertraglich vorgesehenen Einschränkungen hinsichtlich der Einflussmöglichkeit tatsächlich gelebt wurden".

29 Die Revision war daher zurückzuweisen, was der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

30 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 31. März 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte