VwGH Ra 2015/13/0048

VwGHRa 2015/13/004827.7.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Revision des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. Mai 2015, Zl. RV/7101271/2015, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2004 bis 2006 (mitbeteiligte Partei: N GmbH vormals G GmbH in W), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §269 Abs1;
UStG 1994 §3a Abs8 lita;
BAO §269 Abs1;
UStG 1994 §3a Abs8 lita;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Umsatzsteuer 2004 bis 2006) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte betreibt eine Künstleragentur in der Rechtsform einer GmbH.

2 Im Bericht vom 12. Dezember 2007 über das Ergebnis einer Außenprüfung wurde insbesondere (vgl. näher zum Sachverhalt und bisherigen Rechtsgang das Erkenntnis vom 28. Jänner 2015, 2010/13/0012) festgehalten, dass die vorgelegten Aufzeichnungen nicht den Bestimmungen des § 131 BAO entsprächen und aufgrund der näher dargestellten Mängel eine griffweise Zuschätzung zu den Umsätzen in Höhe von 10% der erklärten Umsätze erfolge. Die Mitbeteiligte sei zum einen als Vermittler tätig ("A-Verträge"), wofür sie eine "Kommission" vom Veranstalter oder vom Künstler erhalte. Bei diesen Leistungen handle es sich um Vermittlungsleistungen iSd § 3a Abs. 4 UStG 1994 (idF jeweils vor dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl. I Nr. 52); diese Leistungen würden an dem Ort erbracht, wo der Künstler auftrete. Zum anderen sei die Mitbeteiligte auch als "Produzent" tätig ("B-Verträge"), wenn sie Leistungen (Auftritte der Künstler) auf eigenes Risiko und eigene Rechnung einkaufe und die Leistungen an Veranstalter weiterverkaufe. Die Mitbeteiligte sei in diesem Fall als "Eigenhändler" anzusehen. Diese Leistungen fielen nicht unter § 3a Abs. 1 bis 11 UStG 1994, der Leistungsort sei demnach nach § 3a Abs. 12 UStG 1994 zu beurteilen, sodass die Leistung als an dem Ort ausgeführt gelte, von dem aus das Unternehmen betrieben werde. Die Mitbeteiligte betreibe das Unternehmen von Österreich aus, diese Leistungen seien demnach in Österreich mit 20% zu versteuern. Die Umsätze aus der Vermittlung würden 32% vom Gesamtumsatz, jene als Produzent 68% vom Gesamtumsatz ausmachen. Die Mitbeteiligte vermittle (als Vermittler) und "verkaufe" (als Produzent) sowohl im Inland als auch im Ausland. Das Umsatzverhältnis werde entsprechend den Angaben in der Umsatzsteuererklärung 2004 in der Weise ermittelt, dass 97% des Gesamtumsatzes im Ausland erzielt werde (3% im Inland). Die für das Jahr 2004 ermittelten Aufteilungsschlüssel würden auch für die Jahre 2005 und 2006 angewandt.

3 Das Finanzamt erließ in weiterer Folge auf die Ergebnisse der Betriebsprüfung gestützte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2006.

4 Mit Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 30. November 2009 wurde die gegen diese Bescheide erhobene Berufung der Mitbeteiligten als unbegründet abgewiesen.

5 Mit dem bereits erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2015, 2010/13/0012, wurde der Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 30. November 2009 aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof kam in diesem Erkenntnis zusammengefasst zum Ergebnis, dass im Hinblick auf Buchführungsmängel eine Schätzungsbefugnis der Finanzbehörden bestand; in der Beschwerde wurden keine Umstände aufgezeigt, dass die griffweise Zuschätzung unsachlich wäre. Zur Umsatzsteuerpflicht der Leistungen der Mitbeteiligten aus dem "Verkauf" von Künstlerauftritten führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass bei einer Verpflichtung der Mitbeteiligten gegenüber dem Veranstalter, einen bestimmten Künstler zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort "zu präsentieren", sie es ist, die dem Veranstalter die Erbringung einer künstlerischen oder unterhaltenden Leistung schuldet. Damit bestimmt sich der Leistungsort nach der speziellen Leistungsortregelung des § 3a Abs. 8 lit. a UStG 1994 und liegt dort, wo die künstlerische oder unterhaltende Leistung tatsächlich bewirkt wird.

6 Am 4. Mai 2015 wandte sich die Prüferin des Finanzamtes an das Bundesfinanzgericht und führte aus, eine Aufteilung in 3% (Inlandsumsätze) zu 97% (Auslandsumsätze) sei aufgrund der Zahlen in der Erklärung 2004 erfolgt. In den von der Mitbeteiligten verzeichneten Auslandsumsätzen seien jedoch auch Umsätze, die in Österreich ausgeführt worden seien, enthalten. Diese Aufteilung sei nur für die Vermittlungsprovisionen gedacht gewesen, bei den Umsätzen als "Eigenhändler/Produzent" sei die Unterscheidung in Umsätze im Inland und Ausland (nach damaliger Rechtsansicht des Finanzamtes) nicht notwendig gewesen. Es werde vorgeschlagen, in einem Vorhalteverfahren mit der Mitbeteiligten den Ort der jeweiligen Leistungen abzuklären.

7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde - ohne weitere Erhebungen - teilweise Folge und änderte u.a. die Umsatzsteuerbescheide 2004 bis 2006 ab. Zu den Bemessungsgrundlagen und zur Höhe der Abgaben verwies das Bundesfinanzgericht auf dem Erkenntnis angeschlossene Berechnungsblätter. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

8 Begründend führte das Bundesfinanzgericht nach Schilderung des Verfahrensganges und zum Teil wörtlicher Übernahme der Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofes im Vorerkenntnis im Wesentlichen aus, der "Verkauf" von Künstlerauftritten im Ausland durch die Mitbeteiligte an einzelne Veranstalter "im eigenen Namen und auf eigene Rechnung" sei in Österreich nicht steuerbar.

9 Aus den angeschlossenen Berechnungsblättern geht hervor, dass das Bundesfinanzgericht jeweils von den von der Mitbeteiligten erklärten Inlandsumsätzen ausging und hierauf einen Sicherheitszuschlag von 10% berechnete.

10 Gegen dieses Erkenntnis - soweit dieses Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2006 betrifft - wendet sich die Revision des Finanzamtes.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verfahrensakten durch das Bundesfinanzgericht und Einleitung des Vorverfahrens - die Mitbeteiligte hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt - erwogen:

12 Gemäß § 269 Abs. 1 BAO haben die Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Das Verwaltungsgericht hat hiezu den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls entsprechende Ermittlungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen (vgl. Ritz, BAO5, § 269 Tz 5).

13 Sowohl das Finanzamt als auch der unabhängige Finanzsenat waren davon ausgegangen, dass die Umsätze aus den "B-Verträgen" unabhängig von den Auftrittsorten der Künstler in Österreich der Umsatzsteuer unterliegen würden. Die Auftrittsorte der Künstler waren demnach - betreffend diese Leistungen (als "Produzent") - im Verfahren vor dem Finanzamt und dem unabhängigen Finanzsenat als irrelevant angenommen und somit nicht näher geprüft worden.

14 Im Hinblick auf die Beurteilung dieser Umsätze durch den Verwaltungsgerichtshof als solche entsprechend § 3a Abs. 8 lit. a UStG 1994 (idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2009) bestimmt sich aber der Leistungsort danach, wo die künstlerische (oder unterhaltende) Leistung tatsächlich bewirkt wird.

15 Damit ergab sich für das Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren die Verpflichtung, nunmehr entsprechende Ermittlungen zur Frage vorzunehmen, wo diese Leistungen tatsächlich bewirkt wurden. Derartige Erhebungen waren insbesondere auch nicht im Hinblick auf die Ausführungen im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung (zur Aufteilung in Inlands- und Auslandsumsätze) entbehrlich, zumal diese Ausführungen durch die Mitteilung der Prüferin vom 4. Mai 2015 auch von Seiten des Finanzamts in Frage gestellt worden waren.

16 Im Übrigen ist auch darauf zu verweisen, dass nicht erkennbar ist, wie sich die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage für das Jahr 2005 aus den dem angefochtenen Erkenntnis als Beilage 2 angeschlossenen Berechnungsblättern ergibt.

17 Da das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften - wie in der Revision auch aufgezeigt wird -

zu einem anderen Erkenntnis hätte kommen können, war das angefochtene Erkenntnis (im Umfang seiner Anfechtung) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 27. Juli 2016

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