VwGH Ra 2015/03/0062

VwGHRa 2015/03/006220.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des G R in W, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. Juni 2015, Zl VGW-101/048/25628/2014-30, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte (belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §52;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1;
WaffG 1996 §8 Abs2 Z3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015030062.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht vom 24. März 2014 war dem Revisionswerber gemäß § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 WaffG die Waffenbesitzkarte entzogen worden.

2 Mit dem nun angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab; die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

3 Dem legte das Verwaltungsgericht, gestützt im Wesentlichen auf Gutachten eines Waffentechnikers und medizinischer Sachverständigen, zu Grunde, dass dem Revisionswerber, der nach einem Schlaganfall linksseitig gelähmt sei, das sichere Bedienen von Schusswaffen der Kategorie B nur eingeschränkt möglich sei:

Der amtsärztliche Sachverständige habe eine "Gefährdung ... lediglich beim Hantieren und beim Umgang mit der geladenen Waffe aufgrund der eingeschränkten Körperbeherrschung bei Zustand nach Schlaganfall 2002 mit Halbseitenlähmung links mit Gangbehinderung und vollständigem Funktionsverlust des linken Armes" attestiert. Der waffentechnische Sachverständige habe zwar keine technischen Gründe erkennen können, weshalb dem Revisionswerber bei bestimmungsgemäßer Verwendung von Hilfsmitteln eine Neuerteilung der Waffenbesitzkarte zu verwehren wäre, gleichwohl aber Einschränkungen für einen sicheren Umgang mit Schusswaffen festgehalten (auch bei Verwendung einer Schießbrille und eines Hilfs- bzw Montagebretts könne der Revisionswerber nicht alle Hemmungen an der Waffe wie ein durchschnittlicher Nichtbehinderter beheben).

4 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. In der Zulässigkeitsbegründung wird geltend gemacht, es fehle an Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob schon die Notwendigkeit der Verwendung eines einfachen Hilfsmittels beim Laden der Waffe die Verlässlichkeit ausschließt.

5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

6 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

8 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 25a Abs 1 VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs 1 VwGG - in jeder Lage des Verfahrens (vgl Abs 3) - zurückzuweisen.

9 Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist.

10 Gemäß § 8 Abs 2 Z 3 WaffG ist ein Mensch, der durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen, keinesfalls verlässlich. Ausgehend von dieser Regelung (Voraussetzung für das Bestehen des Verlässlichkeitsausschlussgrunds ist nicht allein das Vorliegen eines körperlichen Gebrechens, dieses muss vielmehr auch Einfluss auf die Fähigkeit des Betroffenen haben, mit Waffen sachgemäß umzugehen) setzt die Beurteilung der gebrechensbedingt fehlenden Fähigkeit eines sachgemäßen Umgangs mit Waffen in der Regel (wenn nicht Offenkundigkeit vorliegt) auf - gegebenenfalls in Zusammenspiel der beteiligten Professionen (Mediziner, Waffentechniker) erstatteten - Sachverständigengutachten beruhende Feststellungen über die körperlichen Gebrechen des Betroffenen und die davon ausgehenden Auswirkungen auf die Fähigkeit zu einem sachgemäßen Umgang mit "Waffen", also jedenfalls auch von Schusswaffen der Kategorie B, für deren Besitz eine an den (Weiter‑)Bestand der Verlässlichkeit geknüpfte Waffenbesitzkarte erforderlich ist, voraus.

11 Das Verwaltungsgericht, das - unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der Parteien auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - zur Beurteilung der demnach maßgebenden Parameter Sachverständige bestellt und ausgehend von deren Gutachten unter Miteinbeziehung einer vom Revisionswerber vorgelegten ärztlichen Stellungnahme die eingangs dargelegten Feststellungen getroffen hat, ist den aus der dargestellten Rechtslage sich ergebenden Anforderungen nachgekommen. Die einzelfallbezogene Beurteilung einer Konstellation wie der vorliegenden, in der die Umstände des Einzelfalls mit ihren konkreten Begleitumständen maßgeblich sind, ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl etwa VwGH vom 17. Oktober 2016, Ro 2015/03/0035, und vom 22. Juni 2016, Ra 2016/03/0062). Der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu einem Sachverhalt wie dem vorliegenden (insbesondere dem in der Zulassungsbegründung der Revision aufgeworfenen Erfordernis eines "Ladebretts") fehlt, begründet noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG, wenn das Verwaltungsgericht wie vorliegend die Leitlinien der Rechtsprechung beachtete (vgl VwGH vom 23. September 2014, Ro 2014/01/0033).

12 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Jänner 2017

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