VwGH Ra 2014/22/0092

VwGHRa 2014/22/009226.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Lehner, in der Revisionssache der M, vertreten durch Mag. Banu Kurtulan, Rechtsanwältin in 1020 Wien, Praterstraße 66/4/41, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 22. Juli 2014, Zl. LVwG-AB-14-0196, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs2 idF 2008/I/005;
AVG §13 Abs5 idF 2008/I/005;
AVG §33 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs4;
VwGG §62;
VwRallg;
AVG §13 Abs2 idF 2008/I/005;
AVG §13 Abs5 idF 2008/I/005;
AVG §33 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs4;
VwGG §62;
VwRallg;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich wurde der Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 1. August 2013, mit dem der Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" abgewiesen worden war, keine Folge gegeben. Weiters erklärte das Verwaltungsgericht Niederösterreich die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis für unzulässig.

Innerhalb der Revisionsfrist stellte die Revisionswerberin, vertreten durch die auch im gegenständlichen Verfahren als Vertreterin ausgewiesene Rechtsanwältin, beim Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Revision.

Mit hg. Beschluss vom 18. September 2014 wurde der Antrag auf Verfahrenshilfe abgewiesen. Dieser Beschluss wurde der Rechtsvertreterin gemäß dem im Akt befindlichen Rückschein am 1. Oktober 2014 zugestellt.

Am 12. November 2014 um 17.26 Uhr (und somit außerhalb der mit Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Niederösterreich bekannt gemachten Amtsstunden) wurde beim Landesverwaltungsgericht die gegenständliche außerordentliche Revision per Telefax eingebracht.

Unter Hinweis darauf, dass die Erhebung der Revision am 12. November 2014 nach Ende der Amtsstunden gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz und Abs. 3 VwGG verspätet wäre, wurde der Revisionswerberin die Möglichkeit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 teilte die Revisionswerberin im Wesentlichen mit, dass die auf der Internetseite des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich kundgemachte Einschränkung der Einbringungsmöglichkeit nicht klar formuliert sei. Unter Punkt 2. sei die Einbringungsmöglichkeit per Telefax und unter Punkt 3. sei die Einbringungsmöglichkeit per E-Mail angeführt. Darunter sei darauf hingewiesen worden, dass schriftliche Anbringen nur während der Amtsstunden entgegengenommen und Empfangsgeräte nur während der Amtsstunden empfangsbereit gehalten würden.

Ob sich diese Einschränkung auf alle schriftlichen Einbringungsmöglichkeiten beziehe oder lediglich auf die Einbringung per E-Mail, lasse sich der Internetseite nicht entnehmen. Sie könne im Hinblick auf § 33 Abs. 3 AVG nicht auf alle schriftlichen Einbringungen angewendet werden. Würde man diese Einschränkung nämlich auf alle schriftlichen Einbringungsmöglichkeiten anwenden, würde ein Anbringen, welches innerhalb der Frist bei der Post abgegeben werde, jedoch nach Ende der Frist beim Landesverwaltungsgericht einlange, als verspätet gelten. Dies sei sicherlich nicht im Sinne des Gesetzes.

Darüber hinaus sei der Schriftsatz beim Landesverwaltungsgericht tatsächlich eingelangt und es sei das Empfangsgerät auch empfangsbereit gewesen.

In eventu stellte die Revisionswerberin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der außerordentlichen Revision und führte hiezu im Wesentlichen aus, auf Grund der angeführten unklaren Formulierung auf der Internetseite des Landesverwaltungsgerichtes und der Übertragungsbestätigung am 12. November 2014 um 17.30 Uhr sei für die Revisionswerberin nicht erkennbar gewesen, dass die außerordentliche Revision verspätet eingebracht worden sei. Allenfalls handle es sich um einen minderen Grad des Versehens.

§ 26 und § 46 VwGG lauten auszugsweise:

"§ 26. ...

(3) Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61), so beginnt für sie die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, so beginnt die Revisionsfrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei.

..."

"§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

...

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

...

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden.

..."

Der vorliegend (gemäß § 62 VwGG) anzuwendende § 13 AVG lautet

auszugsweise wie folgt:

"§ 13. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. ...

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

...

(5) Die Behörde ist nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

..."

Die Erläuterungen zur inhaltlichen Neufassung dieser Bestimmung durch die Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 (RV 294 BlgNR XXIII. GP , 11) führen dazu u.a. aus, dass die Behörde ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden durch entsprechende Erklärungen mit der Wirkung zum Ausdruck bringen kann, dass elektronische Anbringen auch dann, wenn sie an sich bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht (und eingelangt) gelten.

Der Präsident des Verwaltungsgerichtes Niederösterreich hat eine dementsprechende "Kundmachung nach § 13 Abs. 2 und 5 AVG" erlassen und im Internet (auf der Homepage des Verwaltungsgerichtes Niederösterreich unter "Einbringungsmöglichkeiten") bekanntgemacht. Darin wird unter Punkt 1. festgelegt, dass für die Einbringung von schriftlichen Anbringen per Post nur bestimmte, näher bezeichnete Adressen zur Verfügung stehen. Weiters wird festgehalten, dass schriftliche Anbringen per Telefax nur unter einer angeführten Nummer zulässig sind (unter Punkt 2.) und per E-Mail rechtswirksam ausschließlich an bestimmte Mailadressen des Verwaltungsgerichtes (unter Punkt 3.) übermittelt werden können. Schließlich wird festgehalten:

"Schriftliche Anbringen werden nur während der Amtsstunden entgegengenommen und Empfangsgeräte nur während der Amtsstunden empfangsbereit gehalten."

Die Amtsstunden werden (soweit vorliegend maßgeblich) mit "Montag, Mittwoch und Donnerstag: 7.30 Uhr - 15.30 Uhr" festgelegt.

Im vorliegenden Fall liegt eine Kundmachung betreffend organisatorische Beschränkungen im Sinn des § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG vor (siehe zur Zulässigkeit auch einer Beschränkung der Wirksamkeit der Einbringung von Anbringen außerhalb der Amtsstunden das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2012, 2012/08/0102). Angesichts des uneingeschränkten Wortlautes dieser Kundmachung, die von der rechtswirksamen Einbringung und Entgegennahme von "schriftlichen Anbringen" schlechthin spricht, ist davon auszugehen, dass davon auch die Einbringung von Revisionen beim Verwaltungsgericht Niederösterreich erfasst ist.

Weiters ergibt sich aus der Formulierung der Kundmachung, dass sämtliche Anbringen, also auch per E-Mail und per Telefax eingebrachte, nur während der Amtsstunden entgegengenommen werden. Das von der Revisionswerberin angeführte Postlaufprivileg gemäß § 33 Abs. 3 AVG für Anbringen, die einem Zustelldienst zur Übermittlung übergeben werden, gilt nicht für die elektronische Übermittlung von schriftlichen Anbringen.

Soweit die Revisionswerberin darauf verweist, dass das Verwaltungsgericht Niederösterreich am 12. November 2014 nach Ende der Amtsstunden die Empfangsgeräte empfangsbereit gehalten hat und die Revision am 12. November 2014 beim Verwaltungsgericht auch tatsächlich eingelangt ist, ist ihr entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht die mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme von Anbringen, die außerhalb der Amtsstunden tatsächlich in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, im Sinne des § 13 Abs. 2 und Abs. 5 AVG hinreichend zum Ausdruck gebracht hat. Daran ändert auch nichts, dass in der Kundmachung ausgeführt ist, dass die Empfangsgeräte außerhalb der Amtsstunden nicht bereitgehalten werden, zielt doch § 13 Abs. 2 iVm Abs. 5 AVG unter Berücksichtigung der hiezu vom Gesetzgeber gegebenen Erläuterungen darauf ab, den organisationsrechtlichen Beschränkungen auch die verfahrensrechtliche Wirkung (im Sinn der Festlegung, wann ein Anbringen als eingebracht gilt und damit eine Frist gewahrt ist) zuzumessen.

Ausgehend davon ist die vorliegende Revision - ungeachtet dessen, dass sie am letzten Tag der Frist, allerdings außerhalb der Amtsstunden, in den elektronischen Verfügungsbereich des Verwaltungsgerichtes Niederösterreich gelangt ist - als erst am 13. November 2014 eingebracht und somit als verspätet anzusehen.

Zu dem sich demnach als zulässig erweisenden Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsfrist ist auszuführen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei trifft, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. den hg. Beschluss vom 15. Juli 2014, Ro 2014/02/0024). Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Mai 2014, 2014/02/0034).

Da das Verwaltungsgericht gemäß den obigen Ausführungen hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat, dass schriftliche Anbringen nur während der Amtsstunden entgegengenommen werden, hätte die Parteienvertreterin nicht darauf vertrauen dürfen, dass bei tatsächlichem Einlangen der Revision beim Verwaltungsgericht außerhalb der Amtsstunden das Anbringen auch als rechtzeitig eingebracht gelte.

Dass der Revisionswerberin an der Versäumung der Revisionsfrist kein Verschulden oder ein lediglich minderer Grad des Versehens anzulasten ist, wurde daher mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan.

Dieser war somit gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Die Revision war dementsprechend gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 26. Februar 2015

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