VwGH Ra 2014/13/0029

VwGHRa 2014/13/002925.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, BA, über die Revision der C GmbH in B, vertreten durch die Kotlik, Prokopp, Stadler GmbH, Steuerberater/Wirtschaftsprüfer in 2353 Guntramsdorf, Klingerstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 3. September 2014, Zl. RV/7101426/2010, betreffend u.a. Körperschaftsteuer 2004 und 2005, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §24 Abs1 litd;
EStG 1988 §5;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2014130029.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ihren Gewinn nach § 5 EStG 1988 ermittelt, fand eine die Jahre 2004 bis 2007 umfassende abgabenbehördliche Prüfung statt. Die Prüferin stellte u.a. fest, dass die Revisionswerberin mit Kaufvertrag vom 20. Dezember 2004 eine Liegenschaft veräußert, die dabei aufgedeckten stillen Reserven einer Rücklage gemäß § 12 EStG 1988 zugeführt und die Rücklage im Jahr 2005 auf in diesem Jahr angeschaffte Wirtschaftsgüter übertragen bzw. aufgelöst habe. Laut § 4 des Kaufvertrages sei die Übergabe und Übernahme der Liegenschaft mit Kaufvertragsunterfertigung erfolgt. Tatsächlich habe die Revisionswerberin die Liegenschaft weiterhin genutzt und die Erlöse aus der Vermietung von auf der Liegenschaft befindlichen Büro- und Lagerräumen vereinnahmt. Auch die im Zusammenhang mit der Liegenschaft anfallenden Aufwendungen seien weiterhin von der Revisionswerberin getragen worden. Die Liegenschaft sei erst am 8. April 2005 an den Käufer übergeben worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Revisionswerberin sowohl die faktische als auch die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Liegenschaft gehabt. Daher sei der Erlös aus der Veräußerung der Liegenschaft nicht im Jahr 2004, sondern erst im Jahr 2005 zu erfassen. Die Dotierung einer Rücklage gemäß § 12 EStG 1988 sei nicht zulässig, weil eine solche seit dem Steuerreformgesetz 2005, das am 1. Jänner 2005 in Kraft getreten sei, nur von natürlichen Personen gebildet werden könne.

2 Das Finanzamt folgte der Prüferin, verfügte u.a. die Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 2004 und 2005 und erließ der angeführten und weiteren nicht verfahrensgegenständlichen Feststellungen entsprechende Körperschaftsteuerbescheide 2004 und 2005.

3 Die Revisionswerberin berief gegen die Körperschaftsteuerbescheide und brachte in der Berufung u.a. vor, für die zeitliche Erfassung des Veräußerungserlöses einer Liegenschaft und die damit im Zusammenhang stehende Aufdeckung stiller Reserven sei nach der Rechtsprechung der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an der Liegenschaft entscheidend. Der zivilrechtliche Eigentümer sei in der Regel mit dem wirtschaftlichen Eigentümer ident. Zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum fielen aber dann auseinander, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die positiven Befugnisse, die Ausdruck des zivilrechtlichen Eigentums seien, wie insbesondere Gebrauch, Verbrauch, Veränderung, Belastung und Veräußerung, auszuüben in der Lage sei und wenn er zugleich den negativen Inhalt des Eigentumsrechts, nämlich den Ausschluss Dritter von der Einwirkung auf die Sache, geltend machen könne. Die Übergabe und Übernahme der in Rede stehenden Liegenschaft sei laut § 4 des Kaufvertrages vom 20. Dezember 2004 mit Unterfertigung des Kaufvertrages erfolgt. Mit diesem Stichtag seien Gefahr und Zufall, Nutzung und Lasten auf den Käufer übergegangen, der auch alle mit der Liegenschaft verbundenen Gebühren und Abgaben zu tragen gehabt habe. Diesem Umstand messe der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Eigentums besondere Bedeutung zu. Der Käufer habe die Liegenschaft ab Unterfertigung des Kaufvertrages belasten und auch wieder veräußern können. Der Revisionswerberin seien keine weiteren Nutzungen zugesichert worden und der Käufer hätte das Recht gehabt, sie von der Nutzung auszuschließen.

4 Die Prüferin wies in einer Stellungnahme zur Berufung darauf hin, dass die Liegenschaft entgegen der in § 4 des Kaufvertrages vom 20. Dezember 2004 getroffenen Vereinbarung weiterhin von der Revisionswerberin genutzt worden sei. Die tatsächliche Übergabe habe am 8. April 2005 stattgefunden. Bis dahin habe die Revisionswerberin im Zusammenhang mit der Liegenschaft stehende Mieterlöse vereinnahmt und die Aufwendungen für die Liegenschaft getragen. Eine Vereinbarung betreffend die weitere Nutzung der Liegenschaft durch die Revisionswerberin sei nicht vorgelegt worden. Auch die vertragliche Gestaltung der Kaufpreiszahlung (§ 2 Abs. 4 des Kaufvertrages) lasse darauf schließen, dass die Revisionswerberin die Liegenschaft erst im April 2005 räumen und übergeben und der Käufer erst bei Übernahme der von allen Mobilien geräumten Liegenschaft einen Teil des Kaufpreises bezahlen wollte. "Übernahme und Kaufpreiszahlung sollten nach Ansicht der Betriebsprüfung Zug um Zug geschehen. Die Liegenschaft verblieb somit bis zum 8.4.2005 dem Veräußerer zur unentgeltlichen und unveränderten Weiternutzung. Erst am 8.4.2005 wurde von beiden Parteien die Übernahmebestätigung der geräumten Liegenschaft - wie im Kaufvertrag vorgesehen - unterzeichnet und nicht nur die Schlüsselübergabe, sondern auch die Ablesung des Strom- und Wasserzählerstandes sowie die Pflichten der Ummeldung der Netznutzung durch den Käufer schriftlich festgehalten."

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der als Beschwerde zu behandelnden Berufung keine Folge und führte begründend aus, die Gewinnrealisierung im Steuerrecht sei vom handelsrechtlichen Realisationsprinzip beherrscht. Nach diesem Prinzip dürften Gewinne erst dann ausgewiesen werden, wenn sie am Abschlussstichtag (Bilanzstichtag) verwirklicht seien. Bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern komme es erst zu einer Gewinnverwirklichung, wenn das wirtschaftliche Eigentum an den Wirtschaftsgütern übergegangen sei. Der Übergang müsse sich tatsächlich vollziehen und könne nicht abstrakt vereinbart werden (Hinweis auf das Erkenntnis vom 3. Dezember 2012, 2008/13/0088). Die Revisionswerberin behaupte, die Übergabe der Liegenschaft an den Käufer sei mit der Unterzeichnung des Kaufvertrages am 20. Dezember 2004 erfolgt. Dem stehe jedoch die Tatsache gegenüber, dass die Revisionswerberin die Liegenschaft bis zum 8. April 2005 uneingeschränkt genutzt und daraus auch Erlöse erzielt habe. Erst im April 2005 habe die Revisionswerberin die Liegenschaft von allen Mobilien geräumt und dem Käufer die faktische Verfügungsmöglichkeit verschafft. Überdies lasse auch die Zahlungsvereinbarung (§ 2 Abs. 4 des Kaufvertrags) den Schluss zu, dass die Revisionswerberin die Liegenschaft erst im April 2005 habe räumen und übergeben wollen. Demnach sei die Revisionswerberin zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2004 zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentümerin der Liegenschaft gewesen, weshalb es 2004 in Bezug auf die Liegenschaft zu keiner Gewinnrealisierung gekommen sei.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu deren Zulässigkeit im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ausgeführt wird:

"Die Beweiswürdigung des Erkenntnisses entspricht nicht dem tatsächlichen Sachverhalt: Die Beweiswürdigung trägt dem eindeutigen Vertragsinhalt, dem Willen der Vertragspartner und den tatsächlichen Verhältnissen nicht Rechnung. Insbesondere geht das Erkenntnis nicht auf die Frage ein, wer ab dem vereinbarten Übertragungstag die Chancen auf Wertsteigerungen der Liegenschaft hatte und wer ab dem vertraglich festgelegten Übergabestichtag das Risiko der Wertminderung tragen musste. Das Bundesfinanzgericht berücksichtigt auch nicht, dass der Käufer als wirtschaftlicher Eigentümer nicht von seinem Verfügungsrecht über das Wirtschaftsgut Gebrauch machen muss (VwGH 3.12.2012, 2008/13/0088).

Mit seinem Erkenntnis ist das Bundesfinanzgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH 12.12.2007, 2006/15/0123) abgewichen, da die Chance auf Wertsteigerung und das Risiko der Wertminderung wesentliche Kriterien bei der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums sind."

 

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision nach Vorlage der Verfahrensakten - die belangte Behörde hat keine Revisionsbeantwortung erstattet - erwogen:

8 Maßgeblich dafür, in welchem Wirtschaftsjahr der Veräußerungserlös der von der Revisionswerberin (Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988) verkauften Liegenschaft bilanzsteuerlich zu erfassen ist, ist der Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an der Liegenschaft (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 2003, 97/13/0052, VwSlg 7804/F).

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist wirtschaftliches Eigentum dann anzunehmen, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die positiven Befugnisse, die Ausdruck des zivilrechtlichen Eigentums sind (Gebrauch, Verbrauch, Veränderung, Belastung, Veräußerung) auszuüben in der Lage ist, und wenn er zugleich den negativen Inhalt des Eigentumsrechtes, nämlich den Ausschluss Dritter von der Einwirkung auf die Sache, auch gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer auf Dauer, d.h. auf die Zeit der möglichen Nutzung, geltend machen kann (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, 2006/15/0123, VwSlg 8295/F). Für die Frage des wirtschaftlichen Eigentums ist insbesondere auch von Bedeutung, wer die Chance von Wertsteigerungen und das Risiko von Wertminderungen trägt (vgl. nochmals das Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, VwSlg 8295/F, und das Erkenntnis vom 25. Juni 2014, 2010/13/0105).

10 Die Revisionswerberin rügt zu Recht, dass das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht auf das Beschwerdevorbringen eingegangen sei, wonach der Käufer mit Unterfertigung des Kaufvertrages die Chancen von Wertsteigerungen bzw. das Risiko von Wertminderungen der in Rede stehenden Liegenschaft übernommen hat (siehe z.B. das oben erwähnte Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, VwSlg 8295/F). Diesem Umstand kommt bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Eigentums besonderes Gewicht zu, weshalb sich die belangte Behörde damit hätte auseinandersetzen müssen.

11 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. Jänner 2017

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