VwGH Ra 2016/03/0038

VwGHRa 2016/03/003826.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Revisionssache des F V in G, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Februar 2016, Zl LVwG-AV-949/001-2015, betreffend Entziehung eines Waffenpasses und einer Waffenbesitzkarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
EMRK Art6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
WaffG 1996 §25;
WaffG 1996 §8 Abs6 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs6 Z2;
WaffG 1996 §8 Abs6;
WaffG 1996 §8;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
EMRK Art6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
WaffG 1996 §25;
WaffG 1996 §8 Abs6 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs6 Z2;
WaffG 1996 §8 Abs6;
WaffG 1996 §8;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung (BH) vom 30. Juli 2015 wurde dem Beschwerdeführer der von der "LPD Wien SVA Referat 4 Waffen- und Veranstaltungsangelegenheiten" am 17. Juli 1986 für zwei genehmigungspflichtige Schusswaffen ausgestellte Waffenpass Nr 1 sowie der von derselben Stelle am 5. Februar 2001 für eine verbotene Schusswaffe (Pumpgun) ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr A-02 gemäß § 25 Abs 1 und 3 iVm § 8 Abs 1 Z 2 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) und § 3 Abs 2 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung (2. WaffV) entzogen.

2 2. Der dagegen gerichteten Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gemäß § 28 Abs 1 VwGG keine Folge gegeben (Spruchpunkt I.), die ordentliche Revision dagegen an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen (Spruchpunkt II.).

3 3. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

4 4.1. Die Revision ist nicht zulässig. 5 4.2. Zunächst ist zur Rechtslage auf die Darstellung

im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 2015, Ra 2015/03/0011, hinzuweisen. § 8 Abs 6 WaffG erlegt - wie dort ua ausgeführt - dem Betroffenen eine besondere Mitwirkungsverpflichtung bei der Feststellung seiner waffenrechtlichen Verlässlichkeit auf. Ist die Feststellung des für die Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhalts aus Gründen, die in der von der Überprüfung betroffenen Person liegen, nicht möglich, so folgt aus § 8 Abs 6 erster Satz WaffG die unwiderlegliche Rechtsvermutung der waffenrechtlichen Unverlässlichkeit. Mit dieser Bestimmung wird die Mitwirkungsverpflichtung bei der Feststellung der Verlässlichkeit jedoch nicht uneingeschränkt, sondern "nur in dem von der Sache her notwendigen Maße" auferlegt. Die Verweigerung an einer Mitwirkung der Feststellung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit ist dann als berechtigt anzusehen, wenn hiefür ausreichende Gründe vorliegen oder dem Betroffenen der Nachweis gelingt, dass die Anordnung der Mitwirkung den Bestimmungen des § 39 Abs 2 AVG widerstreitet, also unbegründet erfolgt. § 8 Abs 6 WaffG trägt dem Umstand Rechnung, dass der Verpflichtung der Behörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erheben und festzustellen (§ 39 Abs 2 AVG), die Pflicht der Parteien korrespondiert, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken; dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirken der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen. Weigert sich der von der Überprüfung Betroffene, die Waffen iSd § 8 Abs 6 Z 1 WaffG vorzuweisen bzw die sichere Verwahrung der Waffen unter den Voraussetzungen des § 8 Abs 6 Z 2 leg cit nachzuweisen, wozu in beiden Fällen auch die Gewährung eines Zutritts zum Aufbewahrungsort erforderlich ist, dann kommt die unwiderlegliche Vermutung des § 8 Abs 6 zweiter Satz WaffG zum Tragen. Ohne Gewährung des Zutrittes kann der entscheidungswesentliche Sachverhalt regelmäßig nicht festgestellt werden, weshalb diesbezüglich die Anordnung der Mitwirkung den Bestimmungen des § 39 Abs 2 AVG nicht widerstreitet.

6 4.3. Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat das Verwaltungsgericht die sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergebenden Leitlinien (vgl nochmals VwGH vom 18. Februar 2015, Ra 2015/03/0011) nicht verlassen. Danach nahm das Verwaltungsgericht auf dem Boden des (unstrittigen) Umstandes, dass die revisionswerbende Partei den eine behördlich angeordnete waffenrechtliche Verlässlichkeitsprüfung am 20. Mai 2015 um 18:55 Uhr durchführenden Sicherheitswachebeamten unter Hinweis darauf, dass er stark verschwitzt sei und sich zuerst duschen müsse, weil er gerade trainiert habe, weshalb die Überprüfung eine halbe Stunde später vorgenommen werden solle, den Eintritt in das Wohnhaus verweigerte, zutreffend an, dass im Revisionsfall die unwiderlegliche Vermutung des § 8 Abs 6 zweiter Satz WaffG zum Tragen kommt. Bei der unangemeldet stattfindenden waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfung war es im Sinn der Mitwirkungspflicht nach § 8 Abs 6 WaffG erforderlich, umgehend die Waffen iSd § 8 Abs 6 Z 1 WaffG vorzuweisen bzw iSd § 8 Abs 6 Z 2 leg cit die sichere Verwahrung dieser Waffen nachzuweisen, auch um Zweifel an einer allenfalls nicht sicheren Verwahrung vor der Kontrolle jedenfalls auszuschließen zu können. Wenn der Revisionswerber befürchtet, sich dann, wenn er den kontrollierenden Organen den Zutritt zum Haus sofort gestattet hätte, infolge seines verschwitzten Zustandes der Gefahr einer Verkühlung auszusetzen, ist er darauf hinzuweisen, dass er dieser Gefahr auch auf andere Weise (etwa durch eine entsprechende Bekleidung) hätte begegnen können. Dem Revisionswerber musste bei der gegebenen Sachlage zudem klar sein, dass die Überprüfung der sicheren Verwahrung Auswirkungen auf die Frage der Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit hat.

7 Da sich aus der angefochtenen Entscheidung klar ergibt, dass der dem Revisionswerber ausgestellte Waffenpass bzw die ihm ausgestellte Waffenbesitzkarte entzogen wird, wobei der Revisionswerber weder das jeweilige Ausstellungsdatum noch die jeweilige Nummer der Berechtigung in Zweifel zieht, vermag dieser mit dem Hinweis, dass diese Dokumente - anders als in der angefochtenen Entscheidung dargestellt - von der Vorgängerbehörde der Landespolizeidirektion Wien ausgestellt wurden, nichts zu gewinnen.

8 Das Landesverwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung im Ergebnis von dem auch vom Revisionswerber vorgebrachten Sachverhalt ausgegangen, weshalb entgegen der Revision nicht zu erkennen ist, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinne des § 24 Abs 4 VwGVG hätte erwarten lassen. Damit stand der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest, weshalb auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten (vgl etwa VwGH vom 15. Mai 2015, Ra 2015/03/0030). Entgegen dem Revisionswerber kann daher keine Rede davon sein, dass das Absehen von der Durchführung der Verhandlung seitens des Verwaltungsgerichtes geradezu "symptomatisch für die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts" in seinem Fall wäre. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Übrigen auch mit Blick auf Art 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; vgl VwGH vom 9. September 2015, Ra 2015/03/0050).

9 4.4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 26. April 2016

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