VwGH Ra 2016/04/0092

VwGHRa 2016/04/009210.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der S GmbH in W, vertreten durch Dr. Susanne Pertl, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Loquaiplatz 13/19, gegen das am 9. Juni 2016 verkündete und mit Datum vom 21. Juli 2016 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, Zl. VGW-122/008/2526/2016, betreffend Vorschreibung eines Sanierungskonzeptes gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs3;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 13. Jänner 2016 wurde der Revisionswerberin als Inhaberin einer näher umschriebenen Betriebsanlage (eines Hotels) gemäß § 79 Abs. 3 GewO 1994 aufgetragen, zur Vermeidung von Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Personen auf Grund des fehlenden zweiten Flucht- und Rettungsweges für elf konkret bezeichnete Zimmer dieses Hotels binnen sechs Wochen ein Sanierungskonzept vorzulegen, das für diese Zimmer brandschutztechnische Maßnahmen vorsieht. Dabei wurden einzelne mögliche Maßnahmen beispielhaft aufgezählt.

2 Mit dem angefochtenen, in der Verhandlung am 9. Juni 2016 mündlich verkündeten Erkenntnis änderte das Verwaltungsgericht Wien den bekämpften Bescheid dahingehend ab, dass das Zimmer 204 in das Sanierungskonzept aufzunehmen sei, die Zimmer 531 und 537 hingegen auszunehmen seien. Zudem wurden weitere mögliche Maßnahmen zur Erreichung des Zwecks der Vermeidung von Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Personen angeführt. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.

In der schriftlichen Ausfertigung verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass die Betriebsanlage in ihrem gegenwärtigen bewilligten Zustand nicht dem Stand der Technik entspreche. Das Vorliegen einer konkreten Gefährdung von Personen im Brandfall ergebe sich (insbesondere) aus dem brandschutztechnischen Amtssachverständigengutachten. Dass das Zimmer 204 in das Brandschutzkonzept aufzunehmen sei, resultiere aus den Ausführungen der brandschutztechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung. Dadurch werde aber nicht "in wesentlichen Punkten" von dem im verwaltungsbehördlichen Verfahren erstatteten Gutachten abgegangen.

In seinen rechtlichen Erwägungen ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Vorschreibung konkreter brandschutztechnischer Maßnahmen das Wesen der Betriebsanlage verändern würde, sodass nach § 79 Abs. 3 GewO 1994 vorzugehen gewesen sei. Die Wahl der konkreten Maßnahmen verbleibe beim Betriebsinhaber. Da das Ziel der Maßnahme der Schutz vor Gesundheitsgefährdung sei, könne der damit verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg sein. Der wirtschaftlichen Zumutbarkeit komme bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung keine Relevanz zu. Dass ein Sanierungskonzept unmöglich sei, habe die Revisionswerberin nicht konkret behauptet.

Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof begründete das Verwaltungsgericht insbesondere mit dem einschlägigen, ebenfalls eine brandschutztechnische Sanierung betreffenden hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, 2000/04/0193.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

6 Die Revisionswerberin verweist auf das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, 2000/04/0193, wonach kein Sanierungskonzept vorgeschrieben werden dürfe, wenn eine Sanierung mit vertretbarem Aufwand unter allen Umständen unmöglich sei. Davon sei das Verwaltungsgericht abgewichen, weil es seine Entscheidung allein mit der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Personen im Brandfall begründet habe. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis 2000/04/0193 festgehalten, dass die Frage der Unmöglichkeit der Erstattung eines Sanierungskonzeptes "notwendigerweise ein entsprechendes Vorbringen und Bescheinigungsanbieten der Partei voraussetzt". Das Verwaltungsgericht hat unter ausdrücklicher Berufung auf diese Rechtsprechung dargelegt, dass ein derartiges Vorbringen nicht erstattet worden sei und die Revisionswerberin lediglich unkonkret die Unverhältnismäßigkeit des aufgetragenen Sanierungskonzeptes behauptet habe. Dem tritt die Revision nicht substanziiert entgegen.

7 Soweit die Revisionswerberin (erneut unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis 2000/04/0193) vorbringt, dass im Rahmen des § 79 Abs. 3 GewO 1994 nicht vorgeschrieben werden dürfe, durch welche Maßnahmen das Ziel erreicht werden soll, ist dem entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht keine bestimmten Maßnahmen vorgeschrieben, sondern nur beispielhaft (arg.: "wie z.B.", "auch

durch ... erreicht werden kann") mögliche Maßnahmen angeführt hat,

durch die der hinreichende Schutz der Interessen gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 gewahrt werden kann. Da die Entscheidungsbefugnis der Revisionswerberin betreffend die im Sanierungskonzept vorzuschlagenden Maßnahmen entgegen ihrer Auffassung durch das beispielhafte Anführen einzelner möglicher Maßnahmen nicht eingeschränkt wird, begründet dieser Hinweis keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses.

8 Dem Revisionsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe nicht dargelegt, inwiefern trotz Einhaltung der aktuell vorgeschriebenen Auflagen kein hinreichender Schutz der Interessen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 gewährleistet sei bzw. inwiefern Maßnahmen erforderlich seien, die die Betriebsanlage in ihrem Wesen veränderten, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten. Das Verwaltungsgericht hat gestützt auf das brandschutztechnische Sachverständigengutachten dargelegt, dass für die Bewohner bestimmter Zimmer im Brandfall eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit vorliegt, und es hat unter Berufung auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis 2000/04/0193 in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, warum der hinreichende Interessenschutz nur durch Maßnahmen erreicht werden könne, die die Betriebsanlage in ihrem Wesen verändern würden. Die Revisionswerberin hat auch kein Vorbringen dazu erstattet, welche die Betriebsanlage nicht in ihrem Wesen verändernden Auflagen vorliegend in Betracht gekommen wären (siehe das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, 2003/04/0094).

9 Die Revisionswerberin bringt vor, es sei die Rechtsfrage zu klären, ob bei einer Gefährdung des Lebens und der Gesundheit eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Vorschreibung eines Sanierungskonzeptes zu entfallen habe. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Vorschreibung von Auflagen nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 bereits wiederholt festgehalten, dass der mit der Erfüllung einer Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen kann, wenn das Ziel der Auflage dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dient (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. November 2005, 2001/04/0040, mwN). Da § 79 Abs. 3 GewO 1994 im Zusammenhang mit der Maßgeblichkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für das Sanierungskonzept ausdrücklich auf dessen Abs. 1 verweist, ist diese Rechtsprechung auch für die Vorschreibung eines Sanierungskonzeptes maßgeblich (in diesem Sinn auch Stangl, in Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg.), GewO, § 79 Rz 34).

10 Die Revisionswerberin rügt, das Verwaltungsgericht habe den Beweisanträgen auf Beiziehung des namentlich genannten (gewerbetechnischen) Sachverständigen (DI S) bzw. eines anderen Sachverständigen als derjenigen, die bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogen worden sei, nicht entsprochen und auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen der Aufnahme dieser Beweise keine Bedeutung zukomme. Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Das Verwaltungsgericht hat die Beiziehung des namentlich genannten DI S deswegen nicht als erforderlich angesehen, weil im Hinblick auf die gegenständlich zu klärenden Sachverhaltsfragen einem gewerbetechnischen Sachverständigen nicht das gleiche - vorliegend erforderliche - fachspezifische Wissen zukomme wie einem brandschutztechnischen Sachverständigen. Dem kann nicht entgegengetreten werden. Dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren besondere Umstände vorgebracht worden wären, die geeignet wären, die volle Unbefangenheit der Amtssachverständigen in Zweifel zu ziehen, zeigt die Revision nicht auf. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen von Zweifeln an der Unbefangenheit der beigezogenen Sachverständigen nach entsprechender Prüfung in nicht zu beanstandender Weise verneint hat (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 14. April 2016, Ra 2015/06/0037, mwN).

11 Zum Revisionsvorbringen, es wäre die Möglichkeit einzuräumen gewesen, der ergänzenden Stellungnahme der brandschutztechnischen Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, ist Folgendes festzuhalten: Die Revisionswerberin weist zwar dem Grunde nach zutreffend darauf hin, dass das Parteiengehör auch die Möglichkeit umfassen muss, der Ergänzung eines Sachverständigengutachtens auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2012, 2011/12/0110). Der vorliegende Fall ist allerdings dadurch gekennzeichnet, dass das im verwaltungsbehördlichen Verfahren erstattete Gutachten die Hotelzimmer 201 bis 203 betroffen hat, die Revisionswerberin diesem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist und die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung das Zimmer 204 in ihr Gutachten einbezogen hat, weil dadurch ein gesicherter Gang entstehe. Soweit die Revisionswerberin vorbringt, sie hätte bei Einräumung einer Frist zur Einholung eines eigenen Gutachtens aufzeigen können, dass kein Sanierungskonzept vorzulegen sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass ihr diese Möglichkeit bereits nach Vorliegen des ersten Gutachtens offen gestanden ist (und sie diese nicht in Anspruch genommen hat). Dass allein die Einbeziehung eines weiteren Zimmers die Unzulässigkeit der Vorschreibung eines Sanierungskonzeptes nach sich zieht, wird von der Revisionswerberin nicht behauptet.

12 Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 10. Oktober 2016

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte