VwGH Ra 2016/04/0150

VwGHRa 2016/04/015029.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der K GmbH in K, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 21. November 2016, Zl. KLVwG- 1022-1034/14/2016, betreffend elektrizitätsrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde Finkenstein am Faaker See, 2. Ing. M M in F, 3. J K, 4. F K,

5. Mag. B P, 6. Mag. K P, 7. J A, 8. C A, 9. H M, 10. G S, 11. D Z, alle in V, 12. W G, 13. W Gr, beide in V, alle vertreten durch die Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
UVPG 2000 §3 Abs7;
VwGG §25a Abs3 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21. November 2016 hat das Landesverwaltungsgericht Kärnten das bei ihm anhängige Beschwerdeverfahren betreffend die von der revisionswerbenden Partei beantragte starkstromwegerechtliche Bewilligung für das Projekt

"220/110-kV-Netzabstützung Villach" gemäß § 38 AVG ausgesetzt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.

2 In seiner Begründung verwies das Landesverwaltungsgericht auf das in der vorliegenden Angelegenheit ergangene hg. Erkenntnis vom 20. April 2016, Ra 2016/04/0008 und 0018, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass die Frage, ob das gegenständliche Vorhaben der UVP-Pflicht unterliege, als Hauptfrage im UVP-Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 zu beantworten sei.

Das zuständige Bundesverwaltungsgericht habe - so das Landesverwaltungsgericht weiter - die angesprochene Vorfrageentscheidung mittlerweile mit Erkenntnis vom 1. August 2016 dahingehend getroffen, dass das gegenständliche Vorhaben nicht UVP-pflichtig sei. Gegen dieses Erkenntnis seien Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden. Eine "rechtskräftige" Entscheidung in dieser Angelegenheit der UVP-Feststellung liege dem Landesverwaltungsgericht bisher nicht vor. Die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis angesprochene Hauptfrage, ob das gegenständliche Vorhaben der UVP-Pflicht unterliege oder nicht, bilde eine maßgebliche Vorfrage für die Zuständigkeit des abzuführenden Genehmigungsverfahrens. In Entsprechung der in § 34 Abs. 1 VwGVG festgelegten Verpflichtung zur Entscheidung innerhalb von sechs Monaten sei das anhängige Beschwerdeverfahren daher bis zur Entscheidung der Vorfrage auszusetzen.

3 2. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt hat.

4 3. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG ausführt, dass die Argumentation der revisionswerbenden Partei "nachvollziehbar und schlüssig erscheint". II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 1. Die Zulässigkeit der Revision wird damit begründet, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege, weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Dieser zu Folge würden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte mit ihrer Erlassung rechtskräftig, woran eine dagegen erhobene Revision nichts ändere. Deshalb komme die Aussetzung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über eine Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts nicht in Betracht.

6 2. Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 7 2.1. Ein gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG

ergangener Aussetzungsbeschluss ist keine bloß verfahrensleitende Entscheidung im Sinn des § 25a Abs. 3 VwGG. Er unterliegt daher auch nicht dem Revisionsausschluss nach dem ersten Satz dieser Bestimmung (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2015, Ra 2015/10/0023, mwN).

8 2.2. Nach § 38 letzter Satz AVG ist eine Aussetzung des Verfahrens nur zulässig, wenn das Verfahren über die Vorfrage noch nicht beendet, also insbesondere nicht rechtskräftig entschieden worden ist.

Ausgehend davon erweist sich die im vorliegenden Fall vom Landesverwaltungsgericht vorgenommene Aussetzung des bei ihr anhängigen Beschwerdeverfahrens als nicht rechtmäßig:

Die Vorfrage, ob das gegenständliche Vorhaben der UVP-Pflicht unterliegt oder nicht, ist - wie die revisionswerbende Partei richtig vorbringt - mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. August 2016 rechtskräftig entschieden. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. November 2015, Ro 2015/07/0018, ausgesprochen hat, ändert daran auch der Umstand nichts, dass gegen die betreffende Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Revision erhoben wurde (vgl. zur Rechtskraft der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts auch den hg. Beschluss vom 24. Mai 2016, Ra 2016/03/0050).

9 3. Das Landesverwaltungsgericht war somit zu der mit dem angefochtenen Beschluss ausgesprochenen Verfahrensaussetzung nicht befugt, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

10 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. Juni 2017

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