Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28 Abs1;
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z3;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom 11. Dezember 2009 wurde der Revisionswerber wegen dauernder Dienstunfähigkeit gemäß § 14 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) mit Ablauf des Monats, in dem die Zustellung des Bescheides bewirkt werde, in den Ruhestand versetzt. Seine letzte Dienststelle war das Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und Wirtschaftskundliche Realgymnasium für Berufstätige I.
2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der Berufungsbescheid vom 11. Dezember 2009 wurde mit hg. Erkenntnis vom 16. September 2013, 2010/12/0020, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof auszugsweise aus:
"Um im Sinne des Gutachtens vom 8. Juli 2009 beurteilen zu können, ob beim Beschwerdeführer dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt, wäre es nach diesem Gutachten erforderlich, zu wissen, ob - wie vom Beschwerdeführer behauptet - das Mobbing als einzig wirkender krankmachender Faktor vorlag, weil nämlich diesfalls nach dem genannten Gutachten von einer dauernden Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers nicht auszugehen sei. ...
Im Beschwerdefall gelangten die medizinischen Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass im Falle eines erfolgten Mobbings - wenn dies der einzig krank machende Faktor war - nach dessen Beseitigung in weniger als zwei Jahren wieder Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers vorläge.
Das Gutachten geht hierbei offenbar davon aus, dass entweder Mobbing vorlag oder eine auf der gesundheitlichen Verfassung des Beschwerdeführers gründende Dienstunfähigkeit. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang jedenfalls, dass es aus rechtlicher Sicht darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer in der zu erwartenden gesundheitlichen Verfassung wieder im Zeitraum von zwei Jahren (siehe unten) dienstfähig sein wird. ...
Die belangte Behörde hätte daher im angefochtenen Bescheid Feststellungen treffen müssen, die eine Beurteilung zulassen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich gemobbt wurde. Keinesfalls ist diese Frage - auf Grund einer von der Dienstbehörde erstellten Zusammenfassung des Geschehens - vom medizinischen Sachverständigen zu beurteilen."
3 Mit Ersatzbescheid vom 3. Dezember 2013 behob die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur den Bescheid des Landesschulrates für Tirol vom 27. Juli 2009 und verwies die Angelegenheit zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung an den Landesschulrat für Tirol zurück.
4 Mit Bescheid des Landesschulrates für Tirol vom 14. September 2015 wurde der Revisionswerber gemäß § 14 Abs. 1, 2, 4 und 5 BDG 1979 wegen dauernder Dienstunfähigkeit von Amts wegen mit Ablauf des Monats, in dem dieser Bescheid rechtskräftig werde, in den Ruhestand versetzt.
5 Begründend führte der Landesschulrat für Tirol u.a. aus, dass sich der Revisionswerber seit 21. Februar 2014 in Krankenstand befunden habe. Der Revisionswerber habe sich zudem mit dem Ergebnis der "Oberbegutachtung" einverstanden erklärt und in seiner Stellungnahme vom 7. September 2015 angegeben, keine Einwände gegen eine Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen zu erheben, wenn bis dahin entweder ein rechtswirksames dienstrechtliches Erkenntnis zu den Ursachen seiner Dienstunfähigkeit vorliege oder die Versetzung in den Ruhestand mit einer angemessenen Kompensation für den erlittenen Schaden erfolge. Die Behörde ging unter Zugrundelegung zweier ärztlicher Gutachten davon aus, dass der Revisionswerber dauernd dienstunfähig sei und keine Besserung seines Gesundheitszustandes erwartet werden könne. Auch die Zuweisung eines mindestens gleichwertigen Arbeitsplatzes könne nicht erfolgen.Weiter setzte sich die Behörde mit dem Vorwurf des Revisionswerbers auseinander, an seiner Dienststelle gemobbt worden zu sein.
6 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. 7 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurück und sprach aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
8 Seine Entscheidung begründete das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen dahingehend, dass in der Beschwerde lediglich bestimmte Passagen der Begründung des Bescheides als unrichtig oder mangelhaft dargestellt worden seien und der Revisionswerber im Übrigen vorgebracht habe, die Behörde hätte ihm bestimmte Niederschriften nicht zur Stellungnahme übermittelt. Aus dem Beschwerdevorbringen ergebe sich folglich, dass der Revisionswerber ausschließlich eine "auf eine gewünschte Berichtigung beziehungsweise Ergänzung von Angaben in der Begründung des bekämpften Bescheides beruhende Aufhebung des Bescheides" begehre. Die Behebung des Spruches des bekämpften Bescheides werde vom Revisionswerber jedoch nicht beantragt. Der Verwaltungsgerichtshof habe für die Parteibeschwerde nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 aus § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997 abgeleitet, dass das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers eine Prozessvoraussetzung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren darstelle. Das Rechtsschutzinteresse bestehe bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Diese Rechtsprechung sei auf Beschwerden vor dem Verwaltungsgericht sinngemäß zu übertragen.
Zwar habe der Revisionswerber in seiner Beschwerde die Aufhebung des Bescheides vom 14. September 2015 beantragt, jedoch unzweifelhaft lediglich aus dem Grund, dass seiner Ansicht nach unrichtige Angaben in der Begründung des Bescheides zu berichtigen beziehungsweise zu ergänzen seien. Die Rechtmäßigkeit des Spruchs des Bescheides werde in der Beschwerde hingegen nicht in Frage gestellt. Vielmehr gestehe der Revisionswerber mit Schreiben vom 7. September 2015 selbst zu, dass er den ärztlichen Gutachten nichts hinzuzufügen und er gegen eine Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen "nichts einzuwenden" habe. Auch daraus sei ersichtlich, dass der Revisionswerber die Versetzung in den Ruhestand nicht bekämpfe. Damit fehle es an dem für die Beschwerdeerhebung erforderlichen Rechtsschutzinteresse und sei daher die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen.
Den Ausspruch betreffend die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
10 In der Zulässigkeitsbegründung wendet sich der Revisionswerber gegen die mit dem angefochtenen Beschluss erfolgte Zurückweisung seiner Beschwerde gegen den Bescheid vom 14. September 2015. Der Revisionswerber habe in seiner Beschwerde die Aufhebung des Bescheides aufgrund schwerwiegender Verfahrensmängel beantragt. Damit habe der Revisionswerber ein ausreichendes Begehren gestellt, das unzweifelhaft auf die ersatzlose Behebung des Bescheides abgezielt habe. Der Revisionswerber habe die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze, dargetan und ausgeführt, dass die Versetzung in den Ruhestand auf dem Boden einer mangelhaften Entscheidungsgrundlage erfolgt sei. Er habe sich substantiiert gegen die amtswegige Versetzung in den Ruhestand gewehrt. Die rechtzeitig erhobene Beschwerde erfülle die gesetzlichen Mindestanforderungen, sodass die Zurückweisung der Beschwerde verfehlt sei. Gegenständlich liege unzweifelhaft ein zulässiges Rechtsmittel vor.
11 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision, hilfsweise deren Abweisung.
12 Die Revision ist aus den angeführten Gründen zulässig. Sie ist auch berechtigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 In Einklang mit der hg. Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht dargelegt, dass Parteibeschwerden im Sinn des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2017, Ra 2015/05/0060, und den hg. Beschluss vom 27. Jänner 2016, Ra 2014/10/0003). Dabei ging das Verwaltungsgericht zwar zutreffend davon aus, dass die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die Begründung des Bescheides grundsätzlich nicht in Betracht kommt, sondern eine Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten nur durch den Spruch des angefochtenen Bescheides bewirkt werden kann (vgl. zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 10. Dezember 2013, 2013/05/0203, sowie vom 16. Dezember 2010, 2007/15/0257).
14 Allerdings hat der Revisionswerber entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts, indem er ausdrücklich die Aufhebung des Bescheides vom 14. September 2015 beantragte, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, auch den Spruch und nicht nur die Begründung dieses Bescheides zu bekämpfen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Revisionswerbers vom 7. September 2015, mit welchem eine Stellungnahme im behördlichen Verfahren erstattet wurde und somit keine Aussage über das in der Beschwerde formulierte Begehren verbunden war.
15 Vor diesem Hintergrund ist fallbezogen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Beschwerde, wonach mit dieser nur die Begründung und nicht der Spruch des Bescheides bekämpft werde, nicht vertretbar. Mit der Aufhebung des Bescheides vom 14. September 2015 beantragte der Revisionswerber zwangsläufig auch die Aufhebung des Spruchs des Bescheides, mit dem er amtswegig in den Ruhestand versetzt wurde. Insofern durfte das Verwaltungsgericht nicht von der Unzulässigkeit der in Rede stehenden Beschwerde ausgehen und erweist sich somit die vorliegende Revision, auch wenn die Auslegung einer Beschwerde im Allgemeinen die Lösung eines Einzelfalls darstellt, welcher regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, als zulässig und begründet.
16 Nach § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG hat eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht die "Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt", zu enthalten; das damit normierte Inhaltserfordernis bezieht sich auf jenes Vorbringen des Revisionswerbers, aus dem er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes (infolge Verfahrensfehler, materieller Rechtswidrigkeit oder Unzuständigkeit) ableitet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Juni 2017, Ra 2016/01/0288, sowie vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/10/0120). Darauf, ob diese Gründe der Beschwerde zum Erfolg verhelfen, kommt es bei der Prüfung der formellen Erfordernisse eines Rechtsmittels nicht an (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2017).
17 Der Umstand, dass sich die Beschwerde allenfalls als unbegründet erweisen sollte und im Beschwerdeschriftsatz ein Vorbringen erstattet wird, das im Ergebnis möglicherweise nicht geeignet sein könnte, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen, berechtigt das Verwaltungsgericht nicht zur Zurückweisung der Beschwerde. Vielmehr wäre über die Frage der Begründetheit der Beschwerde im Wege einer inhaltlichen (gegebenenfalls abweisenden) Entscheidung abzusprechen.
18 Da das Verwaltungsgericht dies verkannte, belastete es den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
19 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. September 2017
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