VwGH 2013/15/0295

VwGH2013/15/02951.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des Finanzamtes Klagenfurt in 9020 Klagenfurt, Kempfstraße 2 und 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 21. November 2013, Zl. RV/0599-K/13, betreffend Einkommensteuer 2009 (mitbeteiligte Partei: S K, p.A. Nussbaumer & Partner, WP und Steuerberatungsgesellschaft in 2362 Biedermannsdorf, Ortsstraße 24), den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §115 Abs2;
BAO §183 Abs4;
BAO §279 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §115 Abs2;
BAO §183 Abs4;
BAO §279 Abs1;
BAO §289 Abs2;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Finanzamtes vom 13. Jänner 2011 wurde die Einkommensteuer für 2009 (Arbeitnehmerveranlagung) festgesetzt.

Der Mitbeteiligte erhob Berufung. Er machte geltend, er sei als Künstler weltweit selbständig tätig und beziehe Einkünfte aus unterschiedlichen Engagements. Sein Lebensmittelpunkt liege in der Slowakischen Republik. In Österreich sei er sohin nur beschränkt steuerpflichtig. Österreichische Opernhäuser hätten bei der Abrechnung Abzugsteuer berücksichtigt, einbehalten und an die Finanzverwaltung abgeführt. Warum bei diesen Meldungen auch Lohnzettel übermittelt worden seien, wodurch der Anschein von Beschäftigungen erweckt worden sei, entziehe sich der Kenntnis des Mitbeteiligten. Der Mitbeteiligte sei im Rahmen der Engagements jeweils nur tageweise für Proben und dann für die tatsächlichen Vorstellungen in Österreich tätig gewesen. Zwischen diesen einzelnen Tätigkeiten sei der Mitbeteiligte auch für andere Opernhäuser tätig gewesen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 29. März 2011 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Das Finanzamt führte unter anderem aus, von den vom Mitbeteiligten in Österreich erzielten Einkünften sei gemäß § 70 EStG 1988 Abzugsteuer für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer einbehalten und abgeführt worden. Dass es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gehandelt habe, gehe eindeutig aus den vorgelegten Bühnendienstverträgen hervor. Der Mitbeteiligte habe über einen Wohnsitz im Inland verfügt und sei daher in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Hinsichtlich der in Österreich erzielten Einkünfte aus tatsächlich ausgeübter Tätigkeit in Österreich stehe nach Art. 17 DBA-Slowakei (Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 34/1979, in Verbindung mit dem Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik betreffend die Weiteranwendung bestimmter österreichisch-tschechoslowakischer Staatsverträge, BGBl. Nr. 1046/1994) jedenfalls Österreich das Besteuerungsrecht zu.

Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid einen - als Berufung bezeichneten - Vorlageantrag. Er machte geltend, seit 22. August 2008 bestehe weder ein inländischer Wohnsitz noch gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich, sodass er in Österreich nur mehr beschränkt steuerpflichtig sei. Für den Fall, dass die Behörde weiterhin von einer unbeschränkten Steuerpflicht ausgehe, beantrage er die Berücksichtigung von Werbungskosten: Provisionen an seine österreichische Künstleragentur; Fahrtkosten Klagenfurt - Graz (36 Fahrten); Fahrtkosten Klagenfurt Wien (30 Fahrten); Nächtigungskosten Graz sowie Wien.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juli 2013 wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und die Einkommensteuer 2009 neu festgesetzt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe im Jahr 2009 aus Engagements in Österreich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, für die Abzugsteuer in Höhe von 20% entrichtet worden sei. Er habe im Jahr 2009 über einen inländischen Wohnsitz verfügt und sei daher in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig gewesen. Die von ihm beantragten Reisekosten seien in der beantragten Höhe als Werbungskosten abzugsfähig, weil sie mit den inländischen Einkünften im Zusammenhang stünden. Auch die auf Engagements in Österreich entfallenden Vermittlungsprovisionen seien als Werbungskosten abzugsfähig.

Mit Bescheid vom 26. September 2013 behob die belangte Behörde gemäß § 300 Abs. 1 lit. a BAO ihren Bescheid vom 22. Juli 2013. Die belangte Behörde sei in ihrem Bescheid vom 22. Juli 2013 davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit seinen im Jahr 2009 in Österreich erzielten Einkünften (aus nichtselbständiger Arbeit) unbeschränkt steuerpflichtig sei. In der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde habe das Finanzamt ausgeführt, dass bei der von der belangten Behörde vorgenommenen Qualifizierung der Einkünfte des Mitbeteiligten aus nichtselbständiger Arbeit der Abzug von Reisekosten in Form tatsächlicher Fahrtkosten und Nächtigungsgeldern nicht in Betracht komme, weil die Fahrten zu den Betriebsstätten keine Reisen iSd § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 seien; vielmehr würden diese Betriebsstätten den Mittelpunkt der Tätigkeit des Mitbeteiligten darstellen. Diese Einwendungen betreffend die Gewährung von Reisekosten in Form von Fahrtkosten und Nächtigungsgeldern seien berechtigt. Die belangte Behörde habe sich in ihrer Beurteilung vom Umstand leiten lassen, dass die Betriebsstätten die Einkünfte des Mitbeteiligten in Lohnzetteln erfasst und ihn als nichtselbständig Tätigen behandelt hätten. Aus diesen Lohnzetteln sei jedoch ersichtlich, dass von den Einkünften Abzugsteuer in der Höhe von 20% erhoben worden sei, was wiederum nur auf eine selbständige Tätigkeit des Mitbeteiligten schließen lasse. Wenngleich sich die Entscheidung vom 22. Juli 2013 vom Ergebnis her somit als richtig erweise, sei sie jedoch deshalb rechtswidrig, weil unter den dort getroffenen Sachverhaltsfeststellungen die in Rede stehenden Aufwendungen für einen steuerlichen Abzug nicht in Betracht kämen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung neuerlich teilweise Folge und änderte den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2009 ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte sei slowakischer Staatsangehöriger. Er habe als Künstler im Streitjahr Engagements sowohl in Österreich als auch im Ausland gehabt. In Österreich habe er Einkünfte erzielt, für die Abzugsteuer in Höhe von 20% einbehalten worden sei. Der Mitbeteiligte habe mit dem Opernhaus Graz für die Spielzeit 2008/2009 einen "Bühnendienstvertrag (Stückvertrag)" und mit der Staatsoper Wien mehrmals einen "Gastvertrag" geschlossen.

Die Einkünfte seien von den Opernhäusern in der Weise erfasst worden, dass die Einkünfte in Lohnzetteln ausgewiesen worden seien; es seien auch Sozialversicherungsbeiträge ausgewiesen worden.

Der Mitbeteiligte habe zur Ausübung seiner Tätigkeit insgesamt 36 Fahrten zwischen Klagenfurt und Graz sowie 30 Fahrten zwischen Klagenfurt und Wien absolviert. An insgesamt 13 bzw. 57 Tagen habe der Mitbeteiligte in Graz bzw. Wien zu nächtigen gehabt. An Vermittlungsprovisionen für seine Engagements in Österreich habe er insgesamt 13.030 EUR gezahlt.

Der Sachverhalt ergebe sich aus dem Akteninhalt sowie den nicht in Zweifel zu ziehenden ergänzenden Angaben des Mitbeteiligten.

Unstrittig sei der Mitbeteiligte im Streitjahr im Sinne des DBA-Slowakei in der Slowakei ansässig gewesen. Er habe aber - wie die belangte Behörde näher begründete - im Streitjahr auch einen Wohnsitz in Österreich gehabt. Der Mitbeteiligte sei sohin betreffend die von ihm in Österreich erzielten Einkünfte unbeschränkt steuerpflichtig.

Der Mitbeteiligte habe in seiner Berufung ausgeführt, seine Tätigkeit für die Opernhäuser in Wien und Graz sei auf selbständiger Basis erfolgt. Das Finanzamt habe hingegen den Standpunkt vertreten, dass es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handle. Der Steuerabzug in Höhe von 20% lasse grundsätzlich beide Betrachtungen zu. Die für die Beurteilung, ob eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit vorliege, heranzuziehenden Verträge ließen jedoch keine Hinweise darauf erkennen, dass den Tätigkeiten des Mitbeteiligten Arbeitsverhältnisse zu Grunde lägen. Daraus sei ersichtlich, dass der Mitbeteiligte den jeweiligen Opernhäusern seine Auftritte als Solist geschuldet habe. Bei der Tätigkeit des Mitbeteiligten habe es sich um die Ablieferung von Gesangsstücken gehandelt, deren Vorarbeiten (Einstudieren der Rolle) von ihm selbst hätten erbracht werden müssen. In den Verträgen seien keine Festlegungen erfolgt, wann, wo und wie sich der Mitbeteiligte jene Kenntnisse, die ihn befähigten, die jeweiligen Partien vorzutragen, aneignen solle. Dem Mitbeteiligten sei in den Verträgen mit der Oper Wien auferlegt worden, zu Probenbeginn musikalisch studiert zu erscheinen und die jeweilige Partie in der Fassung der Direktion zu beherrschen. Dieselbe Vorgangsweise sei auch aus dem Bühnendienstvertrag-Stückvertrag mit der Oper Graz erschließbar, weil die darin vereinbarte Probenzeit erfahrungsgemäß nur der Erarbeitung der Produktion selbst habe dienen können, nicht jedoch der Vorbereitung eines Solokünstlers auf seine Rolle. Damit sei dem Mitbeteiligten zur Vorbereitung auf seine Rolle völlige Freiheit sowohl in der Wahl des Arbeitsortes als auch hinsichtlich des Umfanges der Arbeitszeit eingeräumt gewesen.

Die Entlohnung des Mitbeteiligten sei nicht leistungsunabhängig festgelegt worden. In den Verträgen sei jeweils vereinbart worden, dass bei Verhinderung des Mitbeteiligten (sei es durch Krankheit oder aus einem anderen in seiner Person gelegenen Grund) an der Teilnahme an Vorstellungen das jeweilige Vorstellungsentgelt entfalle. Im Vertrag mit der Staatsoper Wien finde sich darüber hinaus auch ein Pönale pro versäumter Probeneinheit. Dies lasse auf eine selbständige Tätigkeit des Mitbeteiligten schließen.

Für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit spreche auch der Umstand, dass sich im Vertrag mit der Staatsoper Wien eine Schadenersatzregelung finde.

Im Bühnendienstvertrag mit der Oper Graz werde darüber hinaus auf eine Versteuerung der Bezüge nach § 99 EStG 1988 Bezug genommen. Auch dies könne als Indiz dafür gewertet werden, dass die Vertragsparteien vom Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen seien.

Eine Beurteilung der Einkünfte als solche aus nichtselbständiger Arbeit würde hingegen die Weisungsgebundenheit des Mitbeteiligten gegenüber den Opernhäusern und seine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus voraussetzen.

Von einer Weisungsgebundenheit könne aber nach den gegebenen Umständen keinesfalls ausgegangen werden, da der Mitbeteiligte lediglich den Endpunkt seiner umfassenden beruflichen Tätigkeit, nämlich die jeweilige Solopartie als Werk schulde. In sämtlichen anderen Belangen seiner beruflichen Tätigkeit (Erarbeitung der Solopartien, ständiges Training der Stimme, Vorsorge zur Erhaltung der Stimmkraft, qualitative Fortbildung, etc.) sei der Mitbeteiligte in seinen zeitlichen und örtlichen Dispositionen vollkommen frei. Hinzu trete, dass der Mitbeteiligte jede von ihm selbst erarbeitete Solopartie an beliebig vielen Aufführungsorten darbieten könne. Wie seine zahlreichen Engagements bewiesen, habe für ihn auch keine Bindung an ein bestimmtes Opernhaus bestanden.

Eine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Dienstgebers liege für den weitaus überwiegenden Teil der beruflichen Tätigkeit des Mitbeteiligten in keiner Form vor. Bereits darin, dass der Mitbeteiligte seine Solopartien jeweils als einzelnes Werk schulde, unterscheide er sich nicht von jedem selbständig Tätigen, welcher sein Werk zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen habe, um ein übergeordnetes Gesamtwerk fristgerecht zu ermöglichen.

Der Mitbeteiligte habe auch sämtliche Arbeitsmittel bis zur jeweiligen Darbietung der Solopartien selbst bereitzustellen. Dies reiche vom Instrument zum Einstudieren der Solopartie über Arbeitsbehelfe wie etwa Noten bis hin zum Kraftfahrzeug, mit dem der Mitbeteiligte zu den einzelnen Aufführungsorten gelange. Auch die Zahlung einer Vermittlungsprovision für die Erlangung der Beschäftigung sei bei einer nichtselbständigen Tätigkeit im Regelfall nicht gegeben.

Die Leistungsverhältnisse zwischen dem Mitbeteiligten und den Opernhäusern seien sohin als selbständige Tätigkeiten zu qualifizieren.

Die geltend gemachten Reisekosten stünden mit den inländischen Einkünften des Mitbeteiligten in Zusammenhang und würden als Betriebsausgaben anerkannt. Ebenso seien die auf die inländischen Engagements des Mitbeteiligten entfallenden Vermittlungsprovisionen als Betriebsausgaben anzuerkennen. Schließlich seien auch Sozialversicherungsbeiträge als Betriebsausgaben abzugsfähig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die - als Revision geltende (§ 4 Abs. 1 zweiter Satz VwGbk-ÜG) - Beschwerde des Finanzamtes. Das Finanzamt bekämpft diesen Bescheid insoweit, als die von der Oper Wien und der Oper Graz erzielten Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit qualifiziert und Fahrtkosten vom Wohnsitz in Klagenfurt zu den Arbeitsstätten in Graz und Wien sowie pauschale Nächtigungsgelder einkünftemindernd berücksichtigt wurden.

Das Bundesfinanzgericht hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Der Mitbeteiligte hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.

Die Revision ist nicht zulässig:

Eine Revision, die sich gegen den Bescheid einer unabhängigen Verwaltungsbehörde richtet, ist gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG unzulässig, wenn die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen. Eine solche Revision hat gesondert die Gründe zu enthalten, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 28 Abs. 5 BFGG gelten die §§ 4 bis 6 und 8 bis 10 des VwGbk-ÜG sinngemäß für jene Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes fallen.

Zur Darlegung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird in der Revision ausgeführt, es liege eine Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör vor. Der unabhängige Finanzsenat, der Mitbeteiligte und dessen Arbeitgeber seien ebenso wie das beschwerdeführende Finanzamt bis zum Ergehen des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, dass es sich bei den vom Mitbeteiligten erzielten Einkünften um solche aus nichtselbständiger Arbeit handle. Im angefochtenen Bescheid sei die belangte Behörde erstmals zu dem Schluss gekommen, dass diese Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit zu qualifizieren seien und habe ohne weitere Beweisaufnahme erstmals Feststellungen getroffen, die aus Sicht der belangten Behörde für eine selbständige Tätigkeit des Mitbeteiligten sprechen würden. Diese neuen Sachverhaltsannahmen seien dem Finanzamt nicht vorgehalten worden, sodass es keine Gelegenheit gehabt habe, dazu Stellung zu nehmen. Bei Gewährung des rechtlichen Gehörs hätte das Finanzamt die Möglichkeit gehabt, jene Umstände und Indizien aufzuzeigen, die für die Dienstnehmereigenschaft des Mitbeteiligten sprechen würden; auch hätte das Finanzamt ergänzende Beweisanträge zur Feststellung des für die Beurteilung relevanten tatsächlich verwirklichten Gesamtbildes stellen können. Darüber hinaus hätte die belangte Behörde die Obliegenheit gehabt, den Parteien bekannt zu geben, dass sie den zwischen den Parteien des Berufungsverfahrens unstrittigen Standpunkt (Vorliegen von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit) nicht teile, um ihnen damit Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Da sie dieser Obliegenheit nicht nachgekommen sei, verstoße sie gegen das auch im Abgabenverfahren geltende Überraschungsverbot.

Mit diesem Vorbringen zeigt das Finanzamt nicht auf, dass die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt:

Wenn die belangte Behörde die zwischen den Parteien des Berufungsverfahrens unstrittigen Standpunkte nicht teilt, trifft sie die Obliegenheit, dies den Parteien bekannt zu geben und ihnen Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Andernfalls verstößt sie gegen das auch im Abgabenverfahren geltende Überraschungsverbot (vgl. das Erkenntnis vom 8. Juli 2009, 2007/15/0036). Im vorliegenden Fall hatte freilich der Mitbeteiligte in der Berufung - mit näherem Vorbringen zum Sachverhalt - eingewandt, es lägen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit vor. Damit lag aber insoweit kein zwischen den Parteien des Berufungsverfahrens unstrittiger Standpunkt vor. Ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot liegt daher nicht vor.

Das Parteiengehör (§ 115 Abs. 2 BAO) gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates (vgl. - mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung - Ritz, BAO5, § 115 Tz 14). Gemäß § 183 Abs. 4 BAO ist den Parteien vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Im Berufungsverfahren haben die Abgabenbehörden zweiter Instanz die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind (§ 279 Abs. 1 BAO idF vor FVwGG 2012). Die Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs besteht für den unabhängigen Finanzsenat auch gegenüber der Amtspartei (vgl. Ritz, BAO4, § 279 Tz 4).

Es besteht aber keine Verpflichtung, die beabsichtigte Würdigung der Beweisergebnisse vor Bescheiderlassung vorzuhalten (vgl. das Erkenntnis vom 29. März 2012, 2009/15/0084, mwN). Das Parteiengehör erstreckt sich weiters nur auf sachverhaltsbezogene Umstände, nicht jedoch auf Rechtsansichten (vgl. Ritz, BAO5, § 115 Tz 16, mwN). Der geltend gemachte Verstoß gegen die Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs liegt sohin ebenfalls nicht vor.

Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 1. September 2015

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