VwGH Ra 2014/22/0025

VwGHRa 2014/22/002526.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, den Hofrat Dr. Robl und die Hofrätin Mag.a Merl als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Lehner, über die Revision des V in Wien, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16. Mai 2014, VGW-151/081/20297/2014- 19, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §81 Abs26 idF 2013/I/068;
VwGG §42 Abs2 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §81 Abs26 idF 2013/I/068;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom 27. Dezember 2012 auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber halte sich nach seiner Einreise mit einem Touristenvisum im Jahr 2003 seit fast elf Jahren unrechtmäßig in Österreich auf; seit 2005 sei er bei einer Gebäudereinigungsfirma im Ausmaß von 20 Wochenstunden mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. EUR 746,25 beschäftigt. Aufgrund seiner seit über acht Jahren andauernden Berufstätigkeit sei er grundsätzlich beruflich integriert. Allerdings verfüge er derzeit noch über kein Einkommen, das dem Mindeststandard einer alleinstehenden Person nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz entspreche. Dass der Revisionswerber auf Grund eines arbeitsrechtlichen Vorvertrages seines Arbeitgebers nach Erteilung eines Aufenthaltstitels einer Vollbeschäftigung nachgehen könne, führe zu keiner entscheidungswesentlichen Aufenthaltsverfestigung. Er verfüge zwar über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, allerdings weise er in Österreich kein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK auf; in Österreich lebten lediglich zwei Cousinen und ein Cousin. Wenn er auch wenig Kontakt zu seiner in Serbien lebenden Mutter habe, so ergebe sich daraus trotz allem eine gewisse Bindung zu seinem Heimatstaat. Darüber hinaus wohne der Revisionswerber derzeit unentgeltlich bei seiner Cousine und weise keinen Rechtsanspruch auf eine eigene Unterkunft in ortsüblicher Größe auf. Aus der Anmeldung zu einem Deutsch-Intensivkurs und der Ablegung des Sprachdiploms auf Niveau A1 sei zwar ein gewisser Integrationswille erkennbar, allerdings sei die Anmeldung zu dem Intensivkurs erst drei Monate vor der Antragstellung erfolgt. Insgesamt weise das in Österreich entfaltete Privat- und Familienleben nicht eine solche Intensität auf, dass das persönliche Interesse stärker zu gewichten wäre als das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen.

Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten sowie einer am 10. Dezember 2014 eingelangten Revisionsbeantwortung des Landeshauptmannes von Wien in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 81 Abs. 26 NAG in der am 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 sind u.a. alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Bundesminister für Inneres anhängigen Berufungsverfahren nach diesem Bundesgesetz ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Die Erteilung des vom Revisionswerber begehrten Aufenthaltstitels nach § 41a Abs. 9 NAG setzt unter anderem voraus, dass dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. November 2014, Zl. 2013/22/0270 und vom 9. September 2014, Zl. 2013/22/0247).

Im vorliegenden Fall hält sich der Revisionswerber seit seiner Einreise am 29. Juni 2003 im Bundesgebiet auf und befand sich somit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses (22. Mai 2014) zehn Jahre und beinahe elf Monate in Österreich. Das Verwaltungsgericht billigte dem Revisionswerber aufgrund seiner seit 2005 ununterbrochenen Erwerbstätigkeit ausdrücklich eine berufliche sowie eine soziale Integration zu. Weiters legte der Revisionswerber ein Sprachzertifikat und einen Vorvertrag vor, auf Grund dessen die Deckung seines Lebensunterhaltes als gesichert anzusehen wäre. Angesichts dessen kann - worauf die Revision zutreffend hinwies - nicht gesagt werden, dass der Revisionswerber die Zeit seines beinahe elfjährigen Aufenthaltes überhaupt nicht genutzt hätte, um sich zu integrieren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 2014, 2013/22/0270, mwN).

Sohin war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Februar 2015

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