VwGH Ro 2014/10/0020

VwGHRo 2014/10/002021.1.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision des L G, vertreten durch Mag. Dr. Roland Kier, Dr. Lukas Kollmann, Univ.- Prof. Dr. Richard Soyer und Dr. Alexia Stuefer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Rechtsmittelkommission in Studienangelegenheiten des Senates der Wirtschaftsuniversität Wien vom 20. November 2013, Zl. B/3366/07/11, betreffend Anerkennung von Prüfungen (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

UniversitätsG 2002 §78 Abs1 idF 2009/I/081;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Wirtschaftsuniversität Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Rechtsmittelkommission in Studienangelegenheiten des Senates der Wirtschaftsuniversität Wien vom 20. November 2013 wurde der Antrag des Revisionswerbers, die von ihm im Rahmen der rechtswissenschaftlichen Studien an der Universität Wien absolvierten Prüfungen "SE Seminar aus Finanzrecht/Steuerrecht", Finanzwissenschaften, Bilanzrecht, Betriebswirtschaftslehre, Fachprüfung "MP Steuerrecht" und Pflichtübung aus Steuerrecht für die im Rahmen des Bachelor-Studiums Wirtschaftsrecht zu absolvierende Prüfung "PI Vertiefungskurs Steuerrecht" anzuerkennen, gemäß § 78 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 - UG, BGBl. I Nr. 120, abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe das Seminar aus Finanzrecht/Steuerrecht als Dissertantenseminar im Rahmen seines Doktoratsstudiums der Rechtswissenschaften und die anderen zur Anerkennung beantragten Lehrveranstaltungen im Rahmen seines Diplomstudiums der Rechtswissenschaften an der Universität Wien absolviert.

Der Sachverständige Prof. L. habe in seinem Gutachten dargelegt, dass eine Anerkennung der Lehrveranstaltungen aus Betriebswirtschaftslehre und Finanzwissenschaften schon deshalb nicht in Betracht komme, weil es sich um nicht-juristische Fächer handle. Bei Bilanzrecht handle es sich zwar um ein juristisches Fach, das auch Querbezüge zum Steuerrecht herstelle, jedoch kein Teilgebiet des Steuerrechts, sondern ein solches des Handels- und Unternehmensrechts sei. Das Dissertantenseminar aus Finanzrecht/Steuerrecht könne auf Grund der unterschiedlichen Zielsetzungen von Bachelor- und Doktoratsstudien nicht als gleichwertig berücksichtigt werden. Ein Seminar aus Finanzrecht, das der Weiterentwicklung der Befähigung zur selbständigen wissenschaftlichen Arbeit sowie zur Heranbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses diene und bereits auf Diplom- und Magisterstudien aufbaue, habe eine ganz andere Zielsetzung als ein Vertiefungskurs, der im Rahmen eines Bachelorstudiums der wissenschaftlichen Berufsvorbildung diene. Die beiden weiteren vom Beschwerdeführer zur Anrechnung beantragten Prüfungen hätten einen Umfang von insgesamt 11 ECTS-Anrechnungspunkten (Fachprüfung MP Steuerrecht: 7 Punkte; Pflichtübung aus Steuerrecht: 4 Punkte). Demgegenüber sei im Rahmen des vom Revisionswerber betriebenen Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht ein steuerrechtliches Pflichtprogramm im Ausmaß von 12 ECTS-Anrechnungspunkten vorgesehen. Davon entfielen vier Punkte auf die Einführung in das Steuerrecht, vier auf den darauf aufbauenden Grundkurs Steuerrecht und vier weitere Punkte auf den Vertiefungskurs, der wiederum auf dem Grundkurs aufbaue.

Der Revisionswerber habe zu diesem Gutachten

u. a. vorgebracht, dass das von ihm besuchte Dissertantenseminar auch für Diplomanden offen stehe und somit auch zur wissenschaftlichen Berufsvorbildung diene. Dazu habe er eine dies bestätigende Stellungnahme der diese Lehrveranstaltung leitenden Prof. K. vorgelegt.

Der Sachverständige Prof. L. habe dazu u.a. ausgeführt, aus der Stellungnahme von Prof. K. ergebe sich deutlich, dass im Rahmen des vom Revisionswerber besuchten Seminars Finanzrecht/Steuerrecht die von den Studierenden geforderte wissenschaftliche Arbeit einen wichtigen Stellenwert einnehme. Dies sei ein wesentlicher Unterschied zu der Lehrveranstaltung, für die die Anrechnung erfolgen solle. Bei dieser würde nämlich eine zehnminütige Präsentation einer Case-Study verlangt. Die nachfolgende Diskussion mit dem Lehrveranstaltungsleiter werde in die Beurteilung einbezogen. Darüber hinaus werde auch eine positive Absolvierung einer schriftlichen Klausur verlangt, die ebenfalls aus Fallstudien bestehe.

Die belangte Behörde folgte dem Gutachten von Prof. L. und lehnte die beantragte Anerkennung aus den im Gutachten angeführten Gründen mangels Gleichwertigkeit der zur Anerkennung beantragten Lehrveranstaltungen ab.

 

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch das Bundesverwaltungsgericht erwogen:

Vorweg sei festgehalten, dass gemäß § 4 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, für die Behandlung der vorliegenden Revision die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß abzuwenden sind.

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 78 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 - UG, BGBl. I Nr. 120 in der Fassung BGBl. I Nr. 81/2009, hat folgenden Wortlaut:

"Anerkennung von Prüfungen

§ 78. (1) Positiv beurteilte Prüfungen, die ordentliche Studierende an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung, einer berufsbildenden höheren Schule, einer Höheren Anstalt für Lehrer- und Erzieherbildung, in Studien an anerkannten inländischen Bildungseinrichtungen, deren Zugang die allgemeine Universitätsreife erfordert, oder in einem Lehrgang universitären Charakters abgelegt haben, sowie positiv beurteilte Prüfungen aus künstlerischen und künstlerischwissenschaftlichen Fächern, die von ordentlichen Studierenden an Musikgymnasien bzw. an Musischen Gymnasien abgelegt wurden, sind auf Antrag der oder des ordentlichen Studierenden vom für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ bescheidmäßig anzuerkennen, soweit sie den im Curriculum vorgeschriebenen Prüfungen gleichwertig sind. Die an einer inländischen Universität oder an einer Universität der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes für ein Fach abgelegten Prüfungen sind für das gleiche Fach im weiteren Studium desselben Studiums an einer anderen inländischen Universität jedenfalls anzuerkennen, wenn die ECTS-Anrechnungspunkte gleich sind oder nur geringfügig abweichen. Solche Anerkennungen können im Curriculum generell festgelegt werden. Die Anerkennung von Prüfungen, die entgegen der Bestimmungen des § 63 Abs. 8 und 9 an einer anderen Universität abgelegt wurden, ist ausgeschlossen.

..."

Die verfahrensgegenständliche Anerkennung von Prüfungen gemäß § 78 Abs. 1 erster Satz UG setzt die Gleichwertigkeit der zur Anerkennung beantragten Prüfungen mit den im Rahmen eines Studiums vorgeschriebenen Prüfungen, für die die Anerkennung erfolgen soll, voraus. Für die Beurteilung der Gleichwertigkeit ist entscheidend, welcher Stoff in welchem Schwierigkeitsgrad und in welchem Umfang in den zu vergleichenden Lehrveranstaltungen vermittelt wird, wobei es entsprechender Darlegungen unter Heranziehung der jeweils zur Anwendung kommenden studienrechtlichen Vorschriften bedarf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. 2013/10/0186).

Der Revisionswerber wendet sich nicht gegen die - unbedenkliche - Ansicht der belangten Behörde, dass eine Anrechnung der Lehrveranstaltungen aus Finanzwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und Bilanzrecht mangels Gleichwertigkeit nicht in Betracht komme.

Gegen die Versagung der Anrechnung des Seminars Finanzrecht/Steuerrecht führt er im Wesentlichen ins Treffen, dass dieses Seminar auch für Diplomanden offen stehe und dessen Zielrichtung daher auch einem Diplomstudium entspreche. Der Umstand, dass er das Seminar im Rahmen des Doktorratsstudiums der Rechtswissenschaften absolviert habe, stehe der Anerkennung nicht entgegen.

Die belangte Behörde hat ihre Ansicht der mangelnden Vergleichbarkeit dieses Seminars auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. L. gestützt. Dieser Sachverständige hat die mangelnde Vergleichbarkeit nicht nur aus der unterschiedlichen Zielrichtung von Bachelor- und Doktoratsstudien, sondern insbesondere aus dem unterschiedlichen Inhalt der Lehrveranstaltungen geschlossen. Beim zur Anrechnung beantragten Seminar komme der von den Studenten zu verfassenden wissenschaftlichen Arbeit ein wesentlicher Stellenwert zu, während bei der Lehrveranstaltung "PI Vertiefungskurs Steuerrecht", für die die Anrechnung erfolgen solle, Fallstudien im Vordergrund stünden. In seinem bei den Verwaltungsakten erliegenden Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige dazu u.a. ausgeführt, dass das vom Revisionswerber absolvierte Seminar zwar für das Doktoratsstudium Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, nicht aber für das gegenständliche Bachelorstudium angerechnet werden könne.

Das dargestellte Revisionsvorbringen, mit dem die inhaltliche Unterschiedlichkeit der Lehrveranstaltungen nicht konkret bestritten wird, ist nicht geeignet, eine Rechtsverletzung des Revisionswerbers durch die Versagung der Anerkennung des Seminars Finanzrecht/Steuerrecht aufzuzeigen.

Die Verweigerung der Anerkennung der Fachprüfung "MP Steuerrecht" und der Pflichtübung aus Steuerrecht hat die belangte Behörde mit dem - nach ECTS-Anrechnungspunkten gemessenen - nicht gleichwertigen Umfang begründet.

Auch dazu hat sich die belangte Behörde auf das Gutachten von Prof. L. gestützt. Nach diesem Gutachten sind im Rahmen des vom Revisionswerber nunmehr besuchten Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht Lehrveranstaltungen aus Steuerrecht im Umfang von insgesamt 12 ECTS-Anrechnungspunkten zu absolvieren. Da die zur Anrechnung beantragten Lehrveranstaltungen Fachprüfung "MP Steuerrecht" und Pflichtübung aus Steuerrecht insgesamt nur 11 ECTS-Anrechnungspunkte ausmachten und bereits für steuerrechtliche Lehrveranstaltungen des nunmehrigen Studiums im Ausmaß von acht ECTS-Anrechnungspunkten angerechnet worden seien, fehle für die nunmehr beantragte Anrechnung für die Lehrveranstaltung "PI Vertiefungskurs Steuerrecht", die einen Umfang von vier Anrechnungspunkten aufweise, ein Punkt.

Mit seinem dagegen gerichteten Vorbringen, dass die bloß geringfügige Unterschreitung der geforderten ECTS-Punkteanzahl einer Anerkennung nicht entgegenstehe, zeigt der Revisionswerber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Zunächst bestehen gegen die Heranziehung der nach dem European Credit Transfer System (ECTS) vergebenen Anrechnungspunkte für die Beurteilung der Gleichwertigkeit des Umfangs von Lehrveranstaltungen keine grundsätzlichen Bedenken. Aus § 78 Abs. 1 zweiter Satz UG, wonach an bestimmten Universitäten für das gleiche Fach im selben Studium abgelegte Prüfungen jedenfalls anzurechnen sind, "wenn die ECTS-Anrechnungspunkte gleich sind oder nur geringfügig abweichen", ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber dieses System als Messgröße für die Gleichwertigkeit des Umfangs von Lehrveranstaltungen akzeptiert. Die gesetzliche Wertung, wonach die Gleichwertigkeit nicht die exakt gleiche Anzahl von ECTS-Anrechnungspunkten erfordert, sondern auch bei einer geringfügigen Unterschreitung gegeben sein kann, ist auch auf die Beurteilung der Gleichwertigkeit des Umfangs für die Anerkennung von Prüfungen gemäß § 78 Abs. 1 erster Satz UG übertragbar (vgl. dazu auch Wieser, Die Anerkennung von Prüfungen nach § 78 UG (2006), 49).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. 2013/10/0186, gestützt auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt hat, kann eine Unterschreitung von bis zu 20 % als geringfügig angesehen werden.

Der Revisionswerber hat Prüfungen über Steuerrecht im Ausmaß von 11 ECTS-Anrechnungspunkten absolviert. Im nunmehr betriebenen Studium umfasst das Steuerrecht drei jeweils aufeinander aufbauende Lehrveranstaltungen mit je vier, somit insgesamt 12 ECTS-Anrechnungspunkten. Nach den obigen Ausführungen steht diese Differenz im Ausmaß von nur etwa 8 % einer Anerkennung der absolvierten Prüfungen für die drei Lehrveranstaltungen aus Steuerrecht des laufenden Studiums nicht entgegen.

Im vorliegenden Fall wurden die absolvierten Prüfungen aus Steuerrecht im Ausmaß von insgesamt 11 ECTS-Anrechnungspunkten bereits auf den Einführungskurs und den Grundkurs Steuerrecht, die einen Umfang von insgesamt acht ECTS-Anrechnungspunkten aufweisen, angerechnet. Dieser Umstand kann nichts daran ändern, dass sich die zur Anrechnung beantragten Lehrveranstaltungen in ihrem Umfang von den Lehrveranstaltungen, für die sie angerechnet werden sollen bzw. bereits angerechnet wurden, nur geringfügig unterscheiden. Ein derartiger Unterschied steht jedoch nach den obigen Ausführungen der Anrechenbarkeit für alle drei Lehrveranstaltungen - somit auch für den vorliegend gegenständlichen Vertiefungskurs Steuerrecht - nicht entgegen. Der bloße Umstand, dass der Revisionswerber die Anerkennung der absolvierten Prüfungen nicht für alle drei zu absolvierenden steuerrechtlichen Lehrveranstaltungen gemeinsam beantragt hat, kann zu keinem anderen Ergebnis führen.

Die belangte Behörde hat in Verkennung dieser Rechtslage die Anerkennung schon wegen der nicht gänzlich übereinstimmenden Anzahl von ECTS-Anrechnungspunkten versagt, ohne sich mit den anderen Kriterien für die Gleichwertigkeit auseinanderzusetzen.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Jänner 2015

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