VwGH Ra 2015/04/0007

VwGHRa 2015/04/000718.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision des J V in S, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 3. Dezember 2014, Zl. LVwG-2014/25/1357-11, betreffend Vorschreibung einer früheren Sperrstunde gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §39 Abs2;
AVG §65;
B-VG Art133 Abs4;
GewO 1994 §113 Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;
AVG §39 Abs2;
AVG §65;
B-VG Art133 Abs4;
GewO 1994 §113 Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde für den Gastgewerbebetrieb des Revisionswerbers auf Grund sicherheitspolizeilicher Bedenken eine frühere Sperrstunde gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 vorgeschrieben.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe seinem Erkenntnis einen neuen, von der Erst- und der Berufungsentscheidung völlig losgelösten Sachverhalt zu Grunde gelegt. So seien die als entscheidungswesentlich angeführten Vorfälle vom Jänner und März 2014 nicht Gegenstand des verwaltungsbehördlichen Verfahrens gewesen, weshalb nicht von einer Überprüfung der Entscheidung der belangten Behörde im Sinne des § 27 VwGVG gesprochen werden könne. Es fehle an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage, ob die belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, gerade in Hinblick auf die ausdrückliche Anordnung in § 17 VwGVG, wonach die Bestimmungen des IV. Teiles des AVG, somit insbesondere auch § 65 AVG, nicht anzuwenden sind, neue Tatsachen und Vorbringen geltend machen könne. Der Lösung dieser Frage komme grundsätzliche Bedeutung zu, weil sich diese auch in anders gelagerten Fällen vor einem Verwaltungsgericht stellen würden, insbesondere bei amtswegig eingeleiteten Verfahren.

Entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers liegt zu den aufgeworfenen Fragen bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Im Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, hat der Gerichtshof ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht, wenn es "in der Sache selbst" entscheidet, nicht nur über die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde zu entscheiden, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde entschieden wurde. Dabei hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076). Was die in § 27 VwGVG normierte Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts betrifft, ist zudem auf das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, zu verweisen. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem klargestellt, dass für die Verwaltungsgerichte das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG nicht bloß subsidiär (etwa insbesondere unter Aussparung von "Detailfragen") zum Tragen komme. Dieses im Grunde des § 17 VwGVG auch für die Verwaltungsgerichte maßgebliche Prinzip sei jedenfalls in den der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht unterliegenden Fällen im Rahmen der von diesen Gerichten zu führenden Ermittlungsverfahren zu beachten. Damit ist auch geklärt, dass sich die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes aus § 39 Abs. 2 AVG ergibt, und nicht - wie der Revisionswerber meint - aus § 65 AVG. Im Ergebnis durfte das Verwaltungsgericht somit auch Sachverhaltselemente, die bei der Prüfung auf Grund der Beschwerde im gerichtlichen Verfahren hervorgekommen sind, seiner Entscheidung zugrunde legen.

Der Revisionswerber bringt außerdem vor, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 113 Abs. 5 GewO 1994 lasse erkennen, dass nur solche Vorfälle "sicherheitspolizeiliche Bedenken" hervorrufen, die gesetzlichen Tatbeständen nach dem StGB, dem Sicherheitspolizeigesetz und den Landessicherheitspolizeigesetzen entsprechen. Im vorliegenden Fall habe das Verwaltungsgericht bei den als sicherheitspolizeilich relevant eingestuften Vorfällen auch zwei Alkoholvergiftungen angeführt. Es liege jedoch keine Rechtsprechung zur Frage vor, ob jedes, also auch die eigene Sicherheit beeinträchtigende Verhalten die Vorverlegung der Sperrstunde rechtfertigen könne.

Auch mit diesem Vorbringen vermag der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales "sicherheitspolizeiliche Bedenken" gemäß § 113 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 das Bestehen von durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen gedeckten konkreten Bedenken, aus deren Art sich schlüssig erkennen lässt, dass ihnen durch die Vorschreibung einer früheren Sperrstunde wirksam begegnet werden kann, wobei sowohl die Anzahl als auch die Beschaffenheit von angezeigten Vorfällen sicherheitspolizeiliche Missstände zum Ausdruck bringen können, die der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken eine ausreichende Grundlage geben (vgl. etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2014, Zl. 2013/04/0161, mwN).

Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis bei seiner einzelfallbezogenen Beurteilung nicht abgewichen. Der vom Revisionswerber aufgeworfenen Frage, inwieweit auch Alkoholvergiftungen sicherheitspolizeiliche Bedenken begründen können, kommt im vorliegenden Fall in Hinblick auf die sonstigen, vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Vorfälle (dreimalige Körperverletzung und eine Ordnungsstörung innerhalb eines kurzen Zeitraumes) keine Relevanz zu.

Was die konkrete Anzahl der Vorfälle angeht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass § 113 Abs. 5 GewO 1994 ein Durchschnittskalkül (gemessen an der jeweiligen Betriebsart des Gastgewerbes) nicht kennt. Vielmehr ist allein entscheidend, ob die angezeigten Vorfälle eine ausreichende Grundlage für sicherheitspolizeiliche Bedenken bilden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 2010, Zl. 2010/04/0056, mwN).

In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. Februar 2015

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