VwGH Ro 2014/13/0034

VwGHRo 2014/13/003420.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Revision der A O Gesellschaft m.b.H. & Co. KG in W, vertreten durch die Malainer Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Hegelgasse 8/Mezzanin, gegen den am 11. Dezember 2013 verkündeten Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, ausgefertigt am 10. März 2014, Zl. RV/3115-W/10, miterledigt RV/3114-W/10 und RV 3113-W/10, betreffend Wiederaufnahme und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2003 bis 2007 und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2008, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §303 Abs4;
BAO §303 Abs4;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

1 Gemäß § 28 Abs. 5 Bundesfinanzgerichtsgesetz ist auf die vorliegende Revision § 4 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes (VwGbk-ÜG) sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 4 Abs. 5 zweiter Satz VwGbk-ÜG ist die Revision unzulässig, wenn die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen. Zulässig ist sie demnach nur, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes (im vorliegenden Fall noch: der angefochtene Bescheid) von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 4 Abs. 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG gelten für die Behandlung der Revision die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe, dass statt der Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG die Revision als unzulässig zurückgewiesen werden kann.

2 Bei der Revisionswerberin wurde eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend die Jahre 2003 bis 2007 durchgeführt. Die Prüferin stellte fest, dass die Revisionswerberin im Streitzeitraum Provisionsaufwendungen als Betriebsausgaben geltend gemacht habe. Empfänger dieser Aufwendungen seien die S LTD mit Sitz in Zypern (2003) und - nach dem Beitritt Zyperns zur Europäischen Union - die F LLC mit Sitz in Utah, USA (ab 2004), gewesen. Mit der Begründung, dass es sich bei den angeführten Gesellschaften um "Briefkastenfirmen" handle, forderte die Prüferin die Revisionswerberin gemäß § 162 BAO auf, die an diesen Unternehmen Beteiligten zu benennen. Die Revisionswerberin vertrat zunächst die Auffassung, dass sie der Aufforderung zur Empfängerbenennung nicht nachkommen müsse, weil es sich bei der S LTD und der F LLC um keine "Briefkastenfirmen" handle. Nach der Ankündigung der Prüferin, dass die Provisionsaufwendungen ohne Benennung der tatsächlichen Empfänger nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden könnten, gab der steuerliche Vertreter der Revisionswerberin die ungarische Staatsangehörige E S als Provisionsempfängerin bekannt. E S habe die den Provisionen zugrundeliegenden Leistungen erbracht und ihre daraus resultierenden Ansprüche an die S LTD "abgetreten". Die S LTD habe die Ansprüche in der Folge weiter verkauft. Zum Nachweis dafür legte die Revisionswerberin u.a. ein mit 8. Juni 2010 datiertes Schreiben von E S an den Geschäftsführer der Revisionswerberin vor. Nach Ansicht der Prüferin reichten auch diese Angaben zur Identifizierung der tatsächlichen Provisionsempfänger nicht aus, weshalb die Provisionen nicht als Betriebsausgaben abziehbar seien.

3 Das Finanzamt folgte der Prüferin, verfügte die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2003 bis 2007 und erließ entsprechende Feststellungsbescheide. Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens berücksichtigte das Finanzamt auch die im Jahr 2008 geltend gemachten Provisionsaufwendungen nicht, wobei es zur Begründung auf die Feststellungen der Prüferin verwies.

4 Die Revisionswerberin brachte gegen die im Anschluss an die Betriebsprüfung ergangenen Wiederaufnahme- und Feststellungsbescheide für die Jahre 2003 bis 2007 und gegen den Feststellungsbescheid 2008 das Rechtsmittel der Berufung ein. Sie vertrat die Auffassung, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2003 bis 2007 nicht zulässig sei, und führte aus, dass es bereits vor dem Jahr 2003 Provisionszahlungen gegeben habe, die Gegenstand einer im Jahr 2004 abgeschlossenen Betriebsprüfung für die Jahre bis einschließlich 2001 gewesen seien. Die im Streitzeitraum festgestellten Umstände und Rechtsverhältnisse hätten bereits bei der im Jahr 2004 abgeschlossenen Betriebsprüfung bestanden und seien der Behörde somit bekannt gewesen. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme seien nicht erfüllt. "Abgesehen davon, dass die Wiederaufnahme trotz des Fehlens neuer Tatsachen oder Beweismittel rechtswidrig wäre, wäre die unterschiedliche Ausübung des Ermessensspielraums bei gleicher Faktenlage als Willkür und daher als Gesetzwidrigkeit zu qualifizieren". Die Prüferin begründe auch nicht, wieso der Empfängerbenennung gemäß § 162 BAO mit der Bekanntgabe von E S nicht entsprochen worden sei. E S habe die den Provisionszahlungen zugrundeliegenden Leistungen erbracht, die daraus resultierenden Ansprüche an die S LTD "verkauft" und die Einnahmen aus diesem Geschäft in Ungarn versteuert. "Alle diese Umstände hätte im Vorfeld dieses Verfahrens Frau (E S) jederzeit erklärt und bestätigt." Aus unerfindlichen Gründen sei die Prüferin auf dieses Angebot aber nicht eingegangen. "Das Ermittlungsverfahren leidet somit an Unvollständigkeit in einem entscheidenden Punkt." Dies komme auch im Betriebsprüfungsbericht selbst zum Ausdruck, wo ohne jede Begründung nur die Nichtanerkennung der Funktion von E S festgestellt werde.

5 Das Finanzamt legte die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor, der ihr mit einer im Anschluss an die mündliche Berufungsverhandlung vom 11. Dezember 2013 verkündeten Berufungsentscheidung in den die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO und die Provisionen an die S LTD bzw. F LLC betreffenden Streitpunkten keine Folge gab. Der unabhängige Finanzsenat verwies darauf, dass es sich bei der S LTD und der F LLC um "Domizilgesellschaften" handle und die Revisionswerberin - nach der gemäß § 162 BAO erfolgten Aufforderung hierzu - widersprüchliche Angaben zum tatsächlichen Empfänger der als Betriebsausgaben abgesetzten Provisionen gemacht habe. Zu Beginn der Betriebsprüfung seien die S LTD und die F LLC "als Leistungserbringer und Provisionsempfänger genannt" worden, wogegen in der Folge "Frau (E S) sowohl als Leistungserbringerin als auch als Provisionsempfängerin, die jedoch ihren Anspruch an die oben angeführten Firmen verkauft habe", genannt worden sei. Dass E S die den Provisionszahlungen zugrundliegenden Leistungen tatsächlich erbracht habe, sei aus verschiedenen - im angefochtenen Bescheid näher dargelegten - Gründen nicht glaubwürdig. Abgesehen davon, dass - die im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung als Zeugin einvernommene - E S erst im Zuge der Betriebsprüfung für die Jahre 2003 bis 2007 namhaft gemacht worden sei, lägen sowohl in Bezug auf deren vorgebliche Tätigkeit als auch in Bezug auf den vorgeblichen Verkauf ihrer Provisionsansprüche an die S LTD keine bzw. in sich widersprüchliche Angaben bzw. Unterlagen vor. Die Revisionswerberin habe die tatsächlichen Empfänger der gegenständlichen Provisionen trotz Aufforderung nicht genannt, weshalb diese - nach Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2003 bis 2007 - zu Recht nicht als Betriebsausgaben anerkannt worden seien.

6 Zur Zulässigkeit der dagegen erhobenen Revision wird in der Revision - wie zuvor im Berufungsverfahren - ausgeführt, dass eine Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO mangels neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel nicht zulässig sei. Der "Behörde" seien bereits im Rahmen der die Jahre 1999 bis 2001 betreffenden Betriebsprüfung, die am 12. März 2004 abgeschlossen worden sei, "alle wesentlichen Umstände zu den Zahlungen der (Revisionswerberin) an Frau (E S) bzw. auf Basis der stattgefundenen Zession an den Zessionar (S LTD)" bekannt geworden. Der angefochtene Bescheid weiche auch materiell von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab: Nach der ständigen Rechtsprechung werde durch § 162 BAO sichergestellt, dass Besteuerungskomponenten, die sich bei einem Abgabepflichtigen steuermindernd auswirkten, beim Empfänger steuerlich erfasst würden. Daher habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Juni 2010, 2007/13/0067, ausgesprochen, dass auf eine Empfängerbenennung verzichtet werden könne, wenn der wirkliche Empfänger der Zahlung im Inland nicht steuerpflichtig sei. "Im konkreten Fall war die tatsächliche Empfängerin der Zahlung Frau (E S), die ihren Anspruch aufgrund wirtschaftlicher Probleme an die (S LTD) abgetreten hat. Abgesehen davon, dass eine Empfängerbenennung stattgefunden hat, hätte dies schon allein unterbleiben können, weil Frau (E S) offenbar nicht in Österreich steuerpflichtig war oder ist".

7 Den Ausführungen, das Finanzamt habe lediglich einen bereits aus einer Betriebsprüfung für die Jahre 1999 bis 2001 bekannten Sachverhalt anders beurteilt, ist zu entgegnen, dass das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur aus der Sicht der jeweiligen Verfahren derart zu beurteilen ist, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Dabei ist das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens und nicht aus anderen Verfahren, bei denen diese Tatsachen möglicherweise erkennbar waren, zu beurteilen. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO bezieht sich damit auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren. Dass die Prüfungsabteilung in einem ein anderes Prüfungsjahr betreffenden Prüfungsverfahren von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis hatte, steht der Wiederaufnahme nicht entgegen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0049, VwSlg 8482/F, mwN). Mit dem Vorbringen, "im konkreten Fall war die tatsächliche Empfängerin der Zahlung Frau (E S), die ihren Anspruch aufgrund wirtschaftlicher Probleme an die (S LTD) abgetreten hat", weshalb eine Empfängerbenennung hätte unterbleiben können, "weil Frau (E S) offenbar nicht in Österreich steuerpflichtig war oder ist", entfernt sich die Revisionswerberin weiters vom im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhalt. Die belangte Behörde ging - mit eingehender Begründung - gerade nicht davon aus, dass E S die den Provisionen zugrundeliegende Leistungen erbracht und ihre daraus resultierenden Provisionsansprüche an die S LTD abgetreten bzw. verkauft hat. Die Frage, ob die Aufforderung zur Empfängerbenennung allenfalls zu Unrecht erfolgte, stellt sich im Hinblick darauf nicht.

8 Da die Revision somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, war sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG iVm § 4 Abs. 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG zurückzuweisen.

9 Ein Kostenzuspruch findet nicht statt, weil das Bundesfinanzgericht keine Revisionsbeantwortung eingebracht hat. Der vom Finanzamt eingebrachte Schriftsatz ist nach der hier anzuwendenden Rechtslage nicht als Revisionsbeantwortung anzusehen.

Wien, am 20. Oktober 2016

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