VwGH Ra 2014/10/0038

VwGHRa 2014/10/003827.1.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der Niederösterreichischen Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Juli 2014, Zl. LVwG-AB-14-0423, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn; mitbeteiligte Partei: M S), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2014100038.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Spruchpunkte 1. und 3.  wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im Übrigen (hinsichtlich Spruchpunkt 2.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit, aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn (in der Folge: BH) vom 27. Jänner 2014 wurde die der mitbeteiligten Partei zur Deckung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs mit Bescheid vom 2. Dezember 2013 bis längstens 30. April 2014 gewährte Geldleistung von monatlich EUR 328,68 ab 1. Dezember 2013 auf monatlich EUR 138,68, sowie ab 1. Jänner 2014 (infolge Richtsatzerhöhung) auf EUR 152,99 verringert.

Als Rechtsgrundlagen wurden die §§ 8, 9 Abs. 2 und 4, 10 Abs. 1 und 3, 11 und 21 des NÖ Mindestsicherungsgesetzes sowie die NÖ Mindeststandardverordnung angeführt.

Begründend führte die BH im Wesentlichen aus, dass die mitbeteiligte Partei nicht in der von ihr gemieteten Wohnung in S, sondern im Gemeindegebiet von G ohne aufrechten Wohnsitz aufhältig sei, weshalb kein Wohnbedarf angerechnet werden könne.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde, in der sie zusammengefasst vorbrachte, dass sie in der Gemeinde S ein Zimmer an einer näher genannten Adresse gemietet habe, für das sie eine monatliche Miete (inklusive Betriebskosten) in Höhe von EUR 190,- bezahle. Sie habe daher einen monatlichen Wohnbedarf, der nicht anderweitig gedeckt sei.

Das Landesverwaltungsgericht entschied mit dem angefochtenen Erkenntnis über die Beschwerde wie folgt:

"1. Gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 27. Jänner 2014 (...) ersatzlos behoben.

2. Eine Nachzahlung für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 01. Dezember 2013 bis 30. April 2014 betreffend den Wohnbedarf erfolgt nicht.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig."

Begründend (zu Spruchpunkt 1. und 2.) führte das Verwaltungsgericht - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - aus:

"... Der Beschwerdeführer hat seinen tatsächlichen Aufenthalt in Niederösterreich und verfügt im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über ein aufrechtes Mietverhältnis betreffend ein Zimmer inklusive Betriebskosten bei der Familie I (...). in S (...). Die Miete inklusive Betriebskosten beträgt pro Monat EUR 190,-.

Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum wohnte, vielmehr "hauste" der Beschwerdeführer des Öfteren in einer Scheune (Stadel) in R (...), wo er auch private Sachen untergebracht hatte.

.....

Der Beschwerdeführer verfügte jedenfalls im Zeitraum von November 2013 bis 31. Jänner 2014 über ein monatliches Einkommen von EUR 457,50 auf Grund des Arbeitslosengeldbezuges durch das Arbeitsmarktservice Niederösterreich. Dem Beschwerdeführer wurde durch Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 27. März 2014 eine Invaliditätspension ab 01. November 2013 bescheidmäßig zuerkannt. Die Pension beträgt ab 01. November 2013 monatlich EUR 633,69. Die monatliche Leistung beträgt im April 2014 EUR 633,69 abzüglich Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von EUR 32,32, daher verfügte er im April 2014 über ein Einkommen von EUR 601,37.

Von Seiten der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn wurden an den Beschwerdeführer an Bedarfsorientierter Mindestsicherung im November 2013 EUR 219,20 (Lebensunterhalt und Wohnbedarf), im Jänner (2014) EUR 152,99 (Lebensunterhalt) und im Februar 2014 EUR 152,99 (Lebensunterhalt) ausbezahlt. Somit erfolgte im Zeitraum von November 2013 bis Februar 2014 eine Gesamtauszahlung von EUR 663,86.

Dieser Betrag wurde bereits mit der Pensionsversicherungsanstalt gegenverrechnet.

...

Der Beschwerdeführer erfüllte sämtliche Voraussetzungen ... für den Erhalt der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (Lebensunterhalt und Wohnbedarf).

Auf Grund des vom Gericht festgestellten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass das Mietverhältnis im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zwischen dem Beschwerdeführer und der Familie I (...) betreffend die Miete über ein Zimmer aufrecht war. Die Miete wurde ordnungsgemäß monatlich in Höhe von 190 Euro überwiesen. Der Beschwerdeführer hatte daher tatsächlich diesen Mietaufwand. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Folge seiner psychischen Erkrankung zeitweise das angemietete Zimmer nicht benützt bzw. in einer Scheune gehaust hat, kann nicht zur Einstellung des Wohnbedarfes führen. Auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer allerdings mit März 2014 seitens der Pensionsversicherungsanstalt rückwirkend eine Invaliditätspension bekommen hat, und zwischenzeitlich die Gegenverrechnung mit der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn betreffend die bereits angewiesenen Beträge aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung stattgefunden hat, kommt es allerdings zu keiner Nachzahlung, da der Beschwerdeführer in diesem Fall einen Doppelbezug bekommen würde. Trotzdem bestand der Anspruch des Beschwerdeführers im verfahrensgegenständlichen Zeitraum auch betreffend des Wohnbedarfes, weshalb der Beschwerde Folge zu geben war. ..."

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Das Verwaltungsgericht legte die außerordentliche Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor. Die BH als vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete ebenso wenig eine Revisionsbeantwortung wie die mitbeteiligte Partei.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 34 NÖ Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 9205-3 (NÖ MSG), steht der Landesregierung gegen Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts das Recht zu, binnen sechs Wochen ab Zustellung beim Verwaltungsgericht Revision zu erheben.

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ MSG lauten (auszugsweise):

"§ 6

Einsatz der eigenen Mittel

(1) Die Bemessung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach dem 3. Abschnitt hat unter Berücksichtigung des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der Hilfe suchenden Person zu erfolgen

(2) Als Einkommen gelten alle Einkünfte, die der Hilfe suchenden Person tatsächlich zufließen.

...

§ 8

Berücksichtigung von Leistungen Dritter

(1) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind nur insoweit zu erbringen, als der jeweilige Bedarf nicht durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist.

...

§ 9

Allgemeines

(1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung umfasst folgende Leistungen:

  1. 1. Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes„
  2. 2. Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes,

    ...

(2) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes (Abs. 1 Z 1) oder zur Deckung des Wohnbedarfes (Abs. 1 Z 2) werden grundsätzlich durch einmalige oder laufende Geldleistungen (Mindeststandards) erbracht. ...

§ 10

Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes

(1) Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes umfassen den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

...

(3) Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes umfassen den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und wohnbezogenen Abgaben.

§ 11

Mindeststandards

(1) Die Landesregierung hat nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 und 3 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, LGBl. 9204-0, durch Verordnung die Höhe der Mindeststandards für Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes insbesondere für folgende hilfsbedürftige Personen zu regeln:

1. für alleinstehende und alleinerziehende Personen,

...

§ 21

Neubemessung und Einstellung Leistungen

(1) Die Leistung ist von Amts wegen mit schriftlichem Bescheid rückwirkend neu zu bemessen, wenn Änderungen der Voraussetzungen eintreten; fallen Voraussetzungen weg, ist die Leistung mit schriftlichem Bescheid rückwirkend einzustellen.

(2) ..."

...

3. Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.

4. Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses liegt die Auffassung zu Grunde, dass die mit Bescheid der BH vom 27. Jänner 2014 erfolgte Neubemessung der der mitbeteiligten Partei gewährten Leistung aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung - nämlich die Kürzung um die Leistung zur Deckung des Wohnbedarfs - nach § 21 Abs. 1 NÖ MSG zu Unrecht erfolgt sei, weil die mitbeteiligte Partei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum einen Mietaufwand zu tragen gehabt habe.

Die Amtsrevision bringt dazu in den Zulässigkeitsgründen zusammengefasst vor, das Landesverwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Leistungskürzung schon deshalb zu Recht erfolgt sei, weil die mitbeteiligte Partei infolge der Pensionsleistung aus der Pensionsversicherung über ein anrechenbares Einkommen verfügt habe. Das Verwaltungsgericht habe über die Rechtssache anhand der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt zu erkennen.

Die Revision ist in diesem Punkt zulässig und berechtigt:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht, wenn es in der Sache selbst entscheidet, seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten; allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts und der Rechtslage sind also zu berücksichtigen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. Oktober 2014, Zl. 2014/03/0076, und vom 9. September 2015, Zl. Ro 2015/03/0032, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters bereits erkannt, dass eine Auslegung von § 27 VwGVG dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, nicht zutreffend ist. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Prüfumfang ausschließlich an das Vorbringen des jeweiligen Beschwerdeführers binden wollte, weil dann ein für den Beschwerdeführer über den Bescheidabspruch hinausgehender nachteiliger Verfahrensausgang vor dem Verwaltungsgericht wohl ausgeschlossen wäre, obgleich ein Verbot der "reformatio in peius" im VwGVG - mit Ausnahme von Verwaltungsstrafsachen - nicht vorgesehen ist. Im Übrigen ist auch das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG iVm § 17 VwGVG als ein bei den Verwaltungsgerichten maßgebliches Prinzip jedenfalls in den der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht unterliegenden Fällen im Rahmen der von diesen Gerichten zu führenden Ermittlungsverfahren zu beachten.

Das LVwG war daher bei der Prüfung der vorliegenden Sache (nämlich der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Neubemessung oder Einstellung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung) auf Grund der Beschwerde in seiner rechtlichen Beurteilung an das Beschwerdevorbringen der mitbeteiligten Partei nicht gebunden, und es durfte und musste seiner Entscheidung sämtliche aktenkundigen bzw. im Beschwerdeverfahren hervorgekommenen Sachverhaltselemente zugrunde legen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2015, Zl. Ra 2015/03/0019, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066).

Das Verwaltungsgericht ist von dieser Rechtsprechung abgewichen:

Nach den - unstrittigen - Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis wurde der mitbeteiligte Partei mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom (nach den Verwaltungsakten: 27.) März 2014 rückwirkend ab November 2013 monatliche Leistungen aus der Invaliditätspension in Höhe von EUR 633,69 zugesprochen. Die mitbeteiligte Partei verfügte sohin - worauf die Amtsrevision in den Revisionsgründen hinweist - über ein Einkommen im Sinne des § 6 Abs. 2 NÖ MSG, welches gemäß Abs. 1 leg. cit. bei der Bemessung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu berücksichtigen gewesen wäre.

Die ersatzlose Behebung des Bescheides der BH vom 27. Jänner 2014 hatte zur Folge, dass der Anspruch der mitbeteiligten Partei auf Mindestsicherung in dem mit Bescheid der BH vom 2. Dezember 2013 gewährten Umfang wieder auflebte und somit die der mitbeteiligten Partei zukommende Invaliditätspension unberücksichtigt blieb.

Das Verwaltungsgericht hat hiedurch den Umfang seiner Kognitionsbefugnis nach den oben dargelegten Grundsätzen verkannt und dadurch Spruchpunkt 1. seines Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Daran ändert auch die mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses getroffene Anordnung, dass eine Nachzahlung für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht zu erfolgen habe, zunächst aus der Erwägung nichts, dass Spruchpunkt 2., selbst wenn man ihn - im Ergebnis - als Einschränkung des Anspruchs der mitbeteiligten Partei auf Mindestsicherung wegen der zuerkannten Invaliditätspension deuten wollte, lediglich für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 30. April 2014 normative Wirkung enthalten konnte. Dazu kommt noch Folgendes:

5. Zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses bringt die Revision vor, das Landesverwaltungsgericht habe damit beabsichtigt, eine (tatsächlich) unrechtmäßige Nachzahlung der - gemäß Spruchpunkt 1. - wieder "zuerkannten" Geldleistung zu verhindern. Für einen solchen Ausspruch gebe es allerdings keine Rechtsgrundlage, weil Leistungen der Mindestsicherung auszuzahlen seien, wenn sie rechtmäßig zuerkannt würden. Das Verwaltungsgericht habe damit gegen § 27 VwGVG und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen.

Die Revision ist auch in diesem Punkt - im Ergebnis - zulässig und berechtigt:

"Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfanges - nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. etwa das erwähnte hg. Erkenntnis vom 9. September 2015, Zl. Ro 2015/03/0032, mwN). Das Verwaltungsgericht hat also die Angelegenheit zu entscheiden, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. August 2014, Zl. Ro 2014/05/0062).

Entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, im Ergebnis erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts und die Entscheidung ist in diesbezüglichem Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. die - auf das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren übertragbare - ständige hg. Judikatur zu Berufungsentscheidungen, zB. die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 2005, Zl. 2005/12/0115, vom 26. Juli 2012, Zl. 2010/07/0215, sowie vom 26. März 2015, Zl. Ro 2014/11/0019).

Dies ist vorliegend der Fall.

In dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der BH wird lediglich über die Neubemessung oder Einstellung einer Leistung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, abgesprochen; dies war die vom Verwaltungsgericht (allein) zu entscheidende Sache. Indem das Verwaltungsgericht in Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses über die Frage des Bestehens einer allfälligen "Nachzahlungsverpflichtung" (des Mindestsicherungsträgers) abgesprochen hat, hat das Verwaltungsgericht somit sachlich über mehr entschieden, als Gegenstand der Entscheidung der BH war, sodass es das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich Spruchpunkt 2. mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastete, weshalb es diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

6. Infolge der Aufhebung von Spruchpunkt 1. und 2. war auch der über die Zulässigkeit der Revision absprechende Spruchpunkt 3., der für sich alleine nicht zu bestehen vermag, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063) Wien, am 27. Jänner 2016

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