VwGH Ra 2015/09/0002

VwGHRa 2015/09/000224.3.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die außerordentliche Revision des I E in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 2. September 2014, Zl. VGW- 041/003/26936/2014, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Angelegenheit nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §69 Abs1 Z2;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §24;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
AVG §69 Abs1 Z2;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §24;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 12. November 2013 war der Revisionswerber schuldig erkannt worden, er habe es als unbeschränkt haftender Gesellschafter und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der I-KG zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin in der Zeit vom 10. September 2012 bis 9. November 2012 den türkischen Staatsangehörigen YB beschäftigt habe, obwohl für diesen Ausländer keine der im Einzelnen angeführten arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen oder Bestätigungen ausgestellt gewesen sei. Der Revisionswerber habe dadurch eine Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.900,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen und 18 Stunden) verhängt.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit bei der belangen Behörde am 17. Jänner 2014 eingelangten Schriftsatz beantragte der Revisionswerber die Wiederaufnahme dieses Verfahrens. Dies begründete er im Wesentlichen damit, dass er auf die Berufung verzichtet habe, da er YB länger nicht gesehen und zu seinem Recht auf Arbeitsaufnahme nicht befragen habe können. Am 3. Jänner 2014 habe er YB allerdings wieder getroffen und ihn auf die Bestrafung angesprochen, worauf dieser ihm mitgeteilt habe, dass sein Anwalt ihm bereits Anfang 2012 ein Schreiben übersandt habe, wonach er dem "ARB unterfalle und ohne Beschäftigungsbewilligung arbeiten dürfe". Noch an demselben Tag habe er eine Kopie dieses mit 13. März 2012 datierten Schreibens (welches YB mittlerweile verlorene habe) in der Kanzlei des Anwalts des YB erhalten. Nach dem Inhalt dieses (dem Antrag angeschlossenen) Schreibens kommt der Rechtsanwalt darin nach rechtlichen Ausführungen zum Ergebnis, dass YB - nach seinem bereits 1999 eingereisten Vater - im Oktober 2002 mit Mutter und Geschwistern nach Österreich gekommen, Asyl beantragt und eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt erhalten habe, womit er mit einem Wohnsitz von mehr als drei Jahren in Österreich gemäß Art. 7 ARB Nr. 1/80 als Familienangehöriger auch das Recht habe, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben (d.h. bewilligungslos eine Arbeit aufzunehmen).

Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 5. Mai 2014 mit der Begründung ab, dass die Unkenntnis der Rechtslage weder eine neue Tatsache noch ein neues Beweismittel iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG darstelle, das im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht hätte geltend gemacht werden können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde zurück und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. In der Begründung hielt es dem Beschwerdeeinwand, der Revisionswerber habe am 3. Jänner 2014 erstmals von der relevanten neuen Tatsache ("ARB-Türke nach dem Vater") erfahren, entgegen, dass eine in einem Schreiben eines Rechtsanwaltes mitgeteilte Rechtsansicht weder Beweismittel noch Tatsache iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG sei. "Tatsache" könne nur ein Element jenes Sachverhaltes sein, der von der Behörde des wiederaufzunehmenden Verfahrens zu beurteilen gewesen sei. Darunter falle nicht eine spätere rechtliche Beurteilung eben dieses Sachverhaltes selbst, sondern kämen allenfalls darin verwertete "neu hervorgekommene Beweismittel" in Frage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2011, 2010/09/0198 m.w.H.).

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.

Die vorliegende Revision hängt im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukäme:

Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 69 Abs 1 Z 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Der Revisionswerber macht im Wesentlichen geltend, dass ihm mit dem besagten Schreiben des Rechtsvertreters am 3. Jänner 2014 erstmals Tatsachen zur erlaubten Beschäftigungsaufnahme von YB, die bereits bei dessen Beschäftigung bestanden hätten, zur Kenntnis gebracht worden seien. Dieses Schreiben des "sachverständigen" Rechtsanwaltes, worin er seine Befundergebnisse dargelegt habe, sei wie ein nach Eintritt der Rechtskraft eines Bescheides eingeholtes Sachverständigengutachten zu behandeln. Nach dem dazu vom Revisionswerber ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 25. Juli 2013, 2012/07/0131, könnten in einem solchen Gutachten "erst nach Rechtskraft des Bescheids 'festgestellte' Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden, bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen beziehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen".

Dabei verkennt der Revisionswerber, dass es auf die Qualifikation dieses Schreibens schon mangels Vorliegens anderer Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme hier nicht ankommt:

Im zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren wurde dem Revisionswerber die Beschäftigung des türkischen Staatsangehörigen YB ohne Vorliegen notwendiger arbeitsmarktrechtlicher Bewilligungen oder Bestätigungen zur Last gelegt. Angesichts seines - wiederholt vorgebrachten - Standpunktes, er habe bei der Einstellung davon ausgehen können, dass dieser Ausländer in Österreich arbeiten dürfe, musste ihm damit auch im Verwaltungsstrafverfahren bekannt sein, dass YB als Zeuge zum zentralen Thema des Vorliegens eines Grundes, warum dieser Ausländer zur Arbeitsaufnahme in Österreich berechtigt sein könnte, in Frage kommen würde; dies insbesondere auch vor dem Hintergrund seines (Revisions‑) Vorbringens, dass YB bei der Einstellung erklärt habe, er dürfe in Österreich arbeiten. Im Übrigen hat der Revisionswerber auch - nach dem Akteninhalt (laut Aktenvermerk am 19, November 2013) - vorerst gegenüber der belangten Behörde unter Vorlage einer Beschäftigungsbewilligung bezüglich YB Berufung erheben wollen, aber nach Hinweis, dass diese Bewilligung den inkriminierten Zeitraum nicht umfasst, davon Abstand genommen.

In seinem weiteren Vorbringen im Wiederaufnahmeverfahren - zuletzt in der Revision - behauptet er zusammengefasst, zum Zeitpunkt des Erlassens des Straferkenntnisses den Aufenthaltsort von YB nicht gekannt zu haben und den Ausländer am 3. Jänner 2014 durch Zufall getroffen zu haben.

Damit kann er aber keinen Wiederaufnahmegrund dartun, zumal zu berücksichtigen ist, dass das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck hat, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels im Wege über die Wiederaufnahme eines Verfahrens zu sanieren: Einerseits bestreitet er mit diesem Vorbringen nämlich nicht, dass ihm der Aufenthaltsort des Zeugen zum Zeitpunkt der Beschäftigung und im Verwaltungsstrafverfahren zumindest bei der Aufforderung zur Rechtfertigung der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung mit Schreiben der belangten Behörde vom 3. Jänner 2013 bekannt gewesen sei, und dass er somit ausreichend Gelegenheit gehabt hat, die Einvernahme dieser Person als Zeuge zu beantragen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2006, 2006/08/0194). Andererseits wäre er trotz Unkenntnis der Adresse nicht gehindert gewesen, die Einvernahme des Zeugen im Verwaltungsstrafverfahren zu beantragen, wobei es dann Aufgabe der Behörde oder des Gerichtes gewesen wäre, den gegenwärtigen Aufenthaltsort des Zeugen auszuforschen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1981, 1199/79, mwN).

Der Revisionswerber konnte somit insgesamt nicht dartun, dass er im Verwaltungsstrafverfahren ohne sein Verschulden die nunmehr ins Treffen geführten Tatsachen zur erlaubten Beschäftigung des YB nicht durch rechtzeitige Namhaftmachung dieser Person als Zeugen geltend machen hätte können. Das Verwaltungsgericht hat schon deshalb im Ergebnis zutreffend das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes verneint.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG im Hinblick auf die vor dem Verwaltungsgericht durchgeführte mündliche Verhandlung abgesehen werden.

Wien, am 24. März 2015

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