VwGH Ro 2016/22/0012

VwGHRo 2016/22/001217.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, in der Revisionssache des **** gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 24. Februar 2016,  VGW- 151/071/6101/2015-8, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: ****), den Beschluss gefasst:

Normen

32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art3 Abs2 lite;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
NAG 2005 §61;
NAG 2005 §62;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein mazedonischer Staatsangehöriger, hält sich seit 10. Oktober 2005 durchgehend in Österreich auf. Er verfügte zunächst von 12. März 2006 bis 7. März 2013 über Aufenthaltsbewilligungen "Studierender" und daran anschließend bis 10. März 2016 über Aufenthaltsbewilligungen "Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit". Seit 12. Dezember 2011 ist der Mitbeteiligte bei der kanadischen Botschaft in Wien angestellt. Mit Zweckänderungsantrag vom 5. März 2015 beantragte er die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EU" gemäß § 45 Abs. 1 Niederlassung- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

2 Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit der Begründung ab, ein direkter Umstieg von einer Aufenthaltsbewilligung auf einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" sei nicht möglich, weil der Mitbeteiligte die Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 1 NAG nicht erfülle. Er habe noch nie über eine Niederlassungsbewilligung für Österreich verfügt und sei somit auch noch nicht fünf Jahre ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt gewesen.

3 Das Verwaltungsgericht gab der dagegen erhobenen Beschwerde statt und erteilte dem Mitbeteiligten einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU". Begründend führte es im Wesentlichen mit Hinweis auf Art. 4 der Richtlinie 2003/109/EG aus, dem Mitbeteiligten komme - ungeachtet der Differenzierung zwischen Aufenthaltsbewilligung und Niederlassungsbewilligung im NAG - die Rechtsstellung langfristig Aufenthaltsberechtigter unmittelbar auf Grundlage dieser Richtlinie zu. Der dem Mitbeteiligten erteilte Aufenthaltstitel "Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" sei - unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 18. Oktober 2012 in der Rechtssache C-502/10  - nicht unter den Ausnahmetatbestand des Art. 3 Abs. 2 lit. e letzter Fall der Richtlinie 2003/109/EG betreffend förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen zu subsumieren, weil er unbegrenzt verlängert werden könne. Die Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 1 NAG seien erfüllt, weil dem Mitbeteiligten sein siebenjähriger rechtmäßiger Aufenthalt als Student gemäß § 45 Abs. 2 leg. cit. zur Hälfte anzurechnen sei.

4 Schließlich erklärte das Verwaltungsgericht eine ordentliche Revision für zulässig, weil "eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung für Inhaber der Aufenthaltsbewilligung ‚Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit' vorliegt".

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

8 Der Revisionswerber stimmt dem Verwaltungsgericht zu, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege; darüber hinaus macht er gesondert keine Rechtsfragen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG geltend.

9 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt dann nicht vor, wenn diese Frage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits beantwortet wurde. Dies gilt auch bei Normen, die sich in den entscheidenden Teilen nicht von anderen Normen unterscheiden, zu denen eine entsprechende Rechtsprechung erging (vgl. den hg. Beschluss vom 18. Dezember 2015, Ro 2015/12/0020). Mit hg. Erkenntnis vom 19. April 2016, Ro 2015/22/0010, führte der Verwaltungsgerichtshof zu § 61 NAG aus, dass die innerstaatliche Ausgestaltung der Aufenthaltsbewilligung "Künstler" den Drittstaatsangehörigen nicht daran hindere, langfristig ansässig zu sein, eine solche Konstellation daher nicht unter die Ausnahme des Art. 3 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2003/109/EG falle und der in jenem Verfahren Mitbeteiligten daher unmittelbar auf Grund der Richtlinie die Rechtsstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigte zukomme. Diese Rechtsprechung ist auf § 62 NAG betreffend "Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" übertragbar, weil es sich auch dabei um eine - im Rahmen des 5. Hauptstückes des zweiten Teiles des NAG geregelte - Aufenthaltsbewilligung handelt, die unbegrenzt verlängerbar ist und den Mitbeteiligten nicht daran hindert, langfristig ansässig zu sein.

10 Die zum Zeitpunkt der Einbringung der Revision bestandene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung fiel somit nachträglich weg, weil die Frage in einem anderen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geklärt wurde (vgl. den hg. Beschluss vom 7. Juni 2016, Ro 2016/22/0008).

11 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. Oktober 2016

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