VwGH Ra 2016/05/0093

VwGHRa 2016/05/009321.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der A F in H, vertreten durch die Holter - Wildfellner Rechtsanwälte OG in 4710 Grieskirchen, Uferstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 27. Juni 2016, Zl. LVwG-150616/52/VG, betreffend Einwendungen gegen ein Bauverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeinderat der Gemeinde H; mitbeteiligte Partei: Ing. G K in H, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Zollamtsstraße 7; weitere Partei:

Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauRallg;
ROG OÖ 1994 §22 Abs2;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist Eigentümerin der an das Grundstück des Mitbeteiligten angrenzenden Liegenschaft. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde H vom 10. Oktober 2012 wurde dem Mitbeteiligten die Baubewilligung für den Zubau einer landwirtschaftlichen Lagerhalle an die bestehende Lagerhalle auf seiner Liegenschaft erteilt. Die dagegen erhobene Berufung der Revisionswerberin wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom 28. Februar 2013 abgewiesen. Der dagegen erhobenen Vorstellung der Revisionswerberin wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 12. September 2013 Folge gegeben und der Bescheid des Gemeinderates aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an denselben zurückverwiesen. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 wies der Gemeinderat die Berufung der Revisionswerberin erneut ab und erteilte (mit neu gefasstem Spruch) die Baubewilligung.

Der Bürgermeister legte die dagegen erhobene Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vor, welches mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt hat. Das Verwaltungsgericht führte im Wesentlichen aus, das Grundstück des Mitbeteiligten weise eine gemischte Widmung auf (nämlich teils Grünland, teils Bauland-Dorfgebiet), weshalb ohnehin ein agrarfachlicher Amtssachverständiger beigezogen worden sei. Das beantragte Bauvorhaben entspreche einer Grünlandwidmung, weil es für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Bauwerbers notwendig sei. Die Einhaltung der Flächenwidmung "Grünland" diene ausschließlich dem öffentlichen Interesse, weil diese Widmungskategorie dem Nachbarn keinen Immissionsschutz biete, daher könne die Revisionswerberin nicht in einem subjektivöffentlichen Recht verletzt sein.

Eine vorgelegte Stellungnahme des Privatsachverständigen samt Messbericht sei im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einer Gesamtbeurteilung durch den lärmtechnischen Amtssachverständigen unterzogen worden.

Weiter sei es gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG dem Gemeinderat freigestanden, innerhalb von zwei Monaten ab Erhalt der Beschwerde eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Da keine solche getroffen wurde, sei das Landesverwaltungsgericht zuständig geworden. Darüber hinaus sei der Gemeinderat gemäß § 43 Abs. 4 Oö. Gemeindeordnung 1990 dazu ermächtigt, im Vorhinein seine Zuständigkeit zur Entscheidung, dass von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgesehen werde, auf den Bürgermeister zu übertragen.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3 Die Revision ist nicht zulässig:

4 Die Revisionswerberin bringt im Rahmen der Zulässigkeitsausführungen vor, das Verwaltungsgericht sei in mehrfacher Hinsicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen bzw. liege keine solche vor:

Das Ist-Maß (gemeint wohl: in Bezug auf Lärmimmissionen) sei nicht differenzierend durch Messungen erhoben worden. Der Amtssachverständige selbst habe nicht gemessen und der Bauwerber habe lediglich eine Stunde mit überdurchschnittlichem Verkehrsaufkommen messen lassen. Weiters sei eine zeitliche Beschränkung des Bauprojektes, um die Revisionswerberin vor Emissionen zu schützen, nicht geprüft worden. Es seien "eine Reihe von wesentlichen Antragsänderungen und Antragspräzisierungen" nicht in den Spruch aufgenommen und die projektierten Fahrbewegungen seien vom Bauwerber widersprüchlich angegeben worden. Es sei im Rahmen der Prüfung der Widmungskonformität keine Wirtschaftlichkeitsrechnung angestellt und nicht geprüft worden, ob das östliche Tor betriebsbedingt und damit landwirtschaftlich notwendig sei. Weiters sei das schalltechnische Projekt auf Grundlage der ÖAL-Richtlinie 3 und nicht auf Grundlage der ÖNORM S5021 erstellt worden. An den Privatsachverständigen der Revisionswerberin sei aber die Anforderung gestellt worden, sein Gutachten auf Grundlage der ÖNORM S5021 zu erstellen, was aber vom Projektanten nicht gefordert worden sei. Die Revisionswerberin habe mit Schriftsatz vom 13. Juni 2016 ein neuerliches Gutachten vorgelegt, das das Verwaltungsgericht dem Amtssachverständigen nicht mehr zu Prüfung übermittelt habe.

All diese Vorbringen bewirken nicht, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten ist, die über den Einzelfall hinausgeht. Es ist im Zulässigkeitsvorbringen der Revision konkret anzuführen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung (vgl. unter vielen VwGH 29.6.2016, Ra 2016/05/0055, mwN) - abweicht bzw. welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich beantwortet habe (vgl. VwGH 28.2.2014, Ro 2014/16/0004, und VwGH 25.9.2014, Ro 2014/07/0048). Diesem Erfordernis wird die Revision nicht gerecht. Soweit Verfahrensmängel, insbesondere im Rahmen der Lärmbeurteilung des Bauvorhabens und der dazu vom Verwaltungsgericht nach eingehender Beweiswürdigung herangezogenen Gutachten und gutachterlichen Stellungnahmen, aufgeworfen werden, ist darauf zu verweisen, dass eine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes nur dann eine solche von grundsätzlicher Bedeutung sein kann, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der

angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob

fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 24.3.2015, Ra 2015/05/0001, mwN). Dass ein derartiger Verfahrensmangel vorliegt, wurde nicht aufgezeigt. Darüber hinaus setzt die Zulässigkeit der Revision bei einem eine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die Revisionswerberin günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 27.4.2016, Ra 2016/05/0017). Auch diesen Anforderungen entsprechen die Zulässigkeitsausführungen nicht.

5 Die Revisionswerberin rügt weiters, es bestehe keine Rechtsprechung zur Frage, ob einem Nachbarn ein Anspruch auf Prüfung zukomme, ob das im Dorfgebiet zu errichtende Gebäude ein landwirtschaftliches sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Widmung von Baugrundstücken und den subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten im Sinne des § 31 OÖ. (BO) bereits mehrfach festgehalten, dass aus der Anordnung der Widmungskategorien in Flächenwidmungsplänen grundsätzlich insoweit Nachbarrechte auf Beachtung derselben erfließen, als die in diesen generellen Normen enthaltenen Regelungen unter Gesichtspunkten getroffen worden sind, die nicht nur öffentliche Interessen, sondern auch Interessen der Nachbarn in sich schließen (vgl. VwGH 28.6.2005, 2003/05/0091). Widmungskategorien kommen als eine subjektiv-öffentliche Nachbarrechte gewährleistende Norm somit insoweit in Betracht, als durch die bestimmte Widmungskategorie ein Immissionsschutz gewährt wird (vgl. VwGH 19.5.1998, 98/05/0075). Die BO gewährt dem Nachbarn somit nicht schlechthin einen Anspruch auf widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes (vgl. VwGH 29.4.1997, 96/05/0210); sie enthält nämlich keine Bestimmung, die ausdrücklich ein Recht auf Einhaltung der Flächenwidmung einräumt (vgl. VwGH 30.6.1998, 97/05/0132, und VwGH 27.6.2006, Zl. 2005/05/0007).

Soweit in § 22 Abs. 2 ROG die Zulässigkeit von Gebäuden land- und forstwirtschaftlicher Betriebe geregelt ist, ist kein Immissionsschutz vorgesehen, zur Widmungsgemäßheit eines solchen Gebäudes, wie auch zu der Frage, ob ein landwirtschaftliches Gebäude vorliegt, besteht somit kein Mitspracherecht eines Nachbarn (vgl. u.a. VwGH 13.11.2012, 2009/05/0153).

6 Schließlich wird als Zulässigkeitsargument noch vorgebracht, die Beschwerde sei vom Bürgermeister ohne Befassung des Gemeinderates dem Verwaltungsgericht vorgelegt worden, obwohl der Bürgermeister als Erstbehörde befangen sei. Der Gemeinderat hätte eine anderslautende Beschwerdevorentscheidung treffen können. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegt, wenn die gesetzliche Rechtslage eindeutig ist, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, sofern nicht fallbezogen (ausnahmsweise) eine Konstellation vorliegt, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl. VwGH 3.7.2015, Ra 2015/03/0041, und VwGH 27.8.2014, Ra 2014/05/0007, mwN).

§ 43 Abs. 4 Z 2 der Oö. Gemeindeordnung 1990 regelt, dass der Gemeinderat im Vorhinein seine Zuständigkeit zur Entscheidung, ob gemäß § 14 Abs. 2 VwGVG von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgesehen wird, ganz, teilweise oder im Einzelfall auf die Bürgermeisterin bzw. auf den Bürgermeister übertragen kann. Mit Übertragungsverordnung vom 9. April 2014 wurde vom Gemeinderat der Gemeinde H eine Übertragung der Zuständigkeit des Gemeinderates auf den Bürgermeister iSd

§ 43 Abs. 4 der Oö. Gemeindeordnung 1990 beschlossen. Die Revisionswerberin zeigt keine Gründe auf, die ein korrigierendes Eingreifen des Verwaltungsgerichtshofs im Sinne der Rechtssicherheit erforderlich erscheinen ließen.

7 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 21. November 2017

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