VwGH Ra 2016/07/0012

VwGHRa 2016/07/00123.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Villach-Land, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 26. November 2015, Zl. KLVwG- 3156-3157/2/2014, betreffend Zurückverweisung einer Angelegenheit nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. A H und 2. Dr. R H, beide in Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §24;
VwGVG 2014 §28;
WRG 1959 §9 Abs2;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die mitbeteiligten Parteien betreiben auf dem Grundstück Nr. 911/1, KG A., (Quellfassung) im Eigentum von Regina F. eine Wasserversorgungsanlage. Diese Anlage wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach-Land (BH) vom 7. April 1907 als private Trink- und Nutzwasserversorgung für näher genannte Objekte wasserrechtlich bewilligt. Die mitbeteiligten Parteien ließen nun auf in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken situierte UV-Entkeimungsanlagen in die Wasserversorgungsanlage einbauen.

2 Mit Bescheid der BH vom 22. Dezember 2015 wurden die mitbeteiligten Parteien gemäß § 138 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 9 Abs. 2, 114 und 115 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) verpflichtet, innerhalb von zwei Monaten die Änderung der Wasserversorgungsanlage in Form der Errichtung der UV-Anlage bei der Wasserrechtsbehörde anzuzeigen und die diesbezüglichen technischen Beschreibungen vorzulegen.

3 Der Bescheidbegründung ist unter anderem zu entnehmen, dass ein wasserrechtliches Einreichprojekt betreffend die Änderung bzw. Erweiterung durch die Installation von UV-Anlagen der Wasserrechtsbehörde zur Bewilligung nicht vorgelegt worden sei. Nach den Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 22. Mai 2014 könne eine Erhöhung des Maßes der Wasserbenutzung durch die vorgenommene Änderung bei der Wasserversorgungsanlage ausgeschlossen werden. Die mitbeteiligten Parteien hätten angegeben, dass mit der Errichtung der UV-Anlagen keine fremden Rechte berührt würden.

4 Die BH legte ihrer Beurteilung eine Bewilligungspflicht der in Rede stehenden Änderung durch die Errichtung der UV-Anlagen gemäß § 9 Abs. 2 WRG 1959 zugrunde, weil sich die Quellfassung für die Wasserversorgungsanlage auf dem im Eigentum einer dritten Person stehenden Grundstück Nr. 911/1 befinde. Selbst wenn man diesen Umstand - wegen der Errichtung der UV-Anlagen in den Objekten der mitbeteiligten Parteien - verneine, sei unter anderem aufgrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 29.12.1964, 1178/64), wonach die Änderung einer Wasserbenutzungsanlage, zu deren Errichtung eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich sei, immer einer wasserrechtlichen Bewilligung bedürfe, und des Umstandes, dass die Errichtung der Wasserversorgungsanlage im Jahr 1907 "offensichtlich wohl aufgrund der Tatsache, dass dritte Rechte damals involviert waren", wasserrechtlich bewilligungspflichtig gewesen sei, von einer wasserrechtlich bewilligungspflichtigen Änderung auszugehen.

5 Mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes Kärnten (LVwG) vom 26. November 2015 wurde der von den mitbeteiligten Parteien gegen den Bescheid der BH erhobenen Beschwerde mit der Maßgabe Folge gegeben, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die BH zurückverwiesen wurde. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

6 Begründend hielt das LVwG unter anderem fest, eine Maßnahme oder Anlage sei dann nicht bewilligungspflichtig, wenn die Bewilligungspflicht im Sinne des § 9 Abs. 2 WRG 1959 nur durch die Berührung fremder Rechte begründet sei und insoweit eine Zustimmung oder eine Vereinbarung mit dem Träger des betroffenen Rechtes vorliege (Verweis auf VwGH vom 26. Jänner 2012, 2011/07/0230). Die BH hätte zunächst das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligungspflicht gemäß § 9 Abs. 2 WRG 1959 konkret prüfen müssen und nicht aufgrund von Vermutungen entscheiden dürfen. Im gegenständlichen Fall sei es naheliegend, dass die Inanspruchnahme des Grundstückes Nr. 911/1 durch einen Privatrechtstitel gedeckt sei, zumal die mitbeteiligten Parteien bereits in ihren Stellungnahmen an die BH und in ihrer Beschwerde darauf hingewiesen hätten, dass laut Grundbuch zu Gunsten näher genannter Liegenschaften ein dingliches Recht bezüglich Wasserbezug und Wasserleitung von und über das Grundstück Nr. 911/1 eingeräumt sei. Ob das dingliche Recht tatsächlich bestehe oder bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Bewilligungsbescheides im Jahr 1907 schon bestanden habe, habe die BH nicht geprüft und nicht festgestellt. Ebenso wenig seien Ermittlungen vorgenommen worden, ob durch die Wasserversorgungsanlage auf andere fremde Rechte Einfluss geübt werden könne oder die sonstigen Voraussetzungen für die Bewilligungspflicht gemäß § 9 Abs. 2 WRG 1959 vorlägen. Gehe man davon aus, dass sich durch die eingebauten UV-Entkeimungsanlagen eine qualitative Änderung der wasserrechtlich bewilligten Wasserbenutzung ergebe (was von der BH auch nicht festgestellt worden sei), wäre diese Änderungsmaßnahme nur dann gemäß § 9 Abs. 2 WRG 1959 bewilligungspflichtig, wenn dadurch fremde Rechte beeinflusst werden könnten, die anderen Voraussetzungen für eine Bewilligungspflicht nach § 9 Abs. 2 WRG 1959 vorlägen, oder - gehe man von der seitens der BH zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus - wenn für die Errichtung der Wasserversorgungsanlage eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich wäre.

7 Der Verwaltungsgerichtshof habe in dem von der BH genannten Erkenntnis aus dem Jahr 1964 die Bewilligungspflicht einer Änderung von der Erforderlichkeit einer wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung der Wasserversorgungsanlage und nicht von der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung abhängig gemacht. Es wäre daher von der BH zu prüfen gewesen, inwieweit aufgrund der vorliegenden Privatrechtstitel eine Beeinträchtigung fremder Rechte durch die Wasserversorgungsanlage erfolgen könne oder sonstige Voraussetzungen für eine Bewilligungspflicht gemäß § 9 Abs. 2 WRG 1959 vorlägen. Die Voraussetzungen für die Zurückverweisung der Angelegenheit an die BH lägen - wie näher ausgeführt wurde - vor.

8 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision der BH.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Vorweg ist festzuhalten, dass in der vorliegenden Amtsrevision der - auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandenden - Rechtsansicht des LVwG, es seien zur Beurteilung einer allfälligen Bewilligungspflicht gemäß § 9 Abs. 2 WRG 1959 näher genannte Ermittlungen erforderlich, nicht konkret entgegengetreten wird. Mit den - überdies nicht im gesonderten Abschnitt zur Zulässigkeit der Revision enthaltenen - Ausführungen, die revisionswerbende BH sei "auch inhaltlich anderer Ansicht" als das LVwG, wird in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Schon deshalb ist auch der nachstehenden Beurteilung die diesbezügliche Rechtsmeinung des LVwG und nicht die von der Revisionswerberin im erstinstanzlichen Bescheid vertretene Ansicht, wonach eine Bewilligungspflicht gemäß § 9 Abs. 2 WRG 1959 für die Änderung der Wasserbenutzungsanlage durch den Einbau der UV-Anlagen (bereits deshalb) vorliege, weil sich die Quellfassung der gegenständlichen Wasserversorgungsanlage auf einem im Eigentum einer dritten Person stehenden Grundstück befinde und überdies die Errichtung der Anlage im Jahr 1907 wasserrechtlich bewilligt worden sei, zugrunde zu legen.

13 Zur Zulässigkeit der Amtsrevision wird ausgeführt, Ziel der Einführung der Verwaltungsgerichte sei die Herbeiführung einer raschen, verfahrensökonomischen und kostengünstigen Entscheidungskompetenz der neuen Verwaltungsgerichte und nicht die Schaffung einer reinen Kontrollinstanz gewesen. Im vorliegenden Fall wäre es für das LVwG ein Leichtes gewesen, die seiner Ansicht nach mangelhafte Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes durch Einholung des angeblich vorliegenden zivilrechtlichen Vertrages und Prüfung desselben nachzuholen. Das LVwG sei mit seiner Entscheidung auf Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

14 Mit diesen Ausführungen wird die Zulässigkeit der Revision nicht nachvollziehbar begründet. Es trifft zwar zu, dass das LVwG im angefochtenen Beschluss - unter Zitierung von hg. Judikatur aus dem Jahr 2002 - die Ansicht vertreten hat, ein Verwaltungsgericht übe gegenüber der Verwaltung eine Kontrollfunktion aus und es liege nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Verwaltungsgericht die Institution darstelle, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt - sei es auch nur in einem Teilaspekt - ermittle und einer Beurteilung unterziehe. Das LVwG hat aber auch zutreffend einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus der Zeit nach Einführung der Verwaltungsgerichte zitiert und ist im Ergebnis nicht von dieser Rechtsprechung abgewichen.

15 Nach der hg. Judikatur verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das LVwG vorgenommen werden. Selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, rechtfertigen keine Zurückverweisung der Sache, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinne des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind (vgl. dazu etwa VwGH vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0034, und vom 30. Mai 2017, Ro 2015/07/0005, jeweils mwN).

16 Im vorliegenden Fall hat das LVwG der revisionswerbenden BH nicht nur die Prüfung, ob ein dingliches Recht des Wasserbezuges und der Wasserleitung von und über das Grundstück Nr. 911/1 eingeräumt sei, aufgetragen, sondern auch weitere notwendige Ermittlungsschritte für notwendig erachtet, so etwa, ob sich durch die eingebauten UV-Entkeimungsanlagen eine qualitative Änderung der wasserrechtlich bewilligten Wasserbenutzung ergebe, ob durch die gegenständliche Wasserversorgungsanlage auf andere fremde Rechte Einfluss geübt werden könne oder sonstige Voraussetzungen für die Bewilligungspflicht gemäß § 9 Abs. 2 WRG 1959 vorlägen.

17 Vor dem Hintergrund der bereits dargestellten, von der BH vertretenen Rechtsansicht über die vorliegend jedenfalls bestehende Bewilligungspflicht waren von dieser keine der genannten, zielführenden Ermittlungen durchgeführt worden. Es liegt daher ein Fall vor, in dem nach der zitierten Rechtsprechung wegen der Unterlassung jeglicher erforderlicher Ermittlungstätigkeit (abgesehen von der Prüfung des Maßes der Wasserbenutzung) bzw. wegen bloß ansatzweiser Ermittlungen eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen in Betracht kommt. Das LVwG hat somit gegen seine Verpflichtung, in der Sache selbst zu entscheiden, im vorliegenden Fall nicht verstoßen.

18 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Oktober 2017

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