Normen
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB;
62012CJ0390 Pfleger VORAB;
AVG §39 Abs2;
GSpG 1989;
VStG §25 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015170020.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Bestätigung der Beschlagnahme des Geräts mit der FA-Nummer 06 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Gesellschaft Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 18. Juni 2012 ordnete die Bezirkshauptmannschaft H gegenüber der revisionswerbenden Gesellschaft die Beschlagnahme von drei mit den FA-Nummern 01, 04 und 06 bezeichneten Glücksspielgeräten gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a Glücksspielgesetz (GSpG) an.
Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich infolge Berufung (nunmehr Beschwerde) der revisionswerbenden Gesellschaft den erstinstanzlichen Bescheid sowie die angeordnete Beschlagnahme hinsichtlich der mit den FA-Nummern 01 und 04 bezeichneten Geräte auf, weil bei diesen aufgrund der Möglichkeit von Höchsteinsätzen über EUR 10,- pro Spiel ausschließlich Gerichtszuständigkeit bestanden habe. Hingegen bestätigte das Landesverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Bescheid im Hinblick auf die Beschlagnahme des mit der FA-Nummer 06 bezeichneten Glücksspielgeräts ("Skill Bob") und sprach aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei.
Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aus, entgegen dem Berufungsvorbringen handle es sich beim Gerät mit der FA-Nummer 06 um ein Glücksspielgerät, weil die Entscheidung über das Spielergebnis vorwiegend vom Zufall abhänge. Um in wirtschaftlicher Hinsicht einen Gewinn erzielen zu können, müsste der Spieler die Art der übereinander zu liegen kommenden Symbole beeinflussen können. Dies sehe das Spielprogramm nicht vor. Der Spieler habe lediglich die Möglichkeit, mit Hilfe der grünen Pfeiltasten in der betreffenden Reihe die Symbole um ein Feld nach rechts oder links zu verschieben.
Da dem Spieler Gewinnbeträge in Aussicht gestellt würden, die entweder im Lokal ausbezahlt würden oder zumindest in Form von Freispielen konsumiert werden könnten, werde dem Spieler gemäß § 2 Abs 1 Z 3 GSpG eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt.
Zu den in der Berufung geäußerten unionsrechtlichen Bedenken führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aus, die revisionswerbende Gesellschaft erfülle die für die Übertragung einer Glücksspielkonzession erforderlichen Bedingungen nach § 21 Abs 2 GSpG nicht, weil sie weder eine Kapitalgesellschaft mit Aufsichtsrat sei, noch über ein eingezahltes Stamm- oder Grundkapital von mindestens EUR 22 Mio verfüge.
Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich damit, dass es lediglich festzustellen gehabt habe, ob beim mit der FA-Nummer 06 bezeichneten Gerät die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig sei. Dies stelle keine Rechts-, sondern eine Tatfrage dar.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich, soweit damit der Berufung keine Folge gegeben und die Beschlagnahme des mit der FA-Nummer 06 bezeichneten Geräts aufrechterhalten wurde, die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Das Landesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die BH H erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der beantragt wurde, die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, sie kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision führt die revisionswerbende Gesellschaft aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob das Spiel "Skill Bob" als Glücksspiel iSd § 1 Abs 1 GSpG anzusehen sei und ob der in Aussicht gestellte Gewinn von Freispielen ein Inaussichtstellen eines vermögenswerten Gewinns iSd § 2 Abs 1 Z 3 GSpG darstelle. Zudem weiche das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahin ab, dass das Landesverwaltungsgericht keine Feststellungen zu einer eventuellen Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols getroffen habe.
Die außerordentliche Revision ist jedenfalls im Hinblick auf die vom Landesverwaltungsgericht unterlassenen Feststellungen zur Unionsrechtskonformität des Glücksspielmonopols zulässig.
Hinsichtlich der Qualifizierung des Spiels "Skill Bob" als Glücksspiel gleicht der gegenständliche Revisionsfall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg Erkenntnis vom 26. März 2015, Ra 2014/17/0033, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. Da die Entscheidung über die Gewinnchance bei diesem Spiel vom Gerät zufallsabhängig herbeigeführt wird, hat das Landesverwaltungsgericht das mit der FA-Nummer 06 bezeichnete Gerät zu Recht als Glücksspielautomat und nicht als Geschicklichkeitsapparat qualifiziert.
Hinsichtlich des Vorbringens der revisionswerbenden Gesellschaft zur Unzulässigkeit einer Bestrafung gemäß § 52 GSpG wegen Widerspruchs des Glücksspielmonopols zur unionsrechtlich verankerten Dienstleistungsfreiheit ist Folgendes auszuführen:
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinen Urteilen vom 15. September 2011, Rs C-347/09 , Dickinger und Ömer, und vom 30. April 2014, Rs C-390/12 , Pfleger, die unionsrechtliche Zulässigkeit des Glücksspielmonopols nicht nur von der Zielsetzung des Gesetzgebers - Spielerschutz und Kriminalitätsbekämpfung - sondern auch von der tatsächlichen Wirkung der Regelungen abhängig gemacht. Im Zuge eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens hätte das Landesverwaltungsgericht daher insbesondere zu prüfen gehabt, ob die Regelungen des Glücksspielgesetzes in ihrer Gesamtheit dazu führen, dass die Gelegenheit zum Spiel verringert und die damit verbundene Kriminalität bekämpft wird. Dies wäre beispielsweise dann nicht erfüllt, wenn es trotz der restriktiven Ausgestaltung des Glücksspielrechts in den letzten Jahren zu einer Ausweitung der Spielsucht samt der damit verbundenen Probleme gekommen wäre (vgl VwGH vom 24. April 2015, Ro 2014/17/0126 und vom 29. Mai 2015, Ro 2014/17/0049).
Durch das Unterlassen entsprechender Feststellungen ist das Landesverwaltungsgericht seiner Pflicht, die anzuwendenden Bestimmungen des Glücksspielgesetzes hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht von Amts wegen zu beurteilen, nicht in gesetzmäßiger Weise nachgekommen. Dadurch wurde das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, sodass sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen erübrigt.
Von der von der revisionswerbenden Gesellschaft beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 4 und Z 5 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014.
Wien, am 17. Februar 2016
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