Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid ging die belangte Behörde von einer Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen und der Ansässigkeit des Mitbeteiligten in die Schweiz mit der Folge aus, dass der für die Ausübung in der Schweiz bezogene Lohn nicht der österreichischen Besteuerung unterliege.
Begründend führte sie aus, dass der verheiratete Mitbeteiligte seine Beschäftigung in der Schweiz am 19. Februar 2009 aufgenommen und während des gesamten Kalenderjahres ausgeübt und dort über eine Wohnung verfügt habe, in der er sich aufgehalten habe. Als Miteigentümer eines Wohnhauses habe er aber auch in Österreich eine Wohnung inne gehabt und diese anlässlich seiner Inlandsaufenthalte auch benutzt. Er habe dazu selbst angegeben, im Veranlagungszeitraum alle zwei Monate, etwa während des Sommerurlaubes, nach Österreich zurückgekehrt zu sein.
Da der Mitbeteiligte somit sowohl in Österreich als auch in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sei und in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte verfüge, gelte er gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA-Schweiz als in dem Vertragsstaat ansässig, zu dem er die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen habe (Mittelpunkt der Lebensinteressen).
Der Mitbeteiligte habe - glaubwürdig und via Routenplaner sowie Zugplan nachvollziehbar - angegeben, aufgrund seiner Arbeitszeiten (10 Tage Dienst, 3 Tage frei) und der Entfernung zwischen den Wohnorten in Österreich und der Schweiz höchstens alle zwei Monate nach Österreich zurückgekehrt zu sein. Im Regelfall sei seine Ehefrau zu ihm in die Schweiz gekommen, weil sie teilzeitbeschäftigt gewesen sei und sich ihre Arbeitszeit frei habe einteilen können. Zeitweise hätten sich er und seine Ehefrau eineinhalb Monate lang nicht gesehen. Es sei ihm auch nicht möglich gewesen, in Österreich am gesellschaftlichen Leben teil zu nehmen. Die Freizeitgestaltung betreffende Tätigkeiten hätten ausschließlich in der Schweiz stattgefunden. Der Mitbeteiligte habe selbst keine Kinder; der im Jahr 1985 geborene Sohn der Ehefrau sei im Veranlagungszeitraum bereits 24 Jahre alt gewesen und habe nicht mehr der ständigen Anwesenheit und Aufsicht der Mutter bedurft.
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Mitbeteiligten sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Veranlagungsjahr in der Schweiz gelegen. Die Ehefrau sei im Regelfall zu ihm in die Schweiz gekommen, die Eheleute hätten ihre gemeinsame Zeit überwiegend in der Schweiz verbracht, die Freizeitgestaltung des Mitbeteiligten habe in der Schweiz stattgefunden und mit Ausnahme von wenigen Aufenthalten am Wohnsitz in Österreich habe er sich überwiegend in der Schweiz aufgehalten. Gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA-Schweiz sei der Mitbeteiligte in der Schweiz ansässig. Der für die Ausübung seiner Arbeit in der Schweiz bezogene Lohn habe folglich gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz nur in der Schweiz besteuert werden dürfen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Finanzamtes, wonach bei der festgestellten Sachlage von engeren persönlichen Beziehungen des Mitbeteiligten zum Familienwohnsitz in Österreich auszugehen sei.
Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für die Beurteilung der Frage, zu welchem Ort (in welchem Staat) ein doppelt-ansässiger Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen, und die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements (vgl. VwGH vom 25. Juli 2013, 2011/15/0193).
Begründet eine Person in einem Staat eine Wohnstätte, ohne ihre im anderen Staat schon bestehende Wohnstätte aufzugeben, so kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte beibehält, wo sie bisher gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten dafür sprechen, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat. Eine zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit lässt den Mittelpunkt der Lebensinteressen auch dann im Inland bestehen, wenn die Familie an den Arbeitsort im Ausland mitzieht, die Wohnung im Inland aber beibehalten wird (vgl. nochmals VwGH vom 25. Juli 2013, 2011/15/0193, mwN).
Als Anknüpfungspunkte an die Schweiz bestehen die weniger als einjährige bisherige Berufstätigkeit als Dienstnehmer eines Schweizer Arbeitgebers sowie eine ständige Wohnstätte in Form einer angemieteten Wohnung. Darüber hinaus hat der Mitbeteiligte im Verwaltungsverfahren kein substantiiertes Vorbringen über konkrete persönliche Beziehungen in der Schweiz, die über persönliche Beziehungen in Österreich hinausgingen, erstattet. Übliche Kontakte zu Arbeitskollegen und Mitbewohnern fallen nicht als persönliche Beziehungen ins Gewicht.
Demgegenüber fällt für Österreich ins Gewicht, dass hier die Ehefrau des Mitbeteiligten mit ihrem Sohn lebt, die laufend das gemeinsame Wohnhaus - seine in Österreich gelegene ständige Wohnstätte, zu der er auch im Streitzeitraum mehrfach zurückgekehrt ist - betreut und die ihn in der Schweiz regelmäßig besucht. Damit liegt der Mittelpunkt von Familie und Besitz aber weiterhin klar in Österreich.
Bei Abwägung der Gesamtheit der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Mitbeteiligten zu den beiden Vertragsstaaten ergibt sich aus den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen eine fortbestehende tiefe Verwurzelung des Mitbeteiligten in Österreich, wo im Streitzeitraum für ihn der bedeutungsvollere Wohnsitz gelegen ist. Damit ist Österreich der Ansässigkeitsstaat gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA-Schweiz gewesen.
Solcherart erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 16. Dezember 2015
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