VwGH Ra 2016/18/0232

VwGHRa 2016/18/023212.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision des C M in K, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juli 2016, Zl. I406 2129056- 1/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §14;
AVG §15;
AVG §14;
AVG §15;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein algerischer Staatsangehöriger, stellte am 19. April 2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er habe die Drogenmafia an die Polizei verraten und sei mit dem Umbringen bedroht worden. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Woche später gab der Revisionswerber im Wesentlichen an, er habe zuvor nicht ganz die Wahrheit gesagt. Die Probleme mit den Kriminellen habe er nicht gehabt, er sei nur aus wirtschaftlichen Gründen ausgereist.

2 Mit Bescheid vom 27. April 2016 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG erließ es zudem ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung ab.

3 In der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - vor, er habe seine Fluchtgründe in der Erstbefragung angegeben. In der Einvernahme vor dem BFA, die etwa zwei Minuten in Anspruch genommen habe, sei ihm vom Dolmetscher, welcher dies "offensichtlich" mit dem Organwalter abgesprochen habe und von diesem damit beauftragt worden sei, gesagt worden, dass er "vergessen soll was er im ersten Interview gesagt hat und sagen soll, dass er nur wegen Arbeit gekommen ist". Daraufhin sei er nicht weiter einvernommen worden. Es sei ihm kein Protokoll ausgedruckt und rückübersetzt worden und unterschreiben habe er auch nichts müssen.

4 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die Beschwerde des Revisionswerbers mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und führte im Zusammenhang mit dem Beschwerdevorbringen aus, die Niederschrift der Einvernahme durch das BFA gebe zu keinerlei Zweifel Anlass. Die Niederschrift halte als Beginn 13:30 Uhr und als Ende 13:45 Uhr fest, der Revisionswerber sei zu seinen Fluchtgründen umfassend befragt worden und schließlich habe der Revisionswerber - nachdem er die Frage nach Einwendungen gegen die Rückübersetzung verneint habe - die Niederschrift unterfertigt. Ihr komme daher volle Beweiskraft zu. Eine mündliche Verhandlung habe unterbleiben können, weil der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt gewesen sei. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 In der gegenständlichen Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Der Revisionswerber habe in seiner Beschwerde den Vorwurf der mangelhaft durchgeführten Einvernahme und der irreführenden Manuduktion erhoben, das BVwG habe dies mit näherer Begründung in Abrede gestellt. Damit habe es sich beweiswürdigend mit dem Beschwerdevorbringen auseinandergesetzt und gehe somit über die Beweiswürdigung des BFA hinaus, weshalb eine mündliche Verhandlung durchgeführt hätte werden müssen.

7 Mit diesem Vorbringen wird keine zur Zulässigkeit führende Rechtsfrage aufgezeigt.

8 Gemäß § 15 AVG liefert, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Fallbezogen sind Einwendungen des Revisionswerbers weder protokolliert, noch wird behauptet, der Revisionswerber hätte Einwendungen im Sinne des § 14 Abs. 3 AVG erhoben. Ebenso wenig hat der Revisionswerber behauptet, die Niederschrift seiner Einvernahme vor dem BFA entspreche nicht den Formvorschriften des § 14 AVG.

9 Die den Vorschriften des § 14 AVG entsprechende Niederschrift über die Einvernahme vor dem BFA liefert somit, wie vom BVwG angenommen, vollen Beweis über deren Verlauf und Gegenstand.

10 Dessen ungeachtet bleibt gemäß § 15 letzter Satz AVG der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des in der Niederschrift bezeugten Vorganges zulässig. Die Beweislast trifft jedoch denjenigen, der die Unrichtigkeit des durch die Niederschrift bezeugten Vorganges behauptet; er hat konkrete Gründe zur Entkräftung der Beweiskraft der Niederschrift vorzubringen und entsprechende Beweisanträge zu stellen (vgl. VwGH vom 21. Oktober 1994, 94/11/0132, vom 25. Mai 2000, 98/07/0027, vom 18. Oktober 2001, 2001/07/0074, und vom 22. März 2011, 2007/18/0840).

11 Solche konkreten Gründe hat der Revisionswerber fallbezogen nicht vorgebracht. Wie das BVwG zu Recht aufgezeigt hat, stehen etwa die Behauptungen des Revisionswerbers, die Einvernahme habe nur etwa zwei Minuten in Anspruch genommen, ihm sei kein Protokoll ausgedruckt bzw. rückübersetzt worden und unterschreiben habe er auch nichts müssen, mit dem Akteninhalt in offenkundigem Widerspruch. So hat der Revisionswerber etwa die vierseitige Niederschrift der 15-minütigen Einvernahme auf jeder Seite eigenhändig unterfertigt. Auch das weitere Vorbringen des Revisionswerbers, welches darauf gründet, dass sich Dolmetscher und Organwalter abgesprochen hätten, basiert auf bloßen Mutmaßungen und unsubstantiierten Behauptungen, die für die Erbringung eines Gegenbeweises im Sinne des § 15 letzter Satz AVG nicht ausreichen. Im vorliegenden Fall wurde der Revisionswerber zu Beginn seiner Einvernahme vor dem BFA gefragt, ob die zuvor vor der Exekutive getätigten Angaben richtig seien, woraufhin der Revisionswerber seine Aussagen korrigierte. Im Anschluss wurden dem Revisionswerber noch eine Reihe weiterer Fragen, auch zu den Gründen für seine Ausreise sowie zu einem allfälligen fluchtauslösenden Ereignis gestellt; diese Fragen hat er jeweils ergänzend beantwortet. Davon, dass der Revisionswerber - wie in Beschwerde und Revision behauptet - keine Gelegenheit gehabt habe, seine Fluchtgründe zu schildern, bzw. nach der Korrektur seiner im Rahmen der Erstbefragung getätigten Angaben nicht weiter befragt worden sei, kann daher nicht die Rede sein.

12 Vor diesem Hintergrund war das BVwG entgegen dem Vorbringen in der Revision nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. zu den Kriterien des § 21 Abs. 7 BFA-VG etwa VwGH vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).

13 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Oktober 2016

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