European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015180190.L00
Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Begründung
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies im Beschwerdeverfahren mit Erkenntnis vom 13. Februar 2015, dem Antragsteller zugestellt am 23. Februar 2015, den Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet ab und verwies das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zurück. Mit Erkenntnis vom 1. Juli 2015 wies das BVwG auch die Beschwerde des Antragstellers gegen die durch das BFA erlassene Rückkehrentscheidung ab.
Der Antragsteller begehrt mit dem gegenständlichen Schriftsatz vom 14. August 2015 die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die "Versäumung der Frist zur Antragstellung auf Bewilligung der Verfahrenshilfe" zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis vom 13. Februar 2015.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. der Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa VwGH vom 20. Juni 2013, 2013/06/0098).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen, welches eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann (vgl. VwGH vom 31. Juli 2007, 2006/05/0089, mwN). Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (vgl. VwGH vom 25. Mai 2007, 2006/12/0219, mwN).
Vorweg ist klarzustellen, dass der Antragsteller mit der "Versäumung der Frist zur Antragstellung auf Bewilligung der Verfahrenshilfe" offensichtlich die Versäumung der Revisionsfrist nach § 26 VwGG meint, die durch einen Antrag auf Verfahrenshilfe - soweit dieser nicht zurückzuweisen ist - gemäß § 26 Abs. 3 VwGG unterbrochen wird.
Diesem Wiedereinsetzungsantrag kommt jedoch keine Berechtigung zu.
Der Antragsteller begründet seinen Antrag auf Wiedereinsetzung im gegenständlichen Fall im Wesentlichen damit, dass er nicht gewusst habe, dass er gegen die abweisende Entscheidung in Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten ein Rechtsmittel erheben bzw. Verfahrenshilfe beantragen müsse, bevor über die Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung entschieden worden sei. Der Leiter des Flüchtlingsheims Z habe ihm nach Zustellung und Lesen des Erkenntnisses erklärt, das Verfahren werde weitergeführt und der Antragsteller könne nun abwarten. Diesen Eindruck erwecke auch die Rechtsmittelbelehrung. Insbesondere ergebe sich aus dieser nicht, dass eine Prüfung des Antrages unter den Gesichtspunkten des Art. 3 EMRK im Verfahren über die Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung nicht mehr stattfinde. Überdies habe der Antragsteller neben der Sprachbarriere nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um einen Anwalt aufzusuchen und habe auch keine Möglichkeit gehabt, eine Rechtsberaterorganisation um Rat zu fragen. Erst in einem Gespräch mit seinem Rechtsvertreter am 10. August 2015, das nach der Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juli 2015 über die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Frage nach der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stattgefunden habe, sei der Antragsteller über den Fehler aufgeklärt worden.
Im konkreten Fall ist der vorgebrachte Sachverhalt nicht geeignet, das dem Antragsteller an der Fristversäumung anzulastende Verschulden bloß als einen minderen Grad des Versehens zu qualifizieren.
Das vom Antragsteller anzufechtende Erkenntnis enthält neben einem in die Muttersprache des Antragstellers übersetzten Spruch, dem zufolge die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen wurde, auch eine vollständige, ebenfalls in die Muttersprache des Antragstellers übersetzte Rechtsmittelbelehrung. Dieser Rechtsmittelbelehrung ist klar zu entnehmen, dass gegen die Entscheidung innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine ordentliche bzw. außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden kann.
Mit seinem Vorbringen legt der Antragsteller nicht dar, mit der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt gehandelt zu haben. Angesichts des Spruchs des Erkenntnisses und insbesondere angesichts der unmissverständlich formulierten Rechtsmittelbelehrung wäre es dem Antragsteller zumutbar gewesen, sich - allenfalls gemeinsam mit einer sprachkundigen Person - an eine für Rechtsauskünfte zuständige Stelle, etwa an eine Anwaltskanzlei, an das Verwaltungsgericht selbst oder auch eine Rechtsberatung für Migrantinnen und Migranten anbietende Hilfsorganisation zu wenden. Demgegenüber stellt das Vertrauen in die Auskunft des nicht rechtskundigen Leiters des Flüchtlingsheims eine über den minderen Grad des Versehens hinausgehende Sorglosigkeit dar (vgl. VwGH vom 25. September 2007, 2007/18/0321). Im Übrigen ist anzumerken, dass dem Antragsteller mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 2. August 2011 für das Beschwerdeverfahren ein Rechtsberater kostenlos zur Seite gestellt worden war, sodass es im Fall von Unklarheiten für den Antragsteller auch naheliegend gewesen wäre, zum Verständnis des das Beschwerdeverfahren abschließenden Erkenntnisses die Unterstützung und Beratung des Rechtsberaters in Anspruch zu nehmen.
Der Wiedereinsetzungsantrag erfüllt somit nicht die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG und war daher abzuweisen.
Wien, am 20. Oktober 2015
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