VwGH Ra 2015/21/0181

VwGHRa 2015/21/018115.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des I M in G, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. September 2015, Zl. L515 2109908-1/22E, betreffend (u.a.) Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines unbefristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VerfGG 1953 §83 Abs1;
VwGG §21 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VerfGG 1953 §83 Abs1;
VwGG §21 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein 1980 geborener serbischer Staatsangehöriger, kam 2005 rechtmäßig zu seinem Vater nach Österreich und erhielt hier Aufenthaltstitel, zuletzt eine bis 11. Dezember 2014 gültige "Rot-Weiß-Rot - Karte plus".

2 Am 11. Februar 2014 hatte der Revisionswerber seine damalige Freundin/Lebensgefährtin getötet. Er wurde deshalb wegen der Begehung des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB noch 2014 zu einer 18-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er zur Zeit in der Justizanstalt Garsten verbüßt.

3 Mit Bescheid vom 15. Juni 2015 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in der Folge gegen den Revisionswerber (u.a.) gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 16. September 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen den genannten Bescheid des BFA erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der der Revisionswerber und sein Vater vernommen wurden, zur Gänze als unbegründet ab. Weiters sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber zunächst der Sache nach geltend, es stelle sich die Frage, ob im Hinblick auf seine "erst für 2031" vorgesehene Entlassung aus der Strafhaft "bereits jetzt" eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen werden dürfe. Überlegungen zu den rechtlichen Voraussetzungen einer solchen seien aktuell "völlig sinnlos", es könne nicht davon ausgegangen werden, dass "mehr als 15 Jahre vor ihrem erstmals denkmöglichen Vollzug" die gegenständlichen Maßnahmen erlassen werden könnten.

8 Dem ist zu erwidern, dass der Revisionswerber auch schon vor 2031 aus der (österreichischen) Strafhaft entlassen werden könnte. Neben der Möglichkeit seiner bedingten Entlassung nach § 46 StGB wäre dabei auch an ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug nach § 133a StVG oder an die Übernahme der Strafvollstreckung durch Serbien (vgl. dazu § 76 ARHG) - was nach der Aktenlage von den Justizbehörden in Betracht gezogen wird - zu denken.

9 Soweit der Revisionswerber des Weiteren die Interessenabwägung des BVwG nach § 9 BFA-VG anspricht, ist ihm vorerst grundsätzlich entgegenzuhalten, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie wie hier auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. den hg. Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033; siehe aus jüngerer Zeit etwa auch den Beschluss vom 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0142). Dass im Rahmen dieser Abwägung die Beziehungen des Revisionswerbers zu seinen in Serbien lebenden Verwandten für jeden Verwandten eigens hätten geprüft werden müssen, wie im Rahmen der Zulassungsausführungen letztlich vertreten wird, trifft nicht zu. Ob aber die - jedenfalls nicht aktenwidrige - Feststellung des BVwG, der Revisionswerber könne in Serbien Unterstützung durch seine Familie erwarten, in den Verfahrensergebnissen in jeder Beziehung eine ausreichende Deckung hat oder nicht, stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar.

10 Der in den Zulassungsausführungen letztlich noch aufgegriffene Umstand, dass der Revisionswerber vor dem BFA nicht persönlich einvernommen worden ist, schlägt nicht auf das angefochtene Erkenntnis "durch". Entscheidend ist vielmehr, dass der Revisionswerber vor dem BVwG im Rahmen einer mündlichen Verhandlung persönlich gehört wurde, was die im vorliegenden Fall angestellten wesentlichen Überlegungen des BVwG auf eine tragfähige Grundlage gestellt hat. Wenn der Revisionswerber den Standpunkt vertritt, das BVwG hätte den Bescheid des BFA aufheben und das Verfahren an diese Behörde zwecks seiner persönlichen Einvernahme zurückverweisen müssen, so verkennt er das von ihm selbst zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063 (vgl. insbesondere Punkt II. B.2.6.3. der Entscheidungsgründe).

11 Zusammenfassend ergibt sich daher, dass in der Revision keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt werden. Das räumt der Revisionswerber im Rahmen der von ihm noch geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Bestimmung (im Hinblick auf eine dadurch seiner Ansicht nach erfolgte Gesamtänderung der Bundesverfassung) letztlich selbst ein. Diese Bedenken vermag der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht zu teilen, zumal sie auch nach dem eigenen Vorbringen des Revisionswerbers schon vom Verfassungsgerichtshof - in dessen Ablehnungsbeschluss vom 11. Juni 2015, E 1016/2015-5 - nicht aufgegriffen wurden. Auch den geltend gemachten Bedenken zu § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG (fehlende Parteistellung des Verwaltungsgerichtes im Revisionsverfahren) ist schon im Hinblick auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes unter Rz 30 seines zu § 83 Abs. 1 VfGG ergangenen Erkenntnisses vom 29. November 2014, G 30- 31/2014 (siehe dazu auch die verfassungsgerichtlichen Überlegungen unter Punkt 4.1.5 des zugrunde liegenden Prüfbeschlusses), nicht näher zu treten. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 15. März 2016

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte