Normen
ABGB §863;
AVG §13 Abs1;
StVO 1960 §45 Abs2 idF 2011/I/034;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ABGB §863;
AVG §13 Abs1;
StVO 1960 §45 Abs2 idF 2011/I/034;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Aktenlage wurde der revisionswerbenden Partei seit 1994, letztmals bis 31. Jänner 2014, für einen in Wien im ersten Bezirk gelegenen Betrieb eine jeweils zwei Jahre gültige Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 2 StVO von der am Unternehmensstandort geltenden Kurzparkzonenregelung erteilt.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2013 hat der Magistrat der Stadt Wien der revisionswerbenden Partei Folgendes mitgeteilt (Fettdruck im Original):
"Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Wiener Stadtverwaltung erinnert Sie daran, dass Ihre
Parkkarte in Kürze ausläuft.
Wir möchten Ihnen den Erwerb der Parkkarte im bargeldlosen Verkehr erleichtern und übermitteln Ihnen hierfür Ihren Zahlschein. Aus verwaltungsökonomischen Gründen, insbesondere aber, um Ihnen Gebühren und einen organisatorischen Mehraufwand zu ersparen, schlagen wir Ihnen die maximale Verlängerungsdauer von zwei Jahren vor. Auch bei einer Verlängerung von zwei Jahren bleibt es Ihnen freigestellt, jederzeit vor Ablauf der Gültigkeitsdauer die Parkkarte zu retournieren. Eine allenfalls verbleibende Parkometerabgabe wird aliquot rückerstattet oder auf eine neue Parkkarte (bei einem gleichwertigen Fahrzeug-, Kennzeichen- oder Betriebsstandortwechsel) gutgeschrieben.
Sollten Sie dennoch eine kürzere Verlängerungsdauer wünschen, so zahlen Sie den Zahlschein bitte nicht ein, sondern kommen Sie zu den Öffnungszeiten (Mo bis Fr 8:00 - 12:00 Uhr) zu uns in die MA 65. Eine Pauschalierung der Parkometerabgabe ist nur für mindestens drei Monate möglich. Bedenken Sie bitte, dass die Parkometerabgabe nach Monaten berechnet wird, die Gebühren nach dem Gebührengesetz und die Verwaltungsabgabe jedoch bei jeder Antragstellung - somit auch bei jeder Verlängerung - anfallen.
Ihre Einzahlung mittels Originalzahlschein bzw. mit Telebanking (unter Angabe der Kundendaten) mindestens acht Wochen vor Ablauf Ihrer Parkkarte garantiert Ihnen den rechtzeitigen Erhalt der Neuen (Zeitlauf der Geldüberweisung, Kontrolle des Zahlungseinganges, Überprüfung der unveränderten Erfüllung der Antragsvoraussetzungen, Ausstellung des Bescheides und der Parkkarte sowie Zustellung derselben).
Sofern eine Änderung der Antragsgrundlagen eingetreten ist, zahlen Sie bitte nicht ein. Kommen Sie bitte mit den entsprechenden Unterlagen (z.B. der Kopie des Zulassungsscheines bei einer Änderung des Fahrzeuges oder des Kennzeichens) zu den Öffnungszeiten (Mo bis Fr 8:00 - 12:00 Uhr) in die MA 65.
Wenn Ihnen als ArbeitnehmerIn - z.B. aufgrund Ihrer Arbeitszeiten - die Ausnahmebewilligung erteilt wurde, ist es erforderlich, dass Sie uns (MA 65) parallel zur Einzahlung eine schriftliche Bestätigung Ihrer Arbeitgeberin bzw. Ihres Arbeitgebers über Ihre aktuellen Arbeitszeiten übermitteln.
Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass für eine zuverlässige und rasche Erledigung Ihre Daten zum Zweck der Ausstellung und Administrierung der von Ihnen gewünschten Genehmigung vom Magistrat der Stadt Wien automationsunterstützt verwendet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Magistratsabteilung 65 - Dezernat Parkraumbewirtschaftung"
Als Beilage zu diesem Schreiben findet sich eine als "Zahlschein für 'Pauschalierung Wirtschaft' 2 Jahre" überschriebene Aufschlüsselung des zu zahlenden Betrages von EUR 290,-- (Gebühr nach dem Gebührengesetz EUR 14,30, Parkometerabgabe EUR 240,--, Verwaltungsabgabe EUR 35,70, Gesamtsumme EUR 290,--) für den Verlängerungszeitraum vom 1. Februar 2014 bis 31. Jänner 2016 unter Anführung von Type und Kennzeichen des Pkws der revisionswerbenden Partei sowie eine diesen Daten entsprechend ausgefüllte Zahlungsanweisung.
Gemäß dieser Zahlungsweisung hat die revisionswerbende Partei am 18. Oktober 2013 den Betrag von EUR 290,-- auf das dort angegebene Konto eingezahlt.
Mit Bescheid vom 26. November 2013 hat der Magistrat der Stadt Wien den "Antrag der (revisionswerbenden Partei) vom 28. Oktober 2013 auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der im 1. Wiener Gemeindebezirk geltenden höchstzulässigen Parkdauer von zwei Stunden (Kurzparkzone) für das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen ..." gemäß § 45 Abs. 2 StVO abgewiesen.
Nach der Begründung habe die revisionswerbende Partei am 28. Oktober 2013 einen Antrag auf Verlängerung der Ausnahmegenehmigung gestellt, der mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abzuweisen gewesen sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung (in der Folge als Beschwerde behandelt) vertrat die revisionswerbende Partei unter anderem den Standpunkt, die Zahlung von EUR 290,-- könne im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 2. Oktober 2013 nicht als Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gewertet werden, ein Antrag sei nicht gestellt worden. Vielmehr sei auf Grund des Inhalts des Schreibens und der Zahlungsvorschreibung anzunehmen gewesen, dass die Bewilligung bereits erteilt worden und die Gebühr deshalb fällig geworden sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. August 2014 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien aufgehoben und die ordentliche Revision für unzulässig erklärt.
Nach der wesentlichen Begründung habe die revisionswerbende Partei keinen Antrag gestellt, sondern das Angebot des Magistrats der Stadt Wien auf Verlängerung der Parkkarte für zwei Jahre, das ihr in Form des Schreibens vom 2. Oktober 2013 zugegangen sei, durch Einzahlung des Betrages von EUR 290,-- angenommen. Das Schreiben vom 2. Oktober 2013 enthalte keinen Hinweis, dass die Einzahlung als Antrag zu werten sei. Erst mit Schreiben vom 19. November 2013 habe die revisionswerbende Partei einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gestellt. Die Behörde habe nach dem Spruch ihrer Entscheidung über einen nicht existenten Antrag vom 28. Oktober 2013 abgesprochen. Die Beschwerdesache werde durch den Spruch des angefochtenen Bescheides determiniert und es sei dem Verwaltungsgericht verwehrt, von sich aus über den Antrag vom 19. November 2013, der noch offen sei, abzusprechen.
Die Behandlung der gegen diesen Beschluss von der revisionswerbenden Partei beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde hat dieser mit Beschluss vom 19. Februar 2015, Zl. E 1317/2014-4, abgelehnt und die "Beschwerde" mit Beschluss vom 7. April 2015 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der daraufhin erhobenen Revision beantragte die revisionswerbende Partei die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der Magistrat der Stadt Wien hat die Revision beantwortet und ausgeführt, die gegenständliche Vorgangsweise werde seit Jahrzehnten praktiziert. Ferner wurde die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 45 StVO in der im Revisionsfall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 34/2011 lautet in den hier wesentlichen Teilen:
"(1) Die Behörde kann auf Antrag durch Bescheid die Benützung von Straßen mit einem Fahrzeug oder einer Ladung mit größeren als den zulässigen Maßen und Gewichten bewilligen, wenn das Vorhaben im besonderen Interesse der österreichischen Volkswirtschaft liegt, sich anders nicht durchführen läßt und keine erheblichen Erschwerungen des Verkehrs und keine wesentlichen Überlastungen der Straße verursacht. Antragsberechtigt sind der Fahrzeugbesitzer oder die Person, für welche die Beförderung durchgeführt werden soll. Liegt bereits eine entsprechende kraftfahrrechtliche Bewilligung vor, so ist eine Bewilligung nach diesem Absatz nicht erforderlich.
(2) In anderen als in Abs. 1 bezeichneten Fällen kann die Behörde Ausnahmen von Geboten oder Verboten, die für die Benützung der Straßen gelten, auf Antrag bewilligen, wenn ein erhebliches persönliches (wie zB auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert, oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und weder eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, noch wesentliche schädliche Einwirkungen auf die Bevölkerung oder die Umwelt durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe zu erwarten sind."
Für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 2 StVO bedarf es demnach eines Antrages.
Das Verwaltungsgericht hat den bei ihm angefochtenen Bescheid mit der wesentlichen Begründung aufgehoben, die revisionswerbende Partei habe keinen Antrag gestellt; die Einzahlung des Betrages von EUR 290,-- am 18. Oktober 2013 sei die Annahme des durch das Schreiben vom 2. Oktober 2013 gestellten Angebotes.
Zur Frage, ob im konkreten Fall ein Antrag vorliegt, ist die Revision zulässig und aus folgenden Gründen auch berechtigt:
Zunächst ist dem Verwaltungsgericht entgegen zu treten, wenn es meint, das Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom 2. Oktober 2013 sei ein Anbot auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gewesen, das durch die Einzahlung von EUR 290,-
- von der revisionswerbenden Partei angenommen worden sei.
Die Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 2 StVO wird nicht durch ein privatrechtliches Rechtsgeschäft, somit durch Angebot und Annahme erteilt, sondern durch einen hoheitlichen Akt in Form eines Bescheides, wozu es allerdings eines vorher gestellten Antrags bedarf.
Unstrittig hat die revisionswerbende Partei keinen ausdrücklichen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 2 StVO gestellt. Zu beantworten ist demnach die auf der Hand liegende Frage, ob durch die Einzahlung von EUR 290,--
ein solcher Antrag, der in der Folge abgewiesen wurde, schlüssig erklärt worden ist.
Gemäß § 13 AVG können, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden.
Nach der Rechtsprechung sind dann, wenn allgemeine Regelungen über die Wertung von Willenserklärungen in Verwaltungsvorschriften oder in den Verfahrensvorschriften nicht enthalten sind, zur Beantwortung dieser Frage die im ABGB normierten Grundsätze heranzuziehen. § 863 ABGB misst auch den bloß schlüssigen Willenserklärungen Erklärungswert bei. Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Erklärenden ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2007/11/0110, mwH).
Eine konkludente Zustimmung (stillschweigende, konkludente oder schlüssige Willenserklärung im Sinne des § 863 ABGB) liegt nur dann vor, wenn eine Handlung oder Unterlassung nach der Verkehrssitte und nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewille in einer bestimmten Richtung vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2010, Zl. 2009/05/0231, mwH).
Im Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom 2. Oktober 2013 wird darauf hingewiesen, dass nach Einzahlung von EUR 290,-- unter anderem die unveränderte Erfüllung der Antragsvoraussetzungen geprüft und sodann der Bescheid und die Parkkarte ausgestellt würden.
Dem Inhalt des Schreibens und der Beilage ist demnach zu entnehmen, dass das behördliche Verfahren zur Erteilung der von der revisionswerbenden Partei schon jahrelang genutzten Ausnahmebewilligung erst durch die Einzahlung von EUR 290,--, beginnt und mit Erlassung eines den Antrag erledigenden Bescheides und allenfalls mit der Ausstellung einer Parkkarte abgeschlossen ist.
Die revisionswerbende Partei hat der Behörde gegenüber nicht erklärt, mit der Einzahlung von EUR 290,-- die Erteilung der Ausnahmebewilligung nicht anzustreben, weshalb für den Magistrat der Stadt Wien kein vernünftiger Grund bestehen konnte, daran zu zweifeln, die Einzahlung von EUR 290,-- durch die revisionswerbende Partei so zu verstehen, dass damit ein solcher Antrag - schlüssig - gestellt worden ist, was schließlich auch zur Einleitung des entsprechenden Verfahrens führte. Die noch in der Berufung vertretene Ansicht, sie habe keinen Antrag gestellt, vertritt die revisionswerbende Partei in der Revision nicht mehr.
Ohne Belang für dieses Ergebnis ist dabei die Datierung des Antrags mit 28. Oktober 2013 im Spruch des Bescheides vom 26. November 2013, weil sowohl das Verwaltungsgericht als auch die revisionswerbende Partei davon ausgegangen sind, dass es sich bei dem auf Grund des "Antrags vom 28. Oktober 2013" begonnenen Verfahrens um das durch die Zahlung von EUR 290,-- ausgelöste handelt.
Indem die belangte Behörde verkannte, dass dem von ihr beanstandeten Verfahren des Magistrats der Stadt Wien ein Antrag zu Grunde lag, hat sie ihr Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 11. September 2015
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