VwGH Ra 2015/08/0040

VwGHRa 2015/08/00407.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision des Ing. MMag. W L in R, vertreten durch die Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Mozartplatz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 2015, Zl. L504 2015233- 1/2E, betreffend Beitragshaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Gebietskrankenkasse), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §67 Abs10;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
ASVG §67 Abs10;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Salzburger Gebietskrankenkasse hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Schreiben vom 18. Juni 2014 teilte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde dem Revisionswerber als ehemaligem Geschäftsführer der L GmbH (im Folgenden nur: GmbH) mit, dass Sozialversicherungsbeiträge für November 2012 von EUR 2.292,32 zuzüglich Verzugszinsen unberichtigt aushafteten. Der Revisionswerber werde aufgefordert, alle gegen seine Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG sprechenden Tatsachen vorzubringen, insbesondere eine Liquiditätsaufstellung für Dezember 2012 bzw. die gesamten Geschäftsunterlagen vorzulegen, damit die Gleichbehandlung der Beitragsschulden mit den sonstigen Verbindlichkeiten geprüft werden könne.

1.2. Daraufhin legte der Revisionswerber ein (an ihn gerichtetes) Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 25. Juni 2014 vor, mit dem ihm Auskunft über eine (allfällige) Haftung sowie Anleitung für die abzugebende Stellungnahme erteilt wurde. Ferner legte er Kontoauszüge vor, aus denen sich am 10. Dezember 2012 ein Debetstand von EUR 9.213,23, drei Tage später ein Zahlungseingang von EUR 12.000,--, bis zum 19. Dezember 2012 diverse Zahlungsausgänge bzw. Lastschriften von zusammen EUR 2.585,99, am 18. Dezember 2012 eine Zinsengutschrift von EUR 1,60 und letztlich am 19. Dezember 2012 ein Guthaben von EUR 202,38 ergaben.

2.1. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 verpflichtete die belangte Behörde den Revisionswerber gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, die offenen Beiträge von EUR 2.292,32 zuzüglich Verzugszinsen zu zahlen. Die Beiträge seien bei der GmbH uneinbringlich und hafteten nach Zahlung des Insolvenzentgelts für die Arbeitnehmer in der angeführten Höhe unberichtigt aus. Der Revisionswerber habe es trotz Aufforderung unterlassen, Gründe darzulegen bzw. Beweise anzubieten, wonach er ohne sein Verschulden an der Zahlung gehindert gewesen sei. Aus den Kontounterlagen ergebe sich vielmehr eine Ungleichbehandlung der belangten Behörde, weil diese bei den erfolgten Zahlungen nicht berücksichtigt worden sei, wogegen andere Gläubiger befriedigt worden seien.

2.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde mit dem Vorbringen, er hafte nicht für die offenen Beiträge. Richtig sei, dass er ab 30. August 2012 alleiniger Geschäftsführer der GmbH gewesen sei, über deren Vermögen am 20. Dezember 2012 das Konkursverfahren eröffnet und am 1. Juli 2013 mangels Vermögens wieder aufgehoben worden sei, und dass für November 2012 ein mit 30. dieses Monats fälliger Beitragsrückstand bei der belangten Behörde von EUR 10.809,05 bestanden habe, der von der GmbH nicht beglichen worden sei. Allerdings treffe den Revisionswerber kein Verschulden, weil das Geschäftskonto im Fälligkeitszeitpunkt einen Debetstand von EUR 8.874,24 aufgewiesen habe, sodass keine Mittel vorhanden gewesen seien, um die Beitragsschulden zu tilgen. Weiters habe die GmbH anderen Gläubigern mehr als EUR 140.000,-- geschuldet, sodass sie über keine Mittel verfügt habe, um alle Forderungen zu erfüllen. Auf Grund des Debetstands auf dem Konto sei nicht einmal eine anteilige Befriedigung möglich gewesen, vielmehr habe sich im Fälligkeitszeitpunkt "für die Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung eine Quote von 0,0 %" errechnet. Folglich habe der Revisionswerber die belangte Behörde nicht schlechter behandelt als die anderen Gläubiger, es treffe ihn daher kein Verschulden, eine Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG sei nicht gegeben.

Der Revisionswerber legte mit der Beschwerde einen weiteren Kontoauszug vom 26. November 2012 vor, aus dem sich nach einem Zahlungseingang von EUR 5.250,-- an jenem Tag ein Debetsaldo von EUR 8.874,23 ergab. Ferner brachte er eine "Gläubigerliste per 28.12.2012" in Vorlage, welche eine Summe von EUR 142.545,68 aufwies (darin auch eine Forderung der belangten Behörde von EUR 10.809,07).

3.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

3.2. Es stellte fest, dass der Revisionswerber laut Firmenbuch ab dem 30. August 2012 Geschäftsführer der GmbH gewesen sei.

Ab dem 13. Dezember 2012 habe das Geschäftskonto der GmbH ein Guthaben von EUR 2.295,32 aufgewiesen. Vom 13. bis zum 19. Dezember 2012 habe die GmbH jedenfalls Zahlungen an andere Gläubiger, nicht jedoch an die belangte Behörde, geleistet.

Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 20. Dezember 2012 sei das Konkursverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 1. Juli 2013 mangels Vermögens wieder rechtskräftig aufgehoben worden.

Mit Rückstandsausweis vom 30. Oktober 2014 habe die belangte Behörde von der GmbH für November 2012 offene Beiträge von EUR 2.292,32 zuzüglich Verzugszinsen eingefordert. Der Betrag sei nicht entrichtet worden.

3.3. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, der Revisionswerber sei seit dem 30. August 2012 alleiniger Geschäftsführer der GmbH gewesen und könne daher zur Haftung für die Beitragsschulden wegen Ungleichbehandlung der Gläubiger herangezogen werden. Die von § 67 Abs. 10 ASVG vorausgesetzte objektive Uneinbringlichkeit bei der GmbH sei unstrittig gegeben, weil das Konkursverfahren am 20. Dezember 2012 eröffnet und die GmbH aufgelöst worden sei.

Für die Frage des Verschuldens komme es beim Fehlen ausreichender liquider Mittel nicht allein darauf an, dass die Beitragsschulden bei Fälligkeit nicht (zur Gänze) bezahlt worden seien, vielmehr sei auf das Verbot der Gläubigerbegünstigung abzustellen, wonach die Sozialversicherung nicht schlechter gestellt werden dürfe als andere Gläubiger. Der Revisionswerber argumentiere, dass die GmbH im Fälligkeitszeitpunkt (30. November 2012) über keine ausreichenden Mittel zur zumindest anteiligen Befriedigung aller Gläubiger verfügt habe und bei der errechneten Quote von 0 % die belangte Behörde nicht schlechter gestellt worden sei als die anderen Gläubiger. Allerdings komme es für die Einhaltung der Gleichbehandlungspflicht nicht bloß auf den Fälligkeitszeitpunkt an, zumal die Zahlungspflicht bis zur vollständigen Begleichung einer Verbindlichkeit fortbestehe. Richtiger Weise beginne der für die Beurteilung maßgebliche Zeitraum mit der Fälligkeit der ältesten noch offenen Beitragsschuld und ende mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (oder einer früheren allgemeinen Zahlungseinstellung bzw. Beendigung der Vertreterstellung). Wie aus den Kontoauszügen hervorgehe, habe die GmbH ab dem 13. Dezember 2012 Zahlungen an mehrere Gläubiger geleistet, wobei unstrittig bis zur Konkurseröffnung keine zumindest anteiligen Zahlungen an die belangte Behörde entrichtet worden seien. Folglich habe der Revisionswerber gegen die Gleichbehandlungspflicht verstoßen, indem er andere Gläubiger befriedigt, die belangte Behörde hingegen nicht berücksichtigt habe.

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG hafte der Vertreter insoweit, als die zu entrichtenden Beiträge infolge seiner schuldhaften Pflichtverletzung nicht eingebracht werden könnten. Als Schuldform genüge leichte Fahrlässigkeit, die schon dann anzunehmen sei, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermöge, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten nicht möglich gewesen sei. Vorliegend habe der Revisionswerber keine substanziierten Gründe dargelegt, wonach ihm eine zumindest teilweise Entrichtung der Beiträge nicht möglich gewesen wäre, sodass leichte Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Auch der Kausalzusammenhang zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und der Uneinbringlichkeit der Beiträge sei gegeben.

3.4. Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Die Entscheidung hänge nicht von einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukomme.

4. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die gegenständliche - Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende - außerordentliche Revision.

Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Revision ist - infolge Abweichens des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Umfang der Haftung des Vertreters - zulässig und auch berechtigt.

6.1. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

6.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 21. Mai 1996, 93/08/0221, vom 29. Juni 1999, 99/08/0075, uva.) ist die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin bestehen, dass er die Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt.

Wie ein Vertreter, dem gemessen an der Gesamtsumme aller Forderungen nur unzureichende Mittel zur Verfügung stehen, seiner Gleichbehandlungspflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger konkret nachzukommen hat, ist nach der Zahlungstheorie zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2005, 2002/08/0213 (zur Parallelbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG)). Demnach ist der Vertreter nur dann exkulpiert, wenn er nachweist, im Beurteilungszeitraum entweder über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung die Versicherungsbeiträge ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger nicht oder nur zum Teil entrichtet zu haben, die Beiträge also nicht in Benachteiligung der Sozialversicherung in einem geringeren Ausmaß entrichtet zu haben als die Forderungen der anderen Gläubiger (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 2004, 2001/08/0043, und vom 25. Mai 2011, 2008/08/0169).

7.1. Der Revisionswerber macht - erkennbar zum Grund der Haftung - geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Zahlungstheorie abgewichen. Es habe die Zahlungen an andere Gläubiger nicht (richtig) rechtlich gewürdigt, indem es sich nicht damit auseinandergesetzt habe, dass infolge der nur geringen liquiden Mittel eine vollständige Begleichung aller Verbindlichkeiten (so auch der Beitragsschulden) nicht möglich gewesen sei.

7.2. Das Verwaltungsgericht ist im Einklang mit der aufgezeigten Rechtsprechung fallbezogen zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber den ihm obliegenden Nachweis der Einhaltung der Gleichbehandlungspflicht im Sinn der Zahlungstheorie nicht erbracht hat, sondern die Pflicht schuldhaft verletzt hat, indem er zwar Zahlungen an andere Gläubiger geleistet hat, dabei aber die belangte Behörde in keiner Weise berücksichtigt und an diese keinerlei zumindest anteilsmäßige Zahlungen entrichtet hat. Da unstrittig ist, dass die fälligen Beiträge bei der vom Revisionswerber vertretenen GmbH - über die am 20. Dezember 2012 das Konkursverfahren eröffnet und mangels Vermögens am 1. Juli 2013 wieder aufgehoben wurde - nicht einbringlich waren, und da dem Revisionswerber nach dem oben Gesagten eine Verletzung der Gleichbehandlungspflicht anzulasten ist, hat das Verwaltungsgericht die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG dem Grunde nach zu Recht bejaht.

8.1. Der Revisionswerber macht - zum Umfang der Haftung - geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der Haftung für den gesamten Beitragsrückstand ausgegangen, obwohl keine ausreichenden liquiden Mittel zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten vorhanden gewesen seien. Bei Gleichbehandlung hätte sich eine anteilsmäßige Befriedigung der Beitragsschulden (nach der angestellten Berechnung im Ausmaß von 59,94 % bzw. EUR 1.374,02) ergeben. Der Umfang der Haftung sei daher beschränkt, im Übrigen seien weitere Feststellungen geboten, um den Haftungsbetrag ermitteln zu können.

8.2. Nach der - auch auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anwendbaren - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur amtswegigen Ermittlungspflicht im Haftungsverfahren (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 17. November 2004, 2002/08/0212, vom 26. Jänner 2005, 2002/08/0213 und vom 29. Jänner 2014, 2012/08/0227) hat die Behörde (bzw. das Gericht) den Vertreter, wenn er nicht nur ganz allgemeine sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen aufgestellt hat, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, vorerst zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens sowie zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die ihr - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Ausmaß ihn eine Haftung trifft.

8.3. Vorliegend erstattete der Revisionswerber im Verfahren nicht bloß ein ganz allgemeines sondern ein durchaus konkretes sachbezogenes nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgebliches Vorbringen, machte er doch nähere Angaben zu den offenen Beitragsschulden, zu den Gesamtverbindlichkeiten und zu den darauf geleisteten Zahlungen, und legte dazu auch einige Beweisurkunden (Kontoauszüge, Gläubigerliste) vor. In Anbetracht dessen wäre der Revisionswerber vom Verwaltungsgericht zunächst zu einer weiteren Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens aufzufordern gewesen, um nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens konkret beurteilen zu können, in welchem Umfang ihn eine Haftung trifft.

8.4. Was den Inhalt der gebotenen Aufforderung zur Präzisierung und Konkretisierung betrifft, kann auf die im hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2014, 2012/08/0227, dargelegten Grundsätze für die Ermittlung des Haftungsumfangs verwiesen werden: Demnach ist in einem ersten Schritt der Beurteilungszeitraum zu ermitteln, der mit der Fälligkeit der ältesten am Ende jenes Zeitraums noch offenen Beitragsverbindlichkeit beginnt und der mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Hinweise auf eine frühere allgemeine Zahlungseinstellung oder Beendigung der Vertreterstellung sind hier nicht gegeben) endet. In einem zweiten Schritt sind sodann einerseits das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen fälligen Verbindlichkeiten einschließlich der Beitragsschulden (allgemeine Zahlungsquote) sowie andererseits das Verhältnis der im selben Zeitraum erfolgten Zahlungen auf die Beitragsverbindlichkeiten zu den insgesamt fälligen Beitragsschulden (Beitragszahlungsquote) zu ermitteln. Das Produkt aus der Differenz der beiden Quoten und den insgesamt fälligen Beitragsschulden ergibt letztlich den Haftungsbetrag (zu alternativen Berechnungsmethoden vgl. das schon angeführte Erkenntnis 2012/08/0227).

8.5. Die Pflicht zur Vornahme weiterer Ermittlungen ist auch nicht deshalb hinfällig, weil die belangte Behörde den Revisionswerber bereits mit Schreiben vom 18. Juni 2014 zu einem Vorbringen der gegen seine Haftung sprechenden Tatsachen sowie zur Vorlage einer Liquiditätsaufstellung bzw. der Geschäftsunterlagen aufgefordert hat. Eine solche - am Beginn eines Verfahrens stehende, einer ersten Informationsaufnahme vorrangig zum Grund der Haftung dienende - Aufforderung ist keinesfalls ausreichend, um der aufgezeigten Ermittlungspflicht zu genügen (vgl. die den hg. Erkenntnissen vom 20. April 1993, 92/08/0250, vom 21. Mai 1996, 93/08/0221, und vom 21. September 1999, 99/08/0065, zugrunde liegenden Sachverhalte).

9. Insgesamt leidet daher das angefochtene Erkenntnis auf Grund des Unterbleibens der notwendigen Ermittlungen zum Umfang der Haftung an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

10. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das die Eingabengebühr betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit nach § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 7. Oktober 2015

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