VwGH Ro 2014/11/0095

VwGHRo 2014/11/009515.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des Mag. N T in P, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 23. Mai 2014, Zl. LVwG-300084/2/Wim/BU/JW, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §914;
AZG §7 Abs4;
AZG §7 Abs4a Z1;
AZG §7 Abs4a;
AZG §7 Abs6a;
VwRallg;
ABGB §914;
AZG §7 Abs4;
AZG §7 Abs4a Z1;
AZG §7 Abs4a;
AZG §7 Abs6a;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 15. März 2013 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe als zur Vertretung nach Außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlicher Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Arbeitgeberin X GmbH (im Folgenden: X GmbH) mit näher genanntem Sitz Übertretungen des § 9 Abs. 1 iVm. § 28 Abs. 2 Z. 1 des Arbeitszeitgesetzes (AZG) zu verantworten, weil insgesamt 11 näher genannte Arbeitnehmer in näher umschriebenen Zeiträumen (zum überwiegenden Teil an mehr als einem Tag) über die zulässige Tages- bzw. Wochenarbeitszeit hinaus beschäftigt worden seien (die einzelnen Tage der Überschreitungen sind für jeden Arbeitnehmer in einem eigenen Punkt zusammengefasst). Über den Revisionswerber wurde für jede Übertretung eine Geldstrafe, und zwar zwischen EUR 72,-- und EUR 200,-- insgesamt EUR 1.132,-- (im Nichteinbringungsfall entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Unter einem wurde der Revisionswerber zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages verpflichtet.

1.2. Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung (ab 1. Jänner 2014: Beschwerde) wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 23. Mai 2014 unter Spruchpunkt I. gemäß § 50 VwGVG abgewiesen. Unter Spruchpunkt II. wurde der Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens verpflichtet. Unter Spruchpunkt III. wurde die Revision gemäß § 25a VwGG für zulässig erklärt.

1.2.1. Das Verwaltungsgericht stützte seine Entscheidung auf folgende Sachverhaltsannahmen:

Der Revisionswerber sei seit dem Jahr 1999 handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer der X GmbH. Er habe zu seinen persönlichen Verhältnissen keine weiteren Angaben zu den Ausführungen der Behörde gemacht. Er weise eine einschlägige Verwaltungsvorstrafe wegen Übertretung des AZG auf. Das Unternehmen habe 26 Filialen und rund 500 Mitarbeiter, aber keinen Betriebsrat. Die im "erstinstanzlichen" Spruch angeführten Gartencenter-Mitarbeiter/innen seien an den angeführten Tagen bzw. Kalenderwochen (von April bis Juni 2012) zu den dort zeitlich angegebenen Arbeitsleistungen herangezogen worden. Gerade in den Monaten März bis Juni würden rund 50% des Jahresumsatzes erwirtschaftet und davon wiederum zumindest 50% mit so genannter "lebender Ware" (Pflanzenverkauf). Gerade diese "lebende Ware" habe spezielle Ansprüche an Pflege und Lagerbedingungen und erfordere oft einen kurzfristigen Arbeitseinsatz, zB. bei extremen Witterungsverhältnissen oder Neuanlieferungen. Aufgrund früher ergangener rechtskräftiger Bestrafungen wegen gleichartiger Verwaltungsübertretungen nach dem AZG seien mit den Mitarbeitern Zusatzvereinbarungen zu bestehenden Arbeitsverträgen bzw. bei neuen Arbeitsverträgen standardmäßig für alle Mitarbeiter unabhängig von ihrer Verwendung eine Vereinbarung mit nachstehendem Inhalt geschlossen worden:

"Bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf (Saison, Inventur, ...) kann die Höchstarbeitszeit für 24 Wochen (3x8 Wochen) je Kalenderjahr auf 60 Stunden pro Woche bzw. 12 Stunden pro Tag ausgeweitet werden."

Die festgestellten Arbeitszeitüberschreitungen lägen mit zwei Ausnahmen bei der Tagesarbeitszeit (diese betreffen die im Straferkenntnis der belangten Behörde unter Punkt 1. zusammengefassten Arbeitszeiten der Arbeitnehmerin K.A., wo für den 27. April 2012 eine Arbeitszeit von 12 Stunden 29 Minuten ausgewiesen ist, sowie die unter Punkt. 5. zusammengefassten Arbeitszeiten der Arbeitnehmerin G.S., wo für den 4. Juni 2012 eine Arbeitszeit von 12 Stunden und 20 Minuten ausgewiesen ist) im vereinbarten Rahmen. Für sämtliche Mitarbeiter hätten im Zeitraum der Übertretungen bereits die oben dargestellten Vereinbarungen bestanden, es existiere auch eine Feststellung der arbeitsmedizinischen Unbedenklichkeit der zusätzlichen Überstunden.

Vor Abschluss der obigen Vereinbarungen sei keine externe Beratung in Anspruch genommen worden. Im Betrieb würden regelmäßig Schulungen für Niederlassungsleiter und Mitarbeiter durchgeführt, in denen auch auf die Vorschriften des AZG eingegangen werde.

1.2.2. Rechtlich führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus:

Die beanstandeten Arbeitszeiten stünden außer Streit. Fraglich sei nur, ob sie durch die vorliegenden Vereinbarungen (zumindest bis auf die beiden darüber hinaus erfolgten Überschreitungen) gedeckt seien.

Dazu habe sich für das Verwaltungsgericht ergeben, dass es bezüglich der eingesetzten Gartencenter-Mitarbeiter durchaus speziell in den angeführten Saisonzeiten zu einem vorübergehend auftretenden besonderen Arbeitsbedarf zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteiles kommen könne, da eben gerade die verwendete lebende Ware oft einen kurzfristig erforderlichen Arbeitseinsatz notwendig mache, der zumindest nicht immer durch kurzfristig verfügbare Aushilfen abgedeckt werden könne. Dass bei Nichtausführen dieser Arbeiten auch ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Nachteil durch Vernichtung der Pflanzen, mit deren Verkauf ein wesentlicher Umsatz gemacht werde, entstehen könne, sei ebenfalls nachvollziehbar.

Somit sei entscheidend, ob durch die entsprechende Klausel der oben angeführten Vereinbarung eine rechtsgültige Ausnahmeregelung geschaffen worden sei. Das AZG verlange dazu in § 7 Abs. 4a Z. 1, dass diese Überstunden im Einzelfall schriftlich vereinbart werden. In allen einschlägigen Kommentaren werde ausgeführt, dass es sich dabei um Einzelvereinbarungen handeln müsse.

Nach Wiedergabe von Auszügen aus einschlägigen Kommentaren (Schrank, Arbeitszeitgesetze (2007), Bd. 1 Rz 45 zu § 7; Grillberger, Arbeitszeitgesetze 2011 Rz 21 zu § 7) führte das Verwaltungsgericht aus, der konkrete Inhalt der Vereinbarung erweise sich in jedem Fall als zu pauschal gefasst. Es erfolge keine genaue zeitliche Abgrenzung, weil nur in einem Klammerausdruck zur näheren Konkretisierung die Worte "Saison, Inventur" angeführt seien, wobei "Saison" noch "relativ eingrenzbar" wäre, "Inventur" und offensichtlich durch die drei Punkte angedeutete Erweiterungen aber zeitlich "sehr bzw. sogar absolut" unbestimmt seien.

Für diese Einschätzung spreche auch, dass in der betrieblichen Praxis diese Formulierung nunmehr in den Dienstverträgen mit allen Mitarbeitern (auch solchen, die nicht im Gartencenter und mit der "lebenden Ware" befasst seien) aufgenommen würde und damit diese Blanko-Vorausvereinbarung als Generalklausel im Dienstvertrag nicht ausreichen könne.

Mangels einer den Vorschriften des AZG entsprechenden Vereinbarung sei somit der objektive Tatbestand der Arbeitszeitüberschreitung des § 9 Abs. 1 AZG als erfüllt anzusehen. Da keine gültige Ausnahmeregelung zustande gekommen sei, sei auch eine Zitierung des § 9 Abs. 2 allenfalls iVm. § 7 obsolet und stelle keinen Spruchmangel im Sinne des § 44a VStG dar.

Hinsichtlich des Verschuldens sei zunächst auf die Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Straferkenntnis zu verweisen. Indem vor Vereinbarung der Klausel über die Arbeitszeitausdehnung keine externe Beratung, insbesondere keine Anfrage beim Arbeitsinspektorat eingeholt worden sei, könne sich der Beschwerdeführer auch nicht auf eine entschuldigende Wirkung der unzureichenden Vereinbarungen stützen und müsse sich die Übertretung auch subjektiv im Rahmen einer nach § 5 Abs. 1 VStG anzunehmenden Fahrlässigkeit zurechnen lassen. Ein besonderes betriebliches Kontroll- und Sanktionssystem, das über die zum Teil schon vorgegebenen gesetzlichen Anforderungen hinausgehe, werde überdies nicht dargelegt, und es hätte, gerade nachdem es bereits eine einschlägige vergleichbare Verwaltungsvorstrafe gegeben habe, hier ein besonderer Sorgfaltsmaßstab angelegt werden müssen. Umso weniger fänden sich Anzeichen für die Annahme eines besonders geringen Verschuldens.

2.1. Dagegen richtet sich vorliegende Revision.

2.2. Das Verwaltungsgericht legte die Akten des Verfahrens vor. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

1.1. Das Arbeitszeitgesetz (AZG) idF. BGBl. I Nr. 71/2013 lautet (auszugsweise):

"Verlängerung der Arbeitszeit bei Vorliegen eines höheren Arbeitsbedarfes

§ 7.

...

(4) Bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf können zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils durch Betriebsvereinbarung, die den zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie dem zuständigen Arbeitsinspektorat zu übermitteln ist, in höchstens 24 Wochen des Kalenderjahres Überstunden bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden zugelassen werden, wenn andere Maßnahmen nicht zumutbar sind. Wurde die Arbeitszeit in acht aufeinander folgenden Wochen nach dieser Bestimmung verlängert, sind solche Überstunden in den beiden folgenden Wochen unzulässig. Die Tagesarbeitszeit darf zwölf Stunden nicht überschreiten.

(4a) In Betrieben, in denen kein Betriebsrat errichtet ist, sind Überstunden nach Abs. 4 zulässig, wenn

1. diese zusätzlichen Überstunden im Einzelfall schriftlich vereinbart wurden und

2. die arbeitsmedizinische Unbedenklichkeit dieser zusätzlichen Überstunden für die betreffenden Tätigkeiten durch einen Arbeitsmediziner festgestellt wurde. Auf Verlangen der Mehrheit der betroffenen Arbeitnehmer ist ein weiterer, einvernehmlich bestellter Arbeitsmediziner zu befassen. Dieses Verlangen ist binnen fünf Arbeitstagen ab Mitteilung des Ergebnisses der vom Arbeitgeber veranlassten Prüfung zu stellen. Die arbeitsmedizinische Unbedenklichkeit ist nur gegeben, wenn beide Arbeitsmediziner dies bestätigen.

...

(6a) Arbeitnehmer können Überstunden nach Abs. 4a oder Abs. 6 zweiter Satz ablehnen. Sie dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung.

...

Höchstgrenzen der Arbeitszeit

§ 9. (1) Die Tagesarbeitszeit darf zehn Stunden und die Wochenarbeitszeit 50 Stunden nicht überschreiten, sofern die Abs. 2 bis 4 nicht anderes bestimmen. Diese Höchstgrenzen der Arbeitszeit dürfen auch beim Zusammentreffen einer anderen Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit mit Arbeitszeitverlängerungen nicht überschritten werden.

...

Strafbestimmungen

§ 28. (1) ...

(2) Arbeitgeber, die

1. Arbeitnehmer über die Höchstgrenzen der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 2, § 7, § 8 Abs. 1, 2 oder 4, § 9, § 12a Abs. 5, § 18 Abs. 2 oder 3, § 19a Abs. 2 oder 6 oder § 20a Abs. 2 Z 1 hinaus einsetzen;

...

sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 1 815 Euro, im Wiederholungsfall von 145 Euro bis 1 815 Euro zu bestrafen.

..."

1.2.1. Die Materialien (IA 408/A NR 20. GP) zu § 7 Abs. 4 AZG idF. der Novelle BGBl. I Nr. 46/1997 lauten (auszugsweise):

"Zu Z 7 bis 9 (§ 7 Abs. 2 bis 6):

§ 9 Abs. 2 sieht zur Erfüllung der EU - RL eine durchschnittliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vor. Arbeitszeiten von 50 und mehr Stunden nach Abs. 1 bis 4 sind daher nur in einzelnen Wochen zulässig. Die bisher in Abs. 2 enthaltene Sonderregelung für Lenker wird in § 14 übernommen. Abs. 3 läßt analog zum bisherigen Recht bei Arbeitsbereitschaft eine Arbeitszeitverlängerung durch Überstunden zu, und zwar unter den Bedingungen des § 5 Abs. 1 und 2. Dies betrifft sowohl die Frage, in welchen Fällen eine Regelung durch Betriebsvereinbarung zulässig ist als auch die Bedingung. daß in die Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitbereitschaft fallen muß. Der bisherige Abs. 4 wurde eingebaut. Abs. 4 berücksichtigt arbeitsintensive Aufträge, deren verspätete Erfüllung einen großen wirtschaftlichen Nachteil zur Folge hätte (z.B. Pönale, Entgang von Folgeaufträgen). Andere Maßnahmen sind z.B. zumutbar, wenn zusätzliche Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt vorhanden und längere Einschulungen nicht erforderlich sind. Bei Zulassung durch Betriebsvereinbarung kann davon ausgegangen werden, daß der Betriebsrat einer Arbeitszeitverlängerung gemäß Abs. 3 nur zustimmt, wenn tatsächlich entsprechende Gründe vorliegen. Um eine Kontrolle zu ermöglichen, ist die Übermittlung dieser Betriebsvereinbarung an die zuständigen Kollektivvertragspartner und das Arbeitsinspektorat vorgesehen. Eine einzelvertragliche Zulassung würde aufwendige Verwaltungsverfahren durch die Arbeitsinspektion notwendig machen. Solche Arbeitszeitverlängerungen sind nur vorübergehend zulässig, z.B. für die Dauer der Bearbeitung eines dringenden Auftrags. Keinesfalls darf dies eine Dauerlösung darstellen.

..."

1.2.2. Die Materialien (RV 141 23. GP) zu § 7 Abs. 4a AZG idF. der Novelle BGBl. I Nr. 61/2007 lauten (auszugsweise):

"Zu § 7 Abs. 4 und 4a:

Bisher war es bei Bestehen eines erhöhten Arbeitsbedarfes möglich, in bis zu zwölf aufeinander folgenden Wochen pro Jahr die Wochenarbeitszeit auf 60 und die Tagesarbeitszeit auf zwölf Stunden (jeweils einschließlich Überstunden) zu erhöhen (Abs. 4). Diese Regelung wird nunmehr auf 24 Wochen pro Jahr ausgeweitet, allerdings wird im Sinne eines erhöhten Gesundheitsschutzes die Zahl der zulässigerweise aufeinander folgen den Wochen auf acht reduziert. Spätestens nach acht Wochen mit solcher Überstundenarbeit sind zwei Wochen "Pause" einzuhalten, in der zusätzliche Überstunden nach dieser Bestimmung unzulässig sind.

Im Sinne einer "Stärkung der betrieblichen Ebene" soll es derartige Arbeitszeitverlängerungen wegen erhöhten Arbeitsbedarfs künftig auch in betriebsratslosen Betrieben im Wege von Einzelvereinbarungen geben, um auch Kleinbetrieben diese Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen. Damit die Arbeitnehmer/innen in derartigen betriebsratslosen Betrieben vor Überforderung geschützt werden, sieht das Gesetz in einem neuen Abs. 4a sowohl das Gebot der Schriftlichkeit für derartige Vereinbarungen als auch eine verpflichtende Feststellung der arbeitsmedizinischen Unbedenklichkeit einer solchen Arbeitszeitverlängerung vor (vergleiche dazu auch § 4a Abs. 4 des Entwurfs sowie § 5a des geltenden Rechts). Ebenso wird ein Benachteiligungsverbot für jene Arbeitnehmer/innen geschaffen, die die Leistung von zusätzlichen Überstunden in diesen Fällen ablehnen (Abs. 6a)

..."

2. Die Revision ist zulässig, weil es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage gibt, unter welchen Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 4 und 4a AZG bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils zusätzliche Überstunden im Einzelfall als schriftlich vereinbart gelten.

3. Die Revision ist - im Ergebnis - auch begründet.

3.1. Zusammengefasst führt sie Folgendes aus:

Das AZG fordere nicht, dass der besondere Arbeitsbedarf kurzfristig eintreten müsse, um "Überstundenvereinbarungen" gemäß § 7 Abs. 4a AZG abzuschließen, er müsse bloß ein vorübergehend auftretender sein. Der im Zeitraum März bis Juni bei der X GmbH vorliegende besondere Arbeitsbedarf sei somit durchaus als ein bloß vorübergehender zu verstehen. Der Umstand, dass dieser Arbeitsbedarf von Vornherein bekannt sei, ändere nichts daran.

Die Gesetzesmaterialien erblickten den Schutzzweck des § 7 Abs. 4 und 4a AZG insbesondere in erhöhtem Gesundheitsschutz. Diesem sei Rechnung getragen worden, weil von der X GmbH eine detaillierte arbeitsmedizinische Unbedenklichkeitsbescheinigung eingeholt und vorgelegt worden sei. Dem Vorwurf, dass in den gegenständlichen Einzelvereinbarungen kein genauer Zeitraum angegeben werde, sei insofern entgegen zu treten, als die Vereinbarungen sehr wohl einen Zeitraum, nämlich die Saison, nennten. Sowohl die X GmbH als auch die betreffenden Arbeitnehmer wüssten jedenfalls, dass die Saison in die Monate März bis Juni, somit in die umsatzstärkste Zeit, falle. Daher werde unter der Formulierung "Saison" von den Vertragsparteien durchaus der Zeitraum März bis Juni verstanden. Bei der Auslegung von Verträgen sei nicht an den buchstäblichen Sinn der Formulierung anzuknüpfen, sondern es sei primär die Absicht der Parteien maßgeblich. Sämtlichen Vertragsparteien sei stets klar gewesen, dass es zu Zeiten der Saison zu vermehrten Arbeitseinsätzen kommen würde, die ihrerseits lediglich Gartencentermitarbeiter betreffen würden. Das gegenständliche Strafverfahren betreffe auch lediglich Mitarbeiter des Gartencenters in der Saisonzeit. Es lägen folglich keine unwirksamen Blanko-Vorausvereinbarungen vor.

Damit wird im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt.

3.2.1. Die Zulässigkeit der Heranziehung zur Leistung von Überstunden gemäß § 7 Abs. 4 und 4a AZG in einem Betrieb, in dem - wie bei der X GmbH - kein Betriebsrat errichtet ist, setzt voraus, dass folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

Erstens muss ein vorübergehend auftretender besonderer Arbeitsbedarf zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils bestehen, und andere Maßnahmen dürfen nicht zumutbar sein (so § 7 Abs. 4 erster Satz AZG). Zweitens müssen zusätzliche Überstunden im Einzelfall schriftlich vereinbart worden sein (so § 7 Abs. 4a Z. 1 AZG). Drittens muss die arbeitsmedizinische Unbedenklichkeit dieser zusätzlichen Überstunden für die betreffenden Tätigkeiten durch einen Arbeitsmediziner festgestellt worden sein (so § 7 Abs. 4a Z. 2 AZG).

3.2.2. Wie sich aus dem Wortlaut und den unter Punkt 1.2.2. wiedergegebenen Materialien ergibt, muss eine solche Vereinbarung, wie sie in § 7 Abs. 4a Z. 1 AZG verlangt wird, im Vorhinein (also vor Leistung der Überstunden) abgeschlossen werden.

Im Revisionsfall ist ausschließlich die Überstundenleistung für die "Saison" 2012 zu beurteilen.

3.2.3. Zu den im bestätigten Straferkenntnis unter den Punkten 1., 3., 4., 5., 6., 7., 8., 9. und 11. angenommenen Verwaltungsübertretungen ist Folgendes auszuführen:

3.2.3.1. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes ist zu entnehmen, dass es das Vorliegen eines bei der X GmbH vorübergehend auftretenden besonderen Arbeitsbedarfs zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteiles an den im Straferkenntnis beanstandeten Tagen bzw. Kalenderwochen als gegeben ansieht. Zur weiteren Voraussetzung, ob im vorliegenden Fall andere Maßnahmen zumutbar gewesen wären, finden sich in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses keine konkreten Feststellungen, die eine verneinende rechtliche Beurteilung tragen. Das Verwaltungsgericht kommt unabhängig davon zum Ergebnis, dass eine rechtswirksame Vereinbarung iSd § 7 Abs. 4a Z. 1 AZG mit den betroffenen Arbeitnehmer schon deshalb nicht zustande gekommen sei, weil es an der Konkretheit der in Rede stehenden Vereinbarung mangelt. Nähere Feststellungen, was etwa Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Abschluss der Vereinbarung unter "Saison" verstanden hätten oder welche weiteren bzw. vermehrten Tätigkeiten durch die vereinbarten Überstunden anfallen würden, fehlen.

Allein auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht getroffen Feststellungen ist jedoch die rechtliche Beurteilung, wonach keine rechtswirksamen Vereinbarungen iSd. § 7 Abs. 4a Z. 1 AZG zwischen der X GmbH und den Arbeitnehmern zustande gekommen seien, nicht schlüssig begründet.

3.2.3.2. Einzelvereinbarungen iSd. § 7 Abs. 4a AZG sind nach den für Verträge geltenden §§ 914 f ABGB auszulegen (vgl. in diesem Zusammenhang zB das Urteil des OGH vom 11. August 1993, Zl. 9 ObA 136/93, und die dort zitierte Judikatur und Literatur). Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften und nicht so sehr auf die Wortwahl der Parteien, sondern auf die von ihnen bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen abzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 2004, Zl. 2000/08/0109), die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Unter "Absicht der Parteien" im Sinn des § 914 ABGB ist keineswegs etwa die Auffassung einer Partei oder ein nicht erklärter oder nicht kontrollierbarer Parteiwille, sondern nichts anderes als der Geschäftszweck zu verstehen, den jeder der vertragsschließenden Teile redlicher Weise der Vereinbarung unterstellen muss (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2012, Zl. 2012/16/0112).

Die Einschätzung des Verwaltungsgerichtes, die Einzelvereinbarungen seien hinsichtlich der erfassten Zeiträume nicht ausreichend konkret, hätte nach dem oben Ausgeführten Feststellungen vorausgesetzt, denen zufolge den Arbeitnehmern nicht bewusst gewesen wäre, was unter "Saison" zu verstehen ist und ob nach der Übung des redlichen Verkehres unter Saison auch nicht die Monate März bis Juni verstanden werden können.

Ebenso wären Feststellungen erforderlich gewesen, wonach die Arbeitnehmer nicht gewusst hätten, welche zusätzlichen Arbeiten in der "Saison" anfallen können, die zu einer Leistung von Überstunden führen können.

3.2.3.3. Da das Verwaltungsgericht derartige Feststellungen nicht getroffen hat, ist - allein auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen - die rechtliche Beurteilung, die Einzelvereinbarungen wären rechtsunwirksam, nicht nachvollziehbar. In den vorgelegten Akten finden sich im Übrigen keine Hinweise darauf, dass der mit dem Begriff "Saison" umschriebene Zeitraum bzw. welche Monate er umfasst, zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern je strittig gewesen wäre.

3.2.3.4. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich aus diesen Erwägungen in Ansehung der angeführten Punkte des Straferkenntnisses als rechtswidrig, weshalb es insofern gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Hinsichtlich der im bestätigten Straferkenntnis unter den Punkten 1. Und 5. angeführten Arbeitnehmerinnen (K.A. und G.S.), bei denen die Tagesarbeitszeit in zwei Fällen mehr als zwölf Stunden betragen hat, ist ergänzend Folgendes auszuführen:

Bei diesen Arbeitnehmerinnen läge zwar eine Überschreitung der Tagesarbeitszeit auch bei Bestehen wirksamer Einzelvereinbarungen vor. Die Arbeitszeiten in diesen Fällen (12 Stunden 17 Minuten und 24 Sekunden bzw.12 Stunden 12 Minuten) sind unstrittig. Diese Überschreitungen wurden vom Revisionswerber im Verwaltungsverfahren auch nicht bestritten.

Da eine Bestrafung aber nicht isoliert wegen der beiden Überschreitungen erfolgt ist, sondern hinsichtlich beider Arbeitnehmerinnen vom Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes ausgegangen wurde, scheidet eine Trennung des hg. aufhebenden Spruchs aus.

3.2.4. Hinsichtlich des im Straferkenntnis unter Punkt 2. und 10. angeführten Arbeitnehmers I.V. ist Folgendes auszuführen:

3.2.4.1. Ausdrückliche Feststellungen, wonach mit diesem Arbeitnehmer schon in den Dienstvertrag eine Klausel aufgenommen wurde, die im Wesentlichen der oben (Pkt. I 1.2.1.) wiedergegebenen Einzelvereinbarung entspricht, hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen.

Nach der Aktenvorlage dürfte allerdings mit diesem Arbeitnehmer keine Einzelvereinbarung wie mit den unter übrigen Arbeitnehmern abgeschlossen, sondern eine der Einzelvereinbarung bezüglich derselben Arbeitszeiten entsprechende Überstundenklausel unmittelbar in den Dienstvertrag aufgenommen worden sein.

3.2.4.2. Gemäß § 7 Abs. 6a AZG hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, Überstunden gemäß § 7 Abs. 4a AZG abzulehnen. Er darf bei Ablehnung der Überstunden nicht benachteiligt werden, insbesondere nicht hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung. Ist aber eine diesbezügliche Überstundenklausel in Hinblick auf § 7 Abs. 4a Z. 1 AZG schon im Dienstvertrag enthalten, so könnte bei Ablehnung von Überstundenleistung auch bereits der Abschluss des Dienstverhältnisses seitens des Arbeitgebers verweigert werden. Der potentielle Arbeitnehmer hätte, will er dies vermeiden, nur die Wahl, den Dienstvertrag samt Überstundenklausel zu unterfertigen. Da ein solches Vorgehen im Ergebnis dem Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 6a AZG zuwiderläuft, ist eine schon im Dienstvertrag enthaltene Überstundenklausel nach § 7 Abs. 4 und 4a AZG als unwirksam anzusehen.

Anders würde es sich verhalten, wenn der Dienstvertrag eine allgemeine Klausel enthielte, die auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinweist, und mit dem Arbeitnehmer zusätzlich im Einzelnen Überstunden gemäß § 7 Abs. 4a Z. 1 vereinbart werden.

3.2.4.3. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit auch hinsichtlich der mit ihm bestätigten Punkte 2 und 10 des Straferkenntnisses als rechtswidrig, weshalb es auch diesbezüglich - und somit zur Gänze - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

3.3. Für das fortgesetzte Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

Bisher fehlen substanziierte Feststellungen, welche gegebenenfalls die rechtliche Beurteilung erlauben, dass im gegenständlichen Fall ein vorübergehend auftretender besonderer Arbeitsbedarf (zB. vermehrte Trockenperioden, erhöhter Gießbedarf) zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils in den Monaten April, Mai und Juni 2012 bei der B GmbH bestand bzw. dass - vor allem vor dem Hintergrund, dass (wie der Revisionswerber selbst ins Treffen führt) die "Saison" ein alljährlich wiederkehrender Zeitraum ist, zu dem der Revisionswerber umfassende Umsatzstatistiken vorgelegt hat - andere Maßnahmen (zB Einstellen von geringfügig Beschäftigten, befristete Dienstverhältnisse; vgl. die unter Pkt. 1.2.1. wiedergegebenen Materialien) gerade hier nicht zumutbar gewesen sein sollten. Es ist bisher daher nicht einmal geklärt, ob es auf die Frage der ausreichenden Bestimmtheit der Einzelvereinbarungen überhaupt ankommt.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF. BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 15. Oktober 2015

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