VwGH Ra 2016/15/0003

VwGHRa 2016/15/000320.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des P I in W, vertreten durch die Telos Law Group Winalek, Wutte-Lang, Nikodem, Weinzinger Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Hörlgasse 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2015, Zl. W157 2007429- 1/5E, betreffend Befreiung von der Rundfunkgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
EStG 1988 §34;
EStG 1988 §35;
FMGebO §48 Abs5 Z2;
FMGebO §50 Abs4;
VwGVG 2014 §17;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
EStG 1988 §34;
EStG 1988 §35;
FMGebO §48 Abs5 Z2;
FMGebO §50 Abs4;
VwGVG 2014 §17;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit am 7. Februar 2014 bei der GIS Gebühren Info Service GmbH (GIS) eingelangtem Schreiben beantragte der Revisionswerber die Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernseh- und Radioempfangseinrichtungen.

2 Am 14. Februar 2014 erging dazu ein Schreiben der GIS ("Ergebnis der Beweisaufnahme") an ihn, in welchem ihm vorgehalten wurde, sein Haushaltseinkommen übersteige die maßgebliche Betragsgrenze ("Richtsatzüberschreitung"). Der Revisionswerber wurde aufgefordert, ggf. "geeignete Nachweise" u.a. für "vom Finanzamt anerkannte außergewöhnliche Belastungen im Sinne der §§ 34 und 35 EStG 1988 (Diäten, Körperbehinderung etc. )" binnen zwei Wochen nachzureichen.

3 Mit Bescheid vom 9. April 2014 wies die GIS den Antrag des Revisionswerbers ab. Begründend führte sie aus, sie habe festgestellt, dass das Haushaltseinkommen die für die Gebührenbefreiung bzw. Zuschussleistung zum Fernsprechentgelt maßgebliche Betragsgrenze übersteige. Eine Begründung für die Nichtberücksichtigung der vom Revisionswerber durch Unterlagen dokumentierten "außergewöhnlichen Belastungen" unter Hinweis auf das Fehlen der Vorlage des Einkommensteuerbescheides enthielt der Bescheid nicht.

4 Dagegen erhob der (anwaltlich unvertretene) Revisionswerber Beschwerde und verwies auf die Homepage der GIS. Dieser sei zu entnehmen, dass der Antragsteller "anerkannte außergewöhnliche Belastungen im Sinne des aktuellen Einkommensteuergesetzes" als abzugsfähige Ausgaben geltend machen könne. Den von ihm bereits vorgelegten Unterlagen sei zu entnehmen, dass er im Wachkoma liege (Grad der Behinderung 100 %) und zu Hause von seiner Ehegattin gepflegt werde. Seinem Antrag seien Belege für einige der außergewöhnlichen Belastungen beigelegt worden (Arztkosten, Physiotherapie, Logopädie). Dies seien nur einige der Kosten, aber nicht alle. Diese Kosten würden die im Bescheid festgestellte Überschreitung der Betragsgrenze bei Weitem übersteigen, seien bei der von der GIS herangezogenen Berechnungsgrundlage aber nicht angeführt worden.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde ab. Begründend führte es aus, dass der Revisionswerber den von der GIS herangezogenen Berechnungsgrundlagen für das Haushalts-Nettoeinkommen im Wesentlichen dahingehend entgegengetreten sei, dass die mit den vorgelegten Rechnungen belegten Therapiekosten zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien. Betreffend diese Ausgaben sei allerdings darauf hinzuweisen, dass in § 48 Abs. 5 Z 2 Fernmeldegebührenordnung auf "anerkannte außergewöhnliche Belastungen" abgestellt werde, was nach der Rechtsprechung des VwGH den Erlass eines Bescheids durch die zuständige Abgabenbehörde voraussetze, der die Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen enthalte (Hinweis auf VwGH vom 31. März 2008, 2005/17/0275). Da vom Revisionswerber der GIS ein Bescheid der Abgabenbehörde nicht vorgelegt worden sei, könnten im Revisionsfall keinerlei anerkannte außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision.

 

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision u.a. mit der Frage, ob eine nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei in einem Verfahren betreffend die Gebührenbefreiung explizit zur Übermittlung von Einkommensteuerbescheiden aufgefordert werden müsse oder ob das Ersuchen um "Beilage geeigneter Nachweise" zum Nachweis des Vorliegens außergewöhnlicher Belastungen iSd §§ 34, 35 EStG 1988 genüge.

12 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 13 Wie das BVwG zutreffend ausgeführt hat, erlaubt § 48 Abs. 5 Z 2 Fernmeldegebührenordnung ausschließlich die Geltendmachung von "anerkannten außergewöhnlichen Belastungen im Sinne der §§ 34 und 35 des Einkommensteuergesetzes 1988". Das bedeutet nach der Rechtsprechung des VwGH, dass die geltend gemachten Aufwendungen nur dann Berücksichtigung finden können, wenn die zuständige Abgabenbehörde einen Bescheid, der die Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen enthält, erlassen hat (vgl. VwGH vom 31. März 2008, 2005/17/0275).

14 Ob ein solcher Bescheid erlassen worden ist, hat das BVwG im angefochtenen Erkenntnis nicht festgestellt.

15 Wie der Verwaltungsgerichthof bereits wiederholt ausgesprochen hat, gelten jedenfalls in den der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte unterliegenden Fällen auf dem Boden des § 17 VwGVG auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sowohl das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör iSd § 45 Abs. 3 AVG (vgl. VwGH vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063; vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN).

16 Das Verwaltungsgericht hat daher die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen (VwGH vom 20. Oktober 2015, Ra 2014/09/0028).

17 Vor diesem Hintergrund wäre es im Revisionsfall daher am BVwG gelegen gewesen, den Revisionswerber unter Hinweis auf die Rechtsprechung des VwGH zur Ergänzung seines Vorbringens und gezielt zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides aufzufordern (vgl. bereits VwGH vom 9. Juni 2010, 2006/17/0161).

18 Auch die Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 Fernmeldegebührenordnung und die bisherige Nichtvorlage des Einkommensteuerbescheids durch den Revisionswerber im vorangegangenen Verwaltungsverfahren haben das BVwG im Revisionsfall nicht von diesen Ermittlungsschritten entbunden. So ist nach dieser Vorschrift zwar die GIS berechtigt, "den Antragsteller zur Vorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden aufzufordern". Allein eine konkrete Aufforderung an den (anwaltlich unvertretenen) Revisionswerber zur Vorlage des Einkommensteuerbescheids erfolgte im Revisionsfall seitens der GIS nicht. Die vage Aufforderung zur Vorlage "geeigneter Nachweise" konnte dagegen auch als Ersuchen um Vorlage von Rechnungen zu den geltend gemachten Aufwendungen verstanden werden (vgl. nochmals VwGH vom 9. Juni 2010, 2006/17/0161). Selbst in der bescheidmäßigen Abweisung des Antrags auf Gebührenbefreiung hat die GIS die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen nicht mit der fehlenden Vorlage des Einkommensteuerbescheids begründet, weshalb dem Revisionswerber auch nicht vorgeworfen werden kann, dass er den Einkommensteuerbescheid nicht spätestens gemeinsam mit der Einbringung der Beschwerde nachgereicht hat.

19 Der aufgezeigte Verfahrensmangel ist im Revisionsfall auch relevant, weil die geltend gemachten Aufwendungen die festgestellte Richtsatzüberschreitung nach dem Vorbringen der Revision übersteigen und das BVwG daher bei seiner Vermeidung zu einem anderen Erkenntnis hätte kommen können.

20 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Dezember 2016

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