VwGH Ra 2015/03/0082

VwGHRa 2015/03/008217.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Revisionssache der Gemeinde B, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Neunkirchnerstraße 17, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 4. August 2015, Zl. E 147/07/2015.003/002, betreffend Auflassung einer Eisenbahnkreuzung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landeshauptmann von Burgenland; mitbeteiligte Partei: Ö AG in W), den Beschluss gefasst:

Normen

EisenbahnG 1957 §48 Abs1 Z2 idF 2010/I/025;
EisenbahnG 1957 §48 Abs1 Z2;
EisenbahnG 1957 §48 Abs1 Z2 idF 2010/I/025;
EisenbahnG 1957 §48 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Burgenland vom 26. Jänner 2015, mit dem die Auflassung einer Eisenbahnkreuzung angeordnet wurde, als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, dass die aufgetragene Anordnung zur gänzlichen Entfernung der beidseitigen Zugänge sowie die Rekultivierung der Dammböschung in einer Frist von zwei Jahren umzusetzen sei (Spruchpunkt I.). Ferner sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen diese Entscheidung gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die mitbeteiligte Partei habe mit Eingabe vom 15. Mai 2014 die Auflassung der Eisenbahnkreuzung bei Bahnkilometer 9,471 der ÖBB-Eisenbahnstrecke Wiener Neustadt - Loipersbach/Schattendorf beantragt. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde habe am 17. November 2014 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der der beigezogene Amtssachverständige für Verkehrs- und Straßenbautechnik gutachterlich im Wesentlichen zum Schluss gekommen sei, dass gegen die Auflassung der Eisenbahnkreuzung weder im Hinblick auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs noch aus straßenbautechnischer Hinsicht Bedenken bestünden, weil keine negativen Einflüsse auf das verbleibende, den Verkehrserfordernissen entsprechende Straßennetz zu erwarten sei; weder Umgestaltungen des Straßennetzes noch zusätzliche Ersatzmaßnahmen für die Verkehrserfordernisse seien erforderlich. Dem Einwand der revisionswerbenden Partei, die Auflassung der Eisenbahnkreuzung würde eine deutliche Verschlechterung der Verkehrssituation bringen und Schulkinder müssten bei Auflassung dieser Kreuzung 300 m auf der H-Gasse gehen, die keine Gehsteige aufweise, weshalb eine konkrete Gefährdung für das Leben und die Gesundheit der Kinder durch den motorisierten Verkehr groß wäre, habe der Amtssachverständige widersprochen, der ausgeführt habe, dass die H-Gasse im gesamten Verlauf eine Straßenbeleuchtung aufweise und die zulässige Höchstgeschwindigkeit in dieser Straße mit 30 km/h begrenzt sei, weshalb eine wesentliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit, insbesondere der Fußgänger, durch die Auflassung der Eisenbahnkreuzung nicht gegeben wäre. Daraufhin habe die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde gemäß § 48 Abs 1 Z 2 des Eisenbahngesetzes 1957 (EisbG) die Auflassung der besagten Eisenbahnkreuzung verbunden mit der Auflage verfügt, dass die beiderseitigen Zugänge, insbesondere die Stufenanlage, bis 31. August 2015 zur Gänze zu entfernen und die Dammböschung entsprechend zu rekultivieren sei.

Vor dem Verwaltungsgericht habe die revisionswerbende Partei im Wesentlichen geltend gemacht, dass diese Entscheidung in eine bestehende Dienstbarkeit eingreife, zumal insbesondere durch die Anordnung der Entfernung der beidseitigen Zugänge und der Rekultivierung der Dammböschung die Ausübung des Rechtes der Dienstbarkeit unzumutbar bzw unmöglich gemacht würde; da es sich bei dieser Dienstbarkeit um eine bemessene Servitut handle, werde der Umfang der Dienstbarkeit und die Möglichkeit der Rechtsausübung durch die Entscheidung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vereitelt. Das Gehen zur Überquerung der Bahn zur Verbindung von zwei näher genannten Grundstücken werde damit unmöglich gemacht, weshalb das subjektivöffentliche Recht der revisionswerbenden Partei verletzt würde. Des Weiteren sei von der mitbeteiligten Partei keine wie immer geartete zivilrechtliche Ausräumung der Dienstbarkeit erfolgt.

Begründend wies das Verwaltungsgericht vor allem darauf hin, dass es den insgesamt schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des genannten Sachverständigen folge. Die besagte öffentliche Eisenbahnkreuzung werde danach vor allem von Fußgängern, insbesondere Schulkindern, genutzt. Sie diene vor allem Letzteren als Abkürzung zu einer Bushaltestelle. Als nächste Möglichkeit zur Querung der Eisenbahn stehe eine näher bezeichnete Unterführung in einer Entfernung von 294 m zur Verfügung. Die sich aus der Auflassung der Eisenbahnkreuzung ergebende Mehrweglänge betrage diesbezüglich nur ca 340 m. Überdies sei beiderseits der Eisenbahnstrecke im Bereich der Eisenbahnkreuzung ein öffentliches Wegenetz vorhanden, sodass bei deren Auflassung alle Grundstücke beiderseits der Bahn (auch der Hauptplatz sowie die genannte Bushaltestelle) ohne großen Mehrweg erreichbar seien.

2. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art 133 Abs 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art 133 Abs 9 B-VG).

Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

3. Das Verwaltungsgericht hat mit der in Revision gezogenen Entscheidung die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Ergebnis nicht verlassen.

3.1. Zwar streicht die Revision zutreffend heraus, dass der Tatbestand der Anordnung zur Auflassung einer Eisenbahnkreuzung nach § 48 Abs 1 Z 2 EisbG (neben dem Antrag eines Eisenbahnunternehmens oder eines Trägers der Straßenbaulast) voraussetzt, dass das nach der Auflassung verbleibende oder in diesem Zusammenhang umzugestaltende Wegenetz (oder sonstige in diesem Zusammenhang durchzuführende Ersatzmaßnahmen) den Verkehrserfordernissen entspricht und die allenfalls erforderliche Umgestaltung des Wegenetzes oder die Durchführung von allfälligen Ersatzmaßnahmen den Verkehrsträgern (Eisenbahnunternehmen und Träger der Straßenbaulast) wirtschaftlich zumutbar sind. Damit das verbleibende oder umzugestaltende Wegenetz den Verkehrserfordernissen entspricht, muss für die Erfordernisse des Verkehrs auf der Straße vorgesorgt werden, also die Ersatzlösung den bestehenden Erfordernissen des Straßenverkehrs über die aufgelassene Eisenbahnkreuzung gerecht werden (vgl VwGH vom 26. Mai 2014, 2013/03/0133; VwGH vom 29. April 2015, 2013/03/0010). Entgegen der rechtlichen Stoßrichtung des Verwaltungsgerichts läuft § 48 Abs 1 Z 2 EisbG somit nicht darauf hinaus, dass es auf eine Abwägung zwischen Verkehrssicherungsinteressen und Interessen der Straßenbenützer den Interessen der Straßenbenützer an einem möglichst kurzen Wegenetz ankäme. Auf dem Boden des § 48 Abs 1 Z 2 EisbG ist die Frage der Verkehrssicherheit insofern nicht ident mit der Frage eines den Verkehrserfordernissen entsprechenden Wegenetzes.

3.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der genannten gesetzlichen Bestimmung bereits ausgesprochen hat, kommt der betroffenen Gemeinde kein Anspruch darauf zu, das bestehende Wegenetz samt den vorhandenen Eisenbahnkreuzungen oder möglichst kurze Verbindungen zwischen einzelnen Ortsteilen der Gemeinde zu erhalten. Nicht jede Veränderung der derzeitigen Verhältnisse, die zu längeren Verbindungen zwischen den durch die Bahnlinie getrennten Ortsteilen führt, steht somit der Auflassung der strittigen Eisenbahnkreuzung entgegen. Allerdings dürfen die lokalen Bedürfnisse an Verkehrsverbindungen nicht außer Acht gelassen werden und könnten unzumutbare Verschlechterungen des straßenverkehrstechnischen Anschlusses einzelner Ortsteile einer Gemeinde vom restlichen Gemeindegebiet und von jenseits der Bahnstrecke gelegener (Straßen)Infrastruktur dazu führen, dass von einem den Verkehrserfordernissen entsprechenden Wegenetz nach Auflassung einer Eisenbahnkreuzung nicht mehr auszugehen wäre (vgl das hg Erkenntnis vom 26. Mai 2014, 2013/03/0133; VwGH vom 18. Februar 2015, 2013/03/0156).

3.3. Das Verwaltungsgericht hat sich mit den Verkehrserfordernissen des Wegenetzes im Fall der Auflassung der gegenständlichen Eisenbahnkreuzung auseinandergesetzt und sich dabei auf das Gutachten des von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen gestützt. Die Schlüssigkeit und damit die Überzeugungskraft dieses Gutachtens wird durch das auch in der Revision erfolgende Vorbringen, die H-Gasse verfüge über keinen Gehsteig und weise Gegenverkehr auf, nicht erschüttert, zumal der Amtssachverständige nachvollziehbar auf die gegebene Ausleuchtung sowie die in dieser Gasse bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung (beides wurde nicht in Zweifel gezogen) hingewiesen hat. Entgegen der Revision setzt die Auflassung einer Eisenbahnkreuzung nach dem klaren Wortlaut des § 48 Abs 1 Z 2 EisbG nicht voraus, dass es an der Eisenbahnkreuzung bislang schon zu Unfällen gekommen wäre. Insoweit die Revision mit ihrem Vorbringen moniert, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen betreffend den Bedarf für den lokalen Straßenverkehr und den Durchzugsverkehr getroffen, ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Eisenbahnkreuzung unstrittig (im Wesentlichen) lediglich dem Fußgängerverkehr dient und solche Feststellungen daher im gegebenen Zusammenhang nicht erforderlich waren. Das Verwaltungsgericht hat im Revisionsfall die Voraussetzung "Erfüllung der Verkehrserfordernisse" iSd § 48 Abs 1 Z 2 EisbG bejaht, weshalb die Voraussetzung "wirtschaftliche Zumutbarkeit" nach dieser gesetzlichen Bestimmung gar nicht mehr in den Blick trat. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass mit der vorliegenden Auflassungsanordnung eine Entscheidung über das Bestehen oder den Umfang der von der revisionswerbenden Partei ins Treffen geführten Dienstbarkeit nicht getroffen wurde (vgl dazu VwGH vom 27. Mai 2010, 2009/03/0023). § 48 Abs 1 Z 2 EisbG setzt nach seinem klaren Wortlaut nicht voraus, dass eine auf diese Bestimmung gestützte Anordnung nur erlassen werden dürfte, wenn eine zivilrechtliche Ausräumung einer solchen Dienstbarkeit zuvor erfolgt oder sonst sichergestellt wäre.

4. In der Revision werden somit im Ergebnis keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die außerordentliche Revision war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 17. November 2015

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte