VwGH Ro 2016/09/0002

VwGHRo 2016/09/000230.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die Revision der Landespolizeidirektion für OÖ, Polizeikommissariat Wels, in 4600 Wels, Dragonerstraße 29, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 19. August 2015, Zl. LVwG-410879/4/WG, betreffend Betriebsschließung nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Partei: M I, vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/Top11), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §59 Abs1;
GSpG 1989 §56a Abs3;
GSpG 1989 §56a;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §7;
VwRallg;
ZustG §5;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §59 Abs1;
GSpG 1989 §56a Abs3;
GSpG 1989 §56a;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §7;
VwRallg;
ZustG §5;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich wurde der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Revisionswerberin vom 6. Juli 2015 betreffend Betriebsschließung nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) stattgegeben und der Bescheid vom 6. Juli 2015 behoben.

2 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, "ob im gegenständlichen Fall die Beschwerde wegen des - nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes - unrichtigen Adressaten zu beheben oder zurückzuweisen ist."

3 Das Landesverwaltungsgericht führte in der Begründung aus (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"1. Sachverhalt:

1.1. Die (Mitbeteiligte) ist handelsrechtliche Geschäftsführerin der MG GmbH, die das Lokal ‚K-Wirt' im Standort W, JS-Straße, betreibt. Die LPD Oö. (im Folgenden: belangte Behörde) geht davon aus, dass die (Mitbeteiligte) Inhaberin des Lokales ist und wies sie mit Schreiben vom 16. Juni 2015 ‚als Inhaberin des Betriebes' darauf hin, dass auf Grund der Kontrolle der Finanzpolizei nach dem Glückspielgesetz vom 3. Dezember 2014 der begründete Verdacht bestehe, dass im Rahmen ihrer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften des Glückspielgesetzes veranstaltet bzw. durchgeführt worden wären. Die (Mitbeteiligte) wurde in diesem Schreiben aufgefordert, die entgegen den Bestimmungen des Glückspielgesetzes veranstalteten bzw. durchgeführten Glückspiele unverzüglich einzustellen, widrigenfalls die Schließung ihres Betriebes drohe.

1.2. Am 1. Juli 2015 führten Organe der Finanzpolizei gegen 10:08 Uhr, im Wirtshaus ‚K-Wirt' eine Kontrolle durch. Dabei wurden drei Geräte vorgefunden, die von den Beamten bespielt wurden. Die Beamten gingen davon aus, dass es sich um zwei sog. ‚Walzengeräte' und einen sog. ‚Funwechsler' handelte, die einen Verdacht der Übertretung nach dem GSpG begründen würden. Sie verfügten um 11:26 Uhr die vorläufige Beschlagnahme der Geräte. Um 11:46 Uhr wurde von einem Bediensteten der belangten Behörde in Beisein der Finanzpolizisten und der Tochter der (Mitbeteiligten) die teilweise Betriebsschließung ausgesprochen. Die Betriebsschließung wurde mündlich angeordnet. Es wurde am 1. Juli 2015 kein schriftlicher Bescheid ausgefertigt. Die Tochter der (Mitbeteiligten), nahm die teilweise Betriebsschließung zur Kenntnis und stellte mit einigen Bekannten die beschlagnahmten Geräte in jenen Raum, der im Anschluss von der Teilschließung betroffen war.

1.3. Mit - an die (Mitbeteiligte) adressierten und am 6. Juli 2015 zugestellten - Bescheid vom 6. Juli 2015, GZ VStV- 915300876971/2015, erließ die belangte Behörde über die am 1. Juli 2015 mündlich verfügte teilweise Schließung des Betriebes Lokal ‚K-Wirt' folgenden Spruch: ‚Es wird die am 1. Juli 2015 um 11:45 Uhr, mündlich verfügte teilweise Schließung des Betriebes mit der Bezeichnung 'K-Wirt' in W, JS-Straße, mit Wirkung ab 1. Juli 2015 angeordnet.' Als Rechtsgrundlage führte die belangte Behörde die Bestimmung des § 56a GSpG an. In der Begründung des Bescheides wird eine Skizze des Lokals wiedergegeben. Der von der teilweisen Betriebsschließung betroffene Raum ist farblich markiert. Festzuhalten ist, dass der Bescheid nicht auch an die MG GmbH adressiert wurde.

1.4. Dagegen erhob die (Mitbeteiligte) mit Eingabe vom 27. Juli 2015 Beschwerde. Darin beantragt sie, das LVwG möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben und das Betriebsschließungsverfahren einstellen; jedenfalls eine mündliche Verhandlung anberaumen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass lt im Akt befindlichen Firmenbuchauszug die MG GmbH an der Geschäftsanschrift des Lokals K-Wirt im Geschäftszweig ‚Gastgewerbe' tätig ist. Im Aktenvermerk der Finanzpolizei vom 1. Juli 2015 wird die MG GmbH als Betreiberin bezeichnet. Das LVwG teilt insoweit die Ansicht der Finanzpolizei. Die (Mitbeteiligte) ist seit 20. September 2013 handelsrechtliche Geschäftsführerin. Die belangte Behörde ging davon aus, dass die (Mitbeteiligte) Inhaberin des Lokales ist. Jedenfalls richten sich die Aufforderung vom 16. Juni 2015 wie auch der bekämpfte Bescheid direkt an die (Mitbeteiligte). In der Aufforderung vom 16. Juni 2015 wird sie ausdrücklich als ‚Inhaberin' bezeichnet (1.1.).

...

3. Rechtliche Beurteilung:

...

3.3. Nach Ansicht des LVwG wäre nicht die (Mitbeteiligte) als handelsrechtliche Geschäftsführerin, sondern die MG GmbH als Adressatin der Aufforderung iSd § 56a Abs 1 GSpG und des bekämpften Bescheides zu bezeichnen gewesen. Am 1. Juli 2015 wurde kein schriftlicher Bescheid ausgefertigt. Der Bescheid vom 6. Juli 2015 wurde nicht innerhalb der dreitägigen Frist iSd § 56a Abs 3 GSpG abgefertigt und erlassen. Die am 1. Juli 2015 ausgesprochene Verfügung war am 6. Juli 2015 bereits außer Kraft getreten. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden. Durch die Behebung kann sich aus dem Bescheid - ungeachtet der nicht endgültig geklärten Frage, wer nun aus rechtlicher Sicht als Adressat zu bezeichnen gewesen wäre - keine Rechtsverletzung mehr ergeben."

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der vor dem Landesverwaltungsgericht belangten Behörde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision ist zulässig, weil erkennbar sowohl das Landesverwaltungsgericht als auch die Revisionswerberin unter anderem von fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage ausgehen, an welchen Adressaten ein Bescheid über eine Betriebsschließung iSd § 56a Abs. 3 GSpG zu richten ist.

6 § 56a GSpG ordnet betreffend die Betriebsschließung u.a. an:

"1) Besteht der begründete Verdacht, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, dass eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stilllegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

...

(3) Über eine Verfügung nach Abs. 1 ist binnen drei Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

..."

7 Einleitend ist festzuhalten, dass die rein rechnerische Begründung des Landesverwaltungsgerichtes, der Bescheid vom 6. Juli 2015 sei "nicht innerhalb der dreitägigen Frist iSd § 56a Abs. 3 GSpG abgefertigt und erlassen" worden, unzutreffend ist. Denn das Ende der Frist nach der mündlich erfolgten Schließung vom Mittwoch, dem 1. Juli 2015, wäre auf einen Samstag gefallen. In einem solchen Fall war gemäß § 33 Abs. 2 AVG der darauf folgende Montag, also der 6. Juli 2015, letzter Tag der Frist.

8 Bei diesem Sachverhalt (Zustellung des Bescheides vom 6. Juli 2015 am selben Tag zeitlich gesehen innerhalb offener Frist) stellt sich die von der Revisionswerberin gestellte Rechtsfrage, ob Tage eines Postlaufes (die Revisionswerberin geht von Zustellung am nächsten Tag, d.i. der 7. Juli 2015, aus) in die Drei-Tagesfrist einzurechnen wäre, nicht.

9 Ebenso wenig stellt sich die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage, "ob der Schließungsbescheid zwingend, die aufrechte Existenz einer mündlichen Schließung implementiert", weil hier eine mündliche Schließung vorliegt und jedenfalls in einem solchen Fall § 56a GSpG ausdrücklich die Erlassung eines schriftlichen Bescheides binnen drei Tagen normiert.

10 Allerdings erweist sich das angefochtene Erkenntnis aus anderen Gründen im Ergebnis als nicht rechtswidrig:

11 Bereits aus dem Normtext (damit korrespondierend die Regierungsvorlage zur Einführung des § 56a GSpG durch BGBl. I Nr. 747/96, 368 Beil NR, 20. GP, S. 6) geht unmissverständlich hervor, dass "Betriebe" geschlossen werden können. Jede Anordnung in diesem Sinne, sohin auch ein Bescheid gemäß § 56a Abs. 3 GSpG, ist daher an den (Inhaber des) zu schließenden "Betrieb(s)" zu richten.

12 Im vorliegenden Fall wurde, wie das Landesverwaltungsgericht unwidersprochen und im Einklang mit der Aktenlage aufzeigt, der Bescheid vom 6. Juli 2015 an Frau MKI als Betriebsinhaberin des K-Wirtes in W, JS-Straße, gerichtet. Der Bescheid wurde von MJ am 6. Juli 2015 übernommen. Nach dem im Akt einliegenden Firmenbuchauszug wurde das "nicht protokollierte Einzelunternehmen der MKI (‚Gasthaus zum K-Wirt')" aber bereits mit Einbringungsvertrag vom 11. September 2013 in die MG GmbH eingebracht, welche seither den Betrieb führt.

13 Der Bescheid über die Schließung wäre daher an die MG GmbH zu richten gewesen (die Umdeutung eines ausdrücklich genannten Bescheidadressaten ist nicht zulässig (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens6, Seite 734, E 88g, 89c wiedergegebene hg. Rechtsprechung)), die Zustellverfügung hätte entweder einen individuell bestimmten zur Empfangnahme befugten Vertreter der MG GmbH ausdrücklich in dieser Funktion oder diese juristische Person selbst ohne Nennung einer vertretungsbefugten Person anführen müssen (vgl. die in Raschauer u.a., öst. Zustellrecht 2007, S. 128f zitierte hg. Rechtsprechung). Der Bescheid vom 6. Juli 2015 wurde sohin gegenüber der MG GmbH nicht rechtswirksam erlassen.

14 Aus dem Akt ergibt sich, dass der Bescheid vom 6. Juli 2015 von MJ, also nicht der handelsrechtlichen Geschäftsführerin, übernommen worden war und ein (rechtzeitiges) Zukommen an die handelsrechtliche Geschäftsführerin aus dem Akteninhalt nicht zu ersehen ist. Deshalb ist nicht weiter zu prüfen, ob eine Heilung des Zustellmangels durch Zukommen an die zur Vertretung nach außen berufene handelsrechtliche Geschäftsführerin MKI hätte erfolgen können.

15 Die weitere vom Landesverwaltungsgericht angesprochene Frage, ob vom Landesverwaltungsgericht ein nicht an den sachlich richtigen Adressaten gerichteter und zugestellter Bescheid aufzuheben oder die gegen den von der tatsächlich (aber sachlich unrichtig) als Adressatin genannten und ihr zugestellten Bescheid erhobene Beschwerde zurückzuweisen sei, ist dahingehend zu beantworten, dass der eine (der Sache nach) unrichtige Adressatin belastende Bescheid auf Grund eines von dieser erhobenen Rechtsmittels schon aus Gründen der Rechtssicherheit aufzuheben ist.

16 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. März 2016

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