VwGH Ro 2014/10/0039

VwGHRo 2014/10/003918.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der B F in B, vertreten durch Mag. Max Verdino, Mag. Gernot Funder und Mag. Eduard Sommeregger, Rechtsanwälte in 9300 St. Veit an der Glan, Waagstraße 9, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. November 2013, Zl. IIa-143.01, betreffend Abschluss der letzten Schulstufe einer landwirtschaftlichen Fachschule, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7 Abs1;
Landw SchulG Vlbg §52 idF 2013/044;
Landw SchulG Vlbg §54 Abs3 idF 2013/044;
MRK Art6;
VwGG §39 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. November 2013 wurde die Berufung gegen die Entscheidung der Schulkonferenz der landwirtschaftlichen Fachschule in Hohenems, Fachrichtung ländliche Hauswirtschaft, vom 1. Juli 2013, dass die Revisionswerberin die dritte und letzte Schulstufe nicht positiv abgeschlossen habe, abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, bei der Notenkonferenz am 30. April 2013 (Ende des Unterrichtsjahres der gegenständlichen Fachschule) sei entschieden worden, dass die Revisionswerberin den Gegenstand "Englisch" nicht erfolgreich abgeschlossen habe und zur Ablegung einer Wiederholungsprüfung berechtigt sei. Die Revisionswerberin habe den hierüber ausgestellten Bescheid am 3. Mai 2013 entgegengenommen und noch am selben Tag die Vorverlegung der Wiederholungsprüfung auf den 1. Juli 2013 beantragt. Daraufhin habe die landwirtschaftliche Fachschule der Revisionswerberin noch am 3. Mai 2013 schriftlich mitgeteilt, dass der Termin für die Wiederholungsprüfung mit 1. Juli 2013 festgelegt werde.

Auf Grund der Wiederholungsprüfung vom 1. Juli 2013 habe die Schulkonferenz in der Sitzung vom selben Tag entschieden, dass die Revisionswerberin wegen nicht erbrachter Leistung den Gegenstand "Englisch" nicht erfolgreich abgeschlossen habe und gemäß § 59 des Landwirtschaftlichen Schulgesetzes, LGBl. Nr. 14/1979 (Vbg. LwSchG), zum Wiederholen der letzten Schulstufe berechtigt sei.

Zum Vorbringen in der von der Mutter der - damals 17- jährigen - Revisionswerberin dagegen erhobenen Berufung sei Folgendes auszuführen:

Vom Ende des Unterrichtsjahres bis zum Termin der Wiederholungsprüfung am 1. Juli 2013 sei ein ausreichender Vorbereitungszeitraum von zwei Monaten gelegen. Die Revisionswerberin habe die Vorverlegung der Wiederholungsprüfung vom Beginn des Schuljahres im September auf 1. Juli selbst beantragt. Sie habe es auch selbst zu verantworten, dass sie bereits am 1. Juni 2013 eine Lehre begonnen habe. Die Revisionswerberin habe das Sekretariat der Schule zum Zweck der Antragstellung auf Vorverlegung der Wiederholungsprüfung aufgesucht. Auch wenn ihr die Sekretärin bei der Formulierung des Antrages behilflich gewesen sei, sei nicht erkennbar, dass auf die Revisionswerberin Druck ausgeübt worden sei, einen derartigen Antrag zu stellen. In der Zeit von der Antragstellung am 3. Mai 2013 bis zur Wiederholungsprüfung am 1. Juli 2013 hätten die Eltern keinerlei Einwände gegen den Prüfungstermin vorgebracht.

Eine Mitteilung an die Erziehungsberechtigten im Sinn des "Frühwarnsystems" gemäß § 54 Abs. 3 Vbg. LwSchG sei nicht erfolgt, weil im Zeitpunkt der Versendung dieser Mitteilungen am 15. März 2013 auf Grund der bisherigen Leistungen der Revisionswerberin keine Gefahr bestanden habe, dass sie im Gegenstand "Englisch" im Jahreszeugnis voraussichtlich mit "Nicht genügend" beurteilt werden müsse. Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass die Schularbeit, die auf Wunsch der Schüler zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden habe, ebenso negativ ausfallen werde wie die weiteren Leistungen der Revisionswerberin. Überdies begründe das Unterbleiben einer Mitteilung über die voraussichtliche negative Beurteilung im Sinn des "Frühwarnsystems" gemäß § 54 Abs. 3 letzter Satz Vbg. LwSchG keinen Anspruch auf eine positive Beurteilung.

 

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg erwogen:

Vorweg sei festgehalten, dass gemäß § 4 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, für die Behandlung der vorliegenden Revision die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden sind.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Vorarlberger landwirtschaftlichen Schulgesetzes, LGBl. Nr. 14/1979 in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novellierung durch das Landesverwaltungsgerichts-Anpassungsgesetz, LGBl. Nr. 44/2013 (Vbg. LwSchG), haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 52

Leistungsbeurteilung

(1) Der Lehrer hat die Leistungen der Schüler in den einzelnen Unterrichtsgegenständen auf Grund ständiger Beobachtung der Mitwirkung im Unterricht sowie auf Grund mündlicher, schriftlicher und praktischer Leistungsfeststellungen zu beurteilen. Die Leistungsfeststellungen müssen in die Unterrichtsarbeit eingeordnet sein.

...

(4) Durch die Noten sind die Selbständigkeit der Arbeit, die Erfassung und die Anwendung des Lehrstoffes, die Durchführung der Aufgaben und die Eigenständigkeit der Schüler zu beurteilen.

...

§ 54

Information der Erziehungsberechtigten (Lehrherrn)

...

(3) Wenn die Leistungen eines Schülers in besonderer Weise nachlassen oder wenn ein Schüler auf Grund seiner bisherigen Leistungen im Jahreszeugnis voraussichtlich mit 'Nicht genügend' zu beurteilen sein wird, hat der Klassenvorstand oder der Lehrer des betreffenden Unterrichtsgegenstandes mit den Erziehungsberechtigten (Lehrherrn) Verbindung aufzunehmen. Das Unterbleiben einer entsprechenden Mitteilung begründet keinen Anspruch auf positive Endbeurteilung des Schülers.

...

§ 57

Wiederholungsprüfung

(1) Wenn das Jahreszeugnis eines Schülers in einem oder zwei Pflichtgegenständen die Note 'Nicht genügend' enthält, darf der Schüler am Beginn des folgenden Schuljahres eine Wiederholungsprüfung ablegen.

...

(4) Die Schulkonferenz hat eine allfällige Entscheidung über die Nichtberechtigung zum Aufsteigen oder den nicht erfolgreichen Abschluss der letzten Schulstufe binnen einer Woche nach Beendigung der Wiederholungsprüfungen zu treffen. Eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung ist binnen drei Tagen dem Schüler unter Angabe der Gründe und Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung zuzustellen. Die Bestimmungen des § 78 Abs. 6 gelten sinngemäß.

...

§ 74

Pflichten der Erziehungsberechtigten

(1) Die Erziehungsberechtigten haben die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Schule zu unterstützen. Sie haben die Schüler mit den erforderlichen Unterrichtsmitteln auszustatten und auf die gewissenhafte Erfüllung der Pflichten des Schülers, die sich aus dem Schulbesuch ergeben, hinzuwirken. Die Erziehungsberechtigten sollen zur Förderung der Schulgemeinschaft beitragen.

...

§ 79

Berufung

(1) Eine Berufung an die Landesregierung ist zulässig gegen

...

b) die Entscheidung, dass der Schüler zum Aufsteigen nicht berechtigt ist oder die letzte Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen hat.

..."

Die Revisionswerberin erachtet sich zunächst im Recht auf "Erhalt einer Entscheidung der Schulkonferenz nach § 55 Abs. 5 (Vbg. LwSchG), die letzte Schulstufe erfolgreich abgeschlossen zu haben", verletzt.

Dazu macht sie geltend, dass es die Schule unterlassen habe, die Erziehungsberechtigten der damals noch minderjährigen Revisionswerberin von der drohenden negativen Beurteilung entsprechend der Verpflichtung gemäß § 54 Abs. 3 Vbg. LwSchG zu informieren. Die Konsequenz einer Verletzung dieser Pflicht könne nur darin liegen, dass eine negative Beurteilung im Jahreszeugnis nicht zulässig sei. Wäre dieses "Frühwarnsystem" eingehalten worden, so hätten die Erziehungsberechtigten entsprechende "Gegensteuerungs- und Förderungsmaßnahmen" ergreifen können. Die Bestimmung des § 54 Abs. 3 letzter Satz Vbg. LwSchG, wonach das Unterbleiben einer Mitteilung im Sinn des "Frühwarnsystems" keinen Anspruch auf eine positive Endbeurteilung begründe, sei verfassungswidrig, weil sie zu einer Ungleichbehandlung von Schülern, die eine solche Mitteilung erhielten, und solchen, bei denen dies nicht der Fall sei, führe. Es werde daher angeregt, hinsichtlich dieser Norm ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Mit diesem Vorbringen bestreitet die Revisionswerberin nicht, dass ihre Leistungen bei der Wiederholungsprüfung negativ zu beurteilen waren. Ebensowenig bestreitet sie, dass zum Zeitpunkt der Versendung der "Frühwarnungen" gemäß § 54 Abs. 3 Vbg. LwSchG an die Schüler der von ihr besuchten landwirtschaftlichen Fachschule am 15. März 2013 noch nicht absehbar war, dass ihre Leistungen im Gegenstand "Englisch" im Jahreszeugnis voraussichtlich mit "Nicht genügend" zu bewerten sein würden. In diesem Zeitpunkt bestand somit keine Verpflichtung der Schule zur Kontaktaufnahme mit den Erziehungsberechtigten gemäß § 54 Abs. 3 Vbg. LwSchG (vgl. zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung des § 19 Schulunterrichtsgesetz Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht12 (2009) Fn 31a und 35a).

Es kann dahinstehen, ob die Verpflichtung bestand, eine derartige "Frühwarnung" der Erziehungsberechtigten zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen, weil nach der eindeutigen Bestimmung des § 54 Abs. 3 letzter Satz Vbg. LwSchG selbst aus einer Verletzung dieser Pflicht das von der Revisionswerberin geltend gemachte Recht auf positive Beurteilung nicht abgeleitet werden könnte.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt entgegen dem Revisionsvorbringen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung:

Gemäß § 52 Vbg. LwSchG sind die Leistungen der Schüler auf Grund ständiger Beobachtung der Mitwirkung im Unterricht sowie auf Grund mündlicher, schriftlicher und praktischer Leistungsfeststellungen zu beurteilen. Würde die Verletzung der Pflicht zur Information der Erziehungsberechtigten über eine voraussichtlich negative Jahresbeurteilung gemäß § 54 Abs. 3 Vbg. LwSchG und die deswegen möglicherweise unterbliebenen "Gegensteuerungsmaßnahmen" in die Jahresbeurteilung einbezogen, würde ein Aspekt berücksichtigt, der gemäß § 52 Vbg. LwSchG nicht in Rechnung gestellt werden darf (vgl. das zu § 19 Schulunterrichtungsgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1992, Zl. 91/10/0246). Die Einbeziehung eines solchen nicht auf den Leistungen des Schülers beruhenden Kriteriums in die Leistungsbeurteilung wird entgegen dem Revisionsvorbringen auch vom Gleichheitsgrundsatz nicht gefordert. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, in Bezug auf § 54 Abs. 3 letzter Satz Vbg. LwSchG den von der Revisionswerberin angeregten Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Weiters macht die Revisionswerberin geltend, durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf Ablegung der Wiederholungsprüfung am Beginn des folgenden Schuljahres gemäß § 57 Abs. 1 (Vbg. LwSchG)" verletzt zu sein, wozu sie im Wesentlichen vorbringt, dass eine Vorverlegung dieser Prüfung auf den 1. Juli nicht zulässig gewesen sei und im Übrigen von ihr auf Grund ihrer damaligen Minderjährigkeit nicht rechtswirksam beantragt habe werden können.

In diesem Recht kann die Revisionswerberin schon deshalb nicht verletzt werden, weil mit dem angefochtenen Bescheid nicht über den Zeitpunkt der Wiederholungsprüfung, sondern über den nicht erfolgreichen Abschluss der letzten Schulstufe entschieden worden ist.

Da sich die Revision somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der in der Revision beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil weder aus dem Vorbringen der Parteien noch aus den Akten des Verfahrens Umstände ersichtlich sind, die eine weitere Klärung der Rechtssache durch eine mündliche Verhandlung erwarten ließen.

Der Unterlassung der Verhandlung steht auch Art. 6 EMRK nicht entgegen, weil im gegenständlichen Verfahren die maßgeblichen Fakten nicht bestritten waren und es im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nur um Rechtsfragen ohne besondere Komplexität ging. Im Hinblick auf das Erfordernis der Effizienz und Ökonomie konnte die Verhandlung daher entfallen (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich).

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. Februar 2015

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