VwGH Ro 2016/03/0010

VwGHRo 2016/03/001011.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, unter Beiziehung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei Plenum des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer in Linz, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner Rechtsanwälte in 4020 Linz, Zollamtstraße 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 1. Februar 2016, Zl LVwG-850400/6/HW/JE, betreffend eine Angelegenheit nach dem Rechtsanwaltsprüfungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Mag. S B in L, vertreten durch Dr. Karl Krückl, Dr. Kurt Franz Lichtl, Dr. Christoph Huber und Mag. Christian Eilmsteiner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 50/IV), im Umlaufweg den Beschluss gefasst:

Normen

Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §1 Abs1;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §1 Abs2;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §2;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §3;
RAO 1868 §1 Abs2 litf;
RAPG 1985 §13;
RAPG 1985 §2 Abs2;
RAPG 1985 §20;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §1 Abs1;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §1 Abs2;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §2;
Ausbildungsrichtlinie Rechtsanwaltsanwärter 2008 §3;
RAO 1868 §1 Abs2 litf;
RAPG 1985 §13;
RAPG 1985 §2 Abs2;
RAPG 1985 §20;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen einen Bescheid des Plenums des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer statt, hob diesen Bescheid auf und anerkannte die Teilnahme der Mitbeteiligten an einem näher bezeichneten Seminar aus Straf- und Strafprozessrecht als Ausbildungsveranstaltung im Sinne der Richtlinie für die Ausbildung von Rechtsanwaltsanwärtern (RL-RAA) im Ausmaß von einem Ausbildungshalbtag. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde zugelassen.

2 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte habe als Rechtsanwaltsanwärterin an einem Praktikerseminar aus Straf- und Strafprozessrecht teilgenommen, das am 4. November 2014 und am 20. Jänner 2015 in der Dauer von jeweils zweieinhalb Stunden an einer Außenstelle der Johannes Kepler Universität in Linz stattgefunden habe. Das Seminar sei von einem Dreier-Team bestehend aus einem Universitätsprofessor, einem Hofrat des Obersten Gerichtshofes und einem Rechtsanwalt und Strafverteidiger abgehalten worden und habe - zusammengefasst - die aktuelle Rechtsprechung des OGH in Strafsachen sowie zu den Amtsdelikten nach den §§ 302 ff StGB behandelt. Bei der gegenständlichen Veranstaltung sei Fachwissen anhand höchstgerichtlicher Entscheidungen von qualifizierten Referenten vermittelt worden. Das Seminar sei daher als Ausbildungsveranstaltung im Sinne des § 2 Z 2 RL-RAA mit einem Ausbildungshalbtag anzuerkennen.

3 Die Zulässigkeit der Revision begründete das LVwG damit, dass zum einen - soweit ersichtlich - keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vorliege, ob Veranstaltungen, die aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Strafsachen und zu § 302 StGB zum Inhalt hätten, als Ausbildungsveranstaltungen gemäß der RL-RAA anzuerkennen seien. Zum anderen stelle sich in Bezug auf § 26 RAO die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht geklärte Frage nach der Zulässigkeit der "Abweisung" einer Vorstellung durch das Plenum des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer, wie sie im vorliegenden Fall mittels des angefochtenen Bescheides vorgenommen worden sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision des Plenums des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer. Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es liege zwar mittlerweile Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Anerkennung einer Ausbildungsveranstaltung nach § 2 RL-RAA vor (Hinweis auf VwGH vom 27. Jänner 2016, Ro 2015/03/0044), das LVwG sei von dieser Rechtsprechung aber abgewichen, weil das gegenständliche Seminar kein Grundlagenwissen vermittelt habe, sondern bereits das Vorhandensein eines entsprechend breit gefächerten Grundlagenwissens vorausgesetzt habe. Es sei somit bloß punktuelles Detailwissen vermittelt worden. Aus Gründen der Rechtssicherheit bedürfe es auch einer Klarstellung, ob - wie das LVwG vermeine - die beiden Veranstaltungen als Einheit gesehen werden dürften, um die für die Anrechnung als Ausbildungshalbtag erforderlichen drei Stunden (§ 2 Abs 2 RL-RAA) zu erreichen.

5 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

6 Entgegen dem Zulässigkeitsausspruch des LVwG und dem Vorbringen zur Zulässigkeit in der Revision liegen die Voraussetzungen für eine zulässige Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG im gegenständlichen Fall nicht vor:

7 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG nicht vor, ist die Revision somit - ungeachtet der Zulassung durch das Verwaltungsgericht - gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.

8 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl VwGH vom 26. Juni 2014, Ra 2014/03/0005).

9 Zu den auch im gegenständlichen Verfahren strittigen Rechtsfragen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Jänner 2016, Ro 2015/03/0044, ausführlich Stellung genommen. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen (vgl aus der Folgejudikatur auch VwGH vom 21. März 2016, Ro 2016/03/0006).

10 Hervorzuheben ist aus dem zitierten Erkenntnis lediglich, dass als Ausbildungsveranstaltungen für Rechtsanwaltsanwärter auch solche anzuerkennen sind, die ein breit gestreutes Grundlagenwissen nur in Teilbereichen des Zivil- oder Strafrechts oder des öffentlichen Rechts anbieten, soweit die dort vermittelten Inhalte nicht nur punktuelles Detailwissen zu einzelnen Rechtsfragen darstellen, sondern diese Rechtsfragen in einen für den Auszubildenden nachvollziehbaren Zusammenhang gestellt werden und damit ein repräsentativer Querschnitt über die maßgeblichen Rechtsfragen dieses Fachgebiets geliefert wird.

11 Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, wird von der Revision zwar bestritten. Gleichzeitig werden die vom LVwG getroffenen Sachverhaltsfeststellungen über den Inhalt des Seminars, das einen Überblick über die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung zu straf- und strafprozessrechtlichen Fragen geboten hat, nicht in Zweifel gezogen. Ausgehend davon ist nicht zu erkennen, dass sich das LVwG in seiner Entscheidung von den höchstgerichtlichen Leitlinien entfernt hat. Seine Beurteilung der Umstände des Einzelfalls ist im Übrigen nicht revisibel.

12 Soweit die Revision problematisiert, dass das LVwG die auf zwei Tage aufgeteilte Veranstaltung mit jeweils zweieinhalb Stunden als Einheit betrachtet und das insgesamt somit fünfstündige Seminar als einen anrechenbaren Ausbildungshalbtag anerkannt habe, vermag sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufzuzeigen. Unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 2 Abs 2 RL-RAA (danach hat ein anrechenbarer Ausbildungshalbtag mindestens drei Stunden zu umfassen) und der vom LVwG vorgenommenen vertretbaren Auslegung dieser Norm besteht - entgegen der Rechtsansicht der revisionswerbenden Partei - kein Bedarf, das einzelfallbezogene Ergebnis aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigieren.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

14 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 11. Mai 2016

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