VwGH Ko 2016/03/0008

VwGHKo 2016/03/000813.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über den Antrag der antragstellenden Parteien 1. Ing. P S, 2. Mag. J D, 3. N E, 4. G E, 5. P V, 6. E B, als "oberste Organe der Kirche X in Österreich", alle vertreten durch Pfletschinger Renzl Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Weihburggasse 26/4, auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und dem Verwaltungsgericht Wien betreffend den Erwerb der Rechtspersönlichkeit für eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
B-VG Art133 Abs1 Z3;
VwGG §71;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §31;

 

Spruch:

Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Entscheidung über die Beschwerde der antragstellenden Parteien gegen den Bescheid des Bundesministers für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst vom 5. Juni 2015, BKA-KA12.056/0002-Kultusamt/2014, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 8. September 2015, BKA-KA12.056/0009-Kultursamt/2015, zuständig.

Der entgegenstehende Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 2015, W136 2115136-1/2E, wird aufgehoben.

Der Bund hat den antragstellenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 11. Juni 2014 wies der Bundesminister für Kunst, Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst (BM) den Antrag der antragstellenden Parteien betreffend den Erwerb der Rechtspersönlichkeit für eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft als "Kirche X" ab; eine dagegen erhobene Beschwerde der antragstellenden Parteien wurde mit Beschwerdevorentscheidung des BM vom 8. September 2014 ebenfalls abgewiesen.

2 Über Vorlageantrag der antragstellenden Parteien hob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 12. Jänner 2015 den oben angeführten Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung gemäß § 28 Abs 3 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den BM zurück.

In der Begründung dieser Entscheidung bejahte das BVwG zunächst ausdrücklich seine Zuständigkeit zur Behandlung der Beschwerde und führte im Folgenden aus, dass dem Verfahren vor dem BM näher bezeichnete "gravierende Ermittlungslücken" anhaften würden, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Verfahrensergänzung führen müssten.

3 Mit Bescheid vom 5. Juni 2015 wies der BM den Antrag der antragstellenden Parteien auch im zweiten Rechtsgang ab; eine dagegen erhobene Beschwerde der antragstellenden Parteien wurde mit Beschwerdevorentscheidung des BM vom 8. September 2015 ebenfalls abgewiesen.

4 Über Vorlageantrag der antragstellenden Parteien wurde die Beschwerde samt Verfahrensakten neuerlich dem BVwG vorgelegt, das die Beschwerde mit Beschluss vom 21. Oktober 2015 wegen Unzuständigkeit zurückwies und die Revision für nicht zulässig erklärte.

Begründend führte das BVwG - zusammengefasst - aus, die gegenständliche Angelegenheit werde vom BM in erster und letzter Instanz in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen. Es liege daher keine Zuständigkeit des BVwG vor. Gegen diesen Beschluss wurde keine (außerordentliche) Revision erhoben.

5 Nach Ablauf der Revisionsfrist übermittelte das BVwG die Beschwerde samt Verfahrensakten dem Verwaltungsgericht Wien. Dieses erklärte sich mit Beschluss vom 20. April 2016 für sachlich unzuständig und erklärte die Revision für nicht zulässig.

6 Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das BVwG seine sachliche Zuständigkeit im Aufhebungsbeschluss vom 12. Jänner 2015 ausdrücklich bejaht habe. Da in der maßgeblichen Sach- und Rechtslage keine Änderung eingetreten sei, sei das BVwG an diese Festlegung der Zuständigkeit gebunden. Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wien liege im Beschwerdefall daher nicht vor. Gegen diesen Beschluss wurde keine (außerordentliche) Revision erhoben.

7 Mit dem vorliegenden Antrag streben die antragstellenden Parteien die Entscheidung des geschilderten negativen Kompetenzkonfliktes an und begehren, die der Behandlung der Beschwerde entgegenstehenden behördlichen Akte aufzuheben.

8 Die beteiligten Verwaltungsgerichte legten die Verfahrensakten vor, gaben jedoch zum Antrag auf Entscheidung des Kompetenzkonfliktes keine Stellungnahmen ab.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Gemäß Art 133 Abs 1 Z 3 B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof (unter anderem) über Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsgerichten. Gemäß § 71 VwGG sind im Verfahren zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Verwaltungsgerichten die §§ 43 bis 46, 48, 49, 51 und 52 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 (VfGG) sinngemäß anzuwenden.

10 Der vorliegende Antrag auf Entscheidung des Kompetenzkonfliktes ist zulässig, da beide beteiligten Verwaltungsgerichte ihre Zuständigkeit förmlich mittels nicht mehr mit Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfbaren Beschlüssen abgelehnt haben (vgl dazu VwGH vom 8. Juni 2016, Ko 2016/03/0001 bis 0006, mwN).

11 In der Sache ist dem Verwaltungsgericht Wien zuzustimmen, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Falle einer Aufhebung des Bescheides durch das Verwaltungsgericht nach § 28 Abs 3 VwGVG die Verwaltungsbehörde, aber auch das Verwaltungsgericht selbst an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht - sofern nicht eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist - gebunden ist, wobei damit auch die Zuständigkeitsordnung in dieser Sache festgelegt ist (vgl zur Übertragbarkeit der diesbezüglich ständigen hg Rechtsprechung zu § 66 Abs 2 AVG auf das System des § 28 Abs 3 VwGVG etwa VwGH vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0034, und vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/07/0169).

12 Ausgehend davon reicht es im vorliegenden Fall darauf hinzuweisen, dass das BVwG seine Zuständigkeit im Aufhebungsbeschluss vom 12. Jänner 2015 bejaht hat und damit - mangels zwischenzeitlicher Änderung der Sach- und Rechtslage - die Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung des vorliegenden Falles bindend festgelegt worden ist. Das BVwG ist daher zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde zuständig. Der entgegenstehende Beschluss des BVwG vom 21. Oktober 2015 war nach § 71 VwGG iVm § 51 VfGG aufzuheben.

13 Diese Entscheidung konnte gemäß § 71 VwGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden; die Kostenentscheidung gründet auf § 71 VwGG iVm § 52 VfGG und den §§ 47ff VwGG (vgl zum Ganzen VwGH vom 19. Mai 2015, Ko 2014/03/0001).

Wien, am 13. September 2016

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