VwGH Ra 2015/07/0118

VwGHRa 2015/07/011826.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenwarter, über die Revision des T S in L, vertreten durch Dr. Karl Claus und Mag. Dieter Berthold, Rechtsanwaltspartnerschaft in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 8. Juli 2015, Zl. LVwG-AV-53/001-2015, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mistelbach), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

In der hier vorliegenden außerordentlichen Revision wird als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung allein der Umstand ins Treffen geführt, dass das Landesverwaltungsgericht zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG ausgegangen sei und eine mündliche Verhandlung unterlassen habe.

Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen, welche der Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie der Erhebung der Beweise dient. Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Nach der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lassen die Akten dann im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann, wenn also die im hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, dargestellten Voraussetzungen hinsichtlich der Klärung des Sachverhaltes gegeben sind und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007).

Im zitierten hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, erachtete der Verwaltungsgerichtshof folgende Kriterien als für die Annahme der Klärung des Sachverhaltes beachtlich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhalts außer Betracht bleiben kann.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages durch die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde. Dessen behauptete Erfüllung nach dem Zeitpunkt der Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides stellte nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 allerdings keine zu beachtende Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes dar (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse eines verstärkten Senates vom 16. April 1956, VwSlg 4040 A/1956, vom 7. Februar 1990, 88/01/0237, vom 13. Dezember 1994, 91/07/0098, vom 17. Oktober 2002, 98/07/0061, vom 20. Oktober 2005, 2005/07/0112, vom 23. März 2006, 2005/07/0173, uvm).

Dass der Verwaltungsgerichtshof es in ständiger Rechtsprechung ablehnte, dem Umstand der Erfüllung einer erstinstanzlich aufgetragenen Leistungspflicht durch den Verpflichteten nach erstinstanzlicher Auftragserlassung rechtliche Bedeutung für den Inhalt der über den ergangenen Leistungsbefehl zu treffenden Berufungsentscheidung beizumessen, stellte keinen Widerspruch zu jener Judikatur dar, welche die Berücksichtigung im Berufungsverfahren eingetretener Sachverhaltsänderungen bei Erlassung der Berufungsentscheidung forderte. Den Umstand einer Erfüllung eines erstinstanzlichen Leistungsbefehles durch den Bescheidadressaten nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides für den Inhalt der über den Leistungsbefehl zu erlassenden Berufungsentscheidung als unbeachtlich zu beurteilen, war schon aus Gründen des Rechtsschutzes geboten, der demjenigen, der ein Leistungsgebot befolgt, nicht gerade deswegen genommen werden durfte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2002, 98/07/0061).

Diese für die Erfüllung von Leistungsbescheiden bzw. Aufträgen während eines Berufungsverfahrens ergangene Rechtsprechung hat auch für die Rechtslage nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 und die Erfüllung von Leistungsbescheiden bzw. Aufträgen einer Verwaltungsbehörde während des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Bestand. Auch in solchen Fällen ist in der Herstellung des Zustandes, der einem angefochtenen behördlichen Auftrag entspricht, keine vom Verwaltungsgericht zu beachtende Veränderung des maßgebenden Sachverhaltes zu erblicken. Die Umsetzung eines Bescheides, der eine Leistung auferlegt, in die Wirklichkeit kann weder eine noch anhängige Beschwerde gegenstandslos machen noch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in einem bestimmten Sinn festlegen. In einem solchen Fall darf die Sachlage nicht anders gesehen werden, als ob in der Zeit nach der Erlassung des Bescheides, mit dem die Verpflichtung zur Leistung ausgesprochen worden ist, nichts geschehen wäre.

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt war (und blieb) daher im vorliegenden Fall derjenige, der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vorlag; auf seither eingetretene Änderungen brauchte durch das Verwaltungsgericht infolgedessen nicht näher eingegangen zu werden.

Bezogen auf die Umstände des vorliegenden Falles ist davon auszugehen, dass die auf die eigenen Angaben des Revisionswerbers im Rahmen der Verhandlungen der Verwaltungsbehörde vom 13. November 2014 und vom 11. Dezember 2014 und auf den Befund des wasserbautechnischen Amtssachverständigen anlässlich der Verhandlung vom 11. Dezember 2014 gestützten Feststellungen der belangten Behörde über den entscheidungswesentlichen Sachverhalt das Ergebnis eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens darstellen.

Wenn im Zusammenhang damit in der Revision gerügt wird, für die Annahme der belangten Behörde, wonach im Westen des Grundstückes 80 Gänse gehalten würden, habe jegliche Grundlage gefehlt, übersieht der Revisionswerber zum einen, dass er bei der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2014 selbst angegeben hat, dass auf dem Grundstück "derzeit 80 Gänse gehalten werden; dieses Grundstück sei betoniert und es würden sich die Tiere nur auf befestigtem Grund aufhalten." Zum anderen hat das LVwG die in Frage gestellte Feststellung nicht übernommen, sondern es stützte sich auf den Befund des Gutachtens des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 11. Dezember 2014, wonach "insgesamt 80 Gänse und Enten" auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück gehalten würden. Wenn der Revisionswerber nun erstmals in der vorliegenden Revision behauptet, am westlichen Teil des verfahrensgegenständlichen Grundstückes seien "nur ca. 30 Enten" gehalten worden, so stellt diese Behauptung eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung dar, auf die nicht näher einzugehen war.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass aus dem Blickwinkel des Landesverwaltungsgerichts der entscheidungswesentliche Sachverhalt vollständig erhoben war. Die übrigen Behauptungen in der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erschöpften sich weitgehend in einem unsubstantiierten Bestreiten und Missverstehen der sachverständigen Ausführungen; dem Gutachten des Amtssachverständigen wurde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegnet. Dass auf das Vorbringen des Revisionswerbers im Zusammenhang mit der Behauptung der zwischenzeitigen Erfüllung des wasserpolizeilichen Auftrags nicht einzugehen war, wurde bereits näher dargelegt. Dass schließlich in der Beschwerde Rechtsfragen aufgeworfen wurden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich gewesen wäre, ist weder erkennbar noch wird dies in der Revision behauptet.

Die Nichtdurchführung der mündlichen Verhandlung steht daher im vorliegenden Fall nicht im Widerspruch zur Rechtslage oder zur Rechtsprechung.

In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 26. November 2015

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