VwGH 2013/08/0003

VwGH2013/08/00032.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, unter Beziehung der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien, vertreten durch Dr. Eva-Maria Bachmann-Lang und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Opernring 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 12. November 2012, BMASK-427959/0001- II/A/3/2012, betreffend Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (mitbeteiligte Partei: I W in E), zu Recht erkannt:

Normen

GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
UGB §116 Abs1;
UGB §116;
UGB §164 idF 2005/I/120;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
UGB §116 Abs1;
UGB §116;
UGB §164 idF 2005/I/120;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen dem Mitbeteiligten W. I. und seinem Sohn W. M. wurde am 29. Dezember 2005 ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen, durch den sich die Genannten zu einer Kommanditerwerbsgesellschaft unter der Firma W. M. KEG zusammenschlossen. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

"Gesellschaftsvertrag

...

III. Unternehmensgegenstand

Gegenstand des Unternehmens ist die Ausübung des Hotel- und Gaststättengewerbes.

...

V. Stellung der Gesellschafter

W. M. ist der persönlich haftende Gesellschafter.

W. I. hat die Stellung eines Kommanditisten. Die Haftung des

Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigem ist mit EUR 3.000,00 (dreitausend) beschränkt und gilt als Haftkapital. Der Kommanditist trägt kein Unternehmerrisiko. Der Kommanditist ist weder in der Gesellschaft tätig, noch haftet er für zukünftig entstehende Verluste, die über die Hafteinlage (EUR 3.000,-) hinausgehen. Der Kommanditist ist zu keiner Nachschusspflicht verpflichtet. Der Kommanditist verpflichtet sich, das durch Verluste geminderte Kapitalkonto durch die Gutschrift späterer Gewinne aufzufüllen. Der Kommanditist haftet weder im Außenverhältnis, noch im Innenverhältnis für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die über die Einlage hinausgehen.

VI. Geschäftsführung und Vertretung

Die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft obliegen dem Komplementär. Dieser hat die Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes zu führen. Dem Komplementär sind die Aufwendungen aller Art, die durch die Geschäftsführung der Gesellschaft erwachsen, zu ersetzen. Eine schriftliche Zustimmung des Kommanditisten zu Angelegenheiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft gehören, ist einzuholen.

Unter den Handlungen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes sind solche Verrichtungen zu verstehen, die sich im gewöhnlichen Verlauf der Dinge als notwendig oder zweckmäßig erweisen und keinen besonderen Kostenaufwand (pro Anschaffung und pro Jahr unter EUR 5.000,00) erfordern.

VII. Kontrollrecht des Kommanditisten

Der Kommanditist ist berechtigt, jederzeit in die Aufzeichnungen und Papiere der Gesellschaft Einsicht zu nehmen, weiters hat der Kommanditist eine Abschrift des Jahresabschlusses samt dazugehöriger Gewinn- und Verlustrechnung zu erhalten, und deren Richtigkeit unter Einsicht in die Bücher und Papiere der Gesellschaft zu prüfen.

VIII. Gesellschafterbeschlüsse

Alle Handlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, bedürfen eines Gesellschafterbeschlusses. Gesellschafterbeschlüsse können nur in Gesellschafterversammlungen gefasst werden. Je EUR 1.000,00 pro Wert der Einlage gewähren eine Stimme (Nachschüsse bleiben außer Betracht).

Beschlüsse bedürfen der einfachen Mehrheit sämtlicher Stimmen. IX. Wettbewerbsverbot

Der persönlich haftende Gesellschafter darf ohne die Einwilligung des anderen Gesellschafters im Bereiche des Unternehmergegenstandes der Gesellschaft keine Geschäfte machen und auch nicht an einer anderen gleichartigen Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter teilnehmen.

...

XI. Kapitalanteil und Gesellschafterkonten

Das Kapitalkonto des Kommanditisten, auf welchem ausschließlich die Einlage zu buchen ist, bleibt unverändert und wird nicht verzinst. Für die durch Gewinne bzw. Verluste erfolgenden Veränderungen sind für jeden Gesellschafter Privatkonten zu führen. ...

XII. Gewinn und Verlustverteilung, Entnahmen

Ein nach Verrechnung des Unternehmerlohnes für den Komplementär und nach Verrechnung allfälliger Zinsen auf den Privatkonten verbleibender Gewinn wird im Verhältnis 90% (Kommanditist) und zu 10% (Komplementär) aufgeteilt. Im selben Verhältnis nehmen die Gesellschafter an einem allfälligen Verlust teil. Der Komplementär erhält als Vergütung für seine Geschäftsführertätigkeit solange er die Vertretung und Geschäftsführung innehat, einen monatlichen Unternehmerlohn. Die Höhe des Unternehmerlohnes wird mit einem Gesellschafterbeschluss festgesetzt.

Entnahmen sind nur zulässig, soweit die Privatkonten ein Guthaben ausweisen. Negative Privatkonten sind mit zukünftigen Gewinnen aufzufüllen.

XIII. Sacheinlagenvereinbarung

...

Festgehalten wird, daß W. I. (Mitbeteiligter), Alleininhaber der protokollierten Firma 'W. I.' mit den dazugehörigen Teilbetrieben 'Hotel R.' und 'Spenglerei und Appartements' ist. Nicht eingebracht wird der Teilbetrieb 'Spenglerei und Appartements'. Dieser Teilbetrieb wird von der protokollierten Firma 'W. I.' weitergeführt.

Festgehalten wird, dass W. M. derzeit Pächter des Teilbetriebes 'Hotel R.' ist.

W. I. bringt somit seinen Teilbetrieb 'Hotel R.' samt allem Geschäftsinventar und Kundenstock aufgrund der einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildenden Einbringungsbilanz zum 31.03.2005 zu Buchwerten als Sacheinlage in die Kommanditerwerbsgesellschaft ein. Nicht eingebracht wird die Liegenschaft. W. I. verpflichtet sich jedoch, der Kommanditerwerbsgesellschaft die Liegenschaft zu einem üblichen Mietzins zu vermieten. Ein diesbezüglicher Mietvertrag ist zwischen W. I. und der Kommanditerwerbsgesellschaft abzuschließen.

...

..."

Der in Punkt XIII. des Gesellschaftsvertrages erwähnte, zwischen der W. M. KEG als Mieterin und dem Mitbeteiligten als Vermieter abgeschlossene Mietvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

"Mietvertrag

...

1.Mietgegenstand

Gegenstand dieses Mietvertrages ist die Liegenschaft mit der Grundstücksnummer xxxx in KG E., bestehend aus: Hotel R., Außenanlagen und anschließende Parkplätze. Diese Liegenschaft wird der Mieterin zu folgenden Bedingungen überlassen:

2. Mietzweck

Der Mietgegenstand ist zur Nutzung ausschließlich für den Betrieb eines Hotels bestimmt. Eine Untervermietung bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Vermieters.

3.Vertragsdauer

Das Mietverhältnis hat bereits am 01.04.2005 (Zusammenschlußstichtag) begonnen und der zunächst mündliche Mietvertrag wird nun schriftlich festgehalten. Dieses Mietverhältnis wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen und kann von jedem der beiden Vertragspartner mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Ende eines jeden Jahres durch eingeschriebenen Brief aufgekündigt werden.

4.Mietzins

Der von der Mieterin monatlich im Vorhinein zu entrichtende

Mietzins beträgt EUR 1.577,55, zuzüglich der gesetzlichen

Umsatzsteuer.

...

6. Erhaltung und Reparaturen

Die Mieterin verpflichtet sich den Mietgegenstand in tadellosem Zustand und jederzeit gebrauchsfähig zu erhalten. Bei Beendigung des Bestandverhältnisses ist die Liegenschaft im gleichen Zustand wie übernommen zurückzustellen. Die natürliche Abnutzung geht zu Lasten des Vermieters. Weiters hat die Mieterin die Betriebskosten und die Instandhaltung im eigenen Namen selbst zu entrichten.

7. Investitionen

Bauliche Investitionen innerhalb des oder am Mietgegenstand dürfen nur mit vorheriger schriftlicher Einwilligung des Vermieters durchgeführt werden. Die Investitionen bleiben für die Dauer des Bestandsverhältnisses im Eigentum der Mieterin. Bei Beendigung des Bestandsverhältnisses ist der frühere Zustand auf Kosten der Mieterin wiederherzustellen, sofern dies verlangt wird. Rückersatz ist keiner vorgesehen.

8. ...

..."

Mit Bescheid vom 9. Mai 2011 stellte die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt gemäß § 194 GSVG iVm § 410 ASVG fest, dass der Mitbeteiligte aufgrund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit von 1. Jänner 2008 bis 31. Dezember 2008 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliege.

Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 4. Mai 2010 seien Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv EUR 6.312,80 ausgewiesen, die aus seiner Stellung als Kommanditist der Firma W. M. KG stammten. Laut Mitteilung des Firmenbuches sei der Mitbeteiligte jedenfalls im Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2008 als Kommanditist der W. M. KG im Firmenbuch eingetragen gewesen.

Beim Betrieb einer Fremdenpension könne nicht davon ausgegangen werden, dass "die oben genannten Angelegenheiten" bereits über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens hinausgingen. Durch das dem Kommanditisten in dieser Bestimmung des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich eingeräumte Zustimmungsrecht sei ein der Gesamtgeschäftsführung gleichzuhaltendes Einstimmigkeitsprinzip festgelegt, das diesem die Möglichkeit gebe, den genannten Geschäften im Innenverhältnis zu widersprechen. Damit habe der Mitbeteiligte ein unternehmerisches Mitspracherecht bei der Unternehmensführung, das einer selbständigen Erwerbstätigkeit gleichkomme.

Auch auf Grund der Überlassung des in seinem Sonderbetriebsvermögen zurückbehaltenen Betriebsgrundstückes an die KG sei der Mitbeteiligte als selbständig erwerbstätig anzusehen; insbesondere, da dieses für die Führung des KG-Betriebes erforderlich (betriebsnotwendig) sei und ihm regelmäßig bzw. notwendigerweise Einflussmöglichkeiten auf den laufenden KG-Betrieb zukämen.

Da gemäß Punkt XIII. des Gesellschaftsvertrages für die Überlassung der Betriebsliegenschaft ein "üblicher Mietzins" vereinbart worden sei, werde der Mitbeteiligte auch verpflichtet sein, das Wirtschaftsgut in einem für die KG brauchbaren Zustand zu erhalten. Damit müsse er aber - als notwendiger Auftraggeber des zivilrechtlich ihm weiterhin zuzurechnenden Wirtschaftsgutes - im Zusammenhang mit den dafür notwendigen Wartungs- und Reparaturleistungen Zustimmungs- bzw. Entscheidungsbefugnisse besitzen. Da die Instandhaltung des zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgutes zu den den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der KG betreffenden Geschäftsführungsagenden zähle (z.B. Instandhaltung von Gebäuden und Zufahrtswegen bei der eine Fremdenpension führenden KG), habe der das Wirtschaftsgut überlassende Kommanditist als zivilrechtlicher Eigentümer geradezu notwendig eine Rechtsstellung inne, die ihm über seine Widerspruchsrechte nach § 164 UGB hinausreichende Entscheidungsbefugnisse vermittle.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Einspruch.

Mit Bescheid vom 11. Jänner 2012 wies der Landeshauptmann von Tirol den Einspruch als unbegründet ab.

Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung, welcher mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid Folge gegeben und festgestellt wurde, dass der Mitbeteiligte in der Zeit von 1. Jänner bis 31. Dezember 2008 nicht der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliege.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest:

Laut Einkommenssteuerbescheid 2008 vom 4. Mai 2010 habe der Mitbeteiligte Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv EUR 6.312,80 lukriert. Unstrittig sei, dass diese Einkünfte aus seiner Stellung als Kommanditist der Firma W. M. KG stammten.

Laut Firmenbuchauszug sei der Mitbeteiligte im Zeitraum vom 1. Jänner 2008 bis 31. Dezember 2008 als Kommanditist der W. M. KG eingetragen. Die Haftung des Kommanditisten sei mit EUR 3.000,-

beschränkt. Gegenstand des Unternehmens sei die Ausübung des Hotel- und Gaststättengewerbes.

Laut Gesellschaftsvertrag vom 29. Dezember 2005 hätten sich W. M. und der Mitbeteiligte zu einer Kommanditerwerbsgesellschaft unter der Firma W. M. KEG zusammengeschlossen. Die Firma sei im Dezember 2009 dem UGB angepasst und die Firmenbezeichnung in W. M. KG geändert worden. Unstrittig sei, dass die Geschäftsführung durch den Komplementär M. W., den Sohn des Mitbeteiligten, erfolge. Der Gewinn werde im Verhältnis 90% (Kommanditist) und 10% (Komplementär) aufgeteilt (vgl. Punkt XII. des Gesellschaftsvertrages).

Unstrittig sei auch, dass der Mitbeteiligte als Alleininhaber der protokollierten Firma W. I. mit den dazugehörigen Teilbetrieben "Hotel R." und "Spenglerei und Appartements" seinen Teilbetrieb Hotel R. als Sacheinlage einbringe, nicht jedoch die Liegenschaft. Diese werde als Sonderbetriebsvermögen an die KG vermietet, wofür ein üblicher Mietzins vereinbart werde (vgl. Punkt XIII. des Gesellschaftsvertrages).

Der Mitbeteiligte habe gegenüber der Wirtschaftskammer Tirol sein Gastgewerbe "mit den nach § 189 Abs. 1 Z 1 GewO" in der Betriebsart eines Fremdenheimes mit 30. November 2005 ruhend gemeldet und gegenüber der BH Reutte die Zurücklegung dieser Konzession auf Grund des Übergangs auf einen Rechtsnachfolger am 11. Jänner 2005 und seiner Gewerbeberechtigungen "Einzelhandel mit Eisenwaren" und "Spenglergewerbe" am 16. Mai 2006 angezeigt. Seit dem 1. Dezember 2005 beziehe er eine Erwerbsunfähigkeitspension nach dem GSVG. Seit 1. Jänner 1977 sei er bei der TGKK freiwillig krankenversichert.

Aus der vorgelegten Bilanz für das Jahr 2008 ergebe sich ein Umsatzerlös iHv EUR 141.479,81 und ein Bilanzgewinn iHv EUR 6.219,32. Laut Schreiben vom 24. Oktober 2011 und vom 7. August 2012 seien im Jahr 2008 folgende Investitionen getätigt worden: Kauf einer Kaffeemaschine iHv EUR 1.371,- und eines Flaschenkühlschranks iHv EUR 983,34. Darüber hinaus seien EUR 3.483,99 in geringfügige Wirtschaftsgüter unter EUR 400,-

investiert worden. Investitionen über EUR 5.000,- seien nicht getätigt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Versicherungspflicht von Kommanditisten gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG aus, dass - unter Bezugnahme auf Punkt VI. des Gesellschaftsvertrages, wonach erst Anschaffungen ab EUR 5.000,- der Zustimmung des Kommanditisten bedürften - aus der Zusammenschau von Umsatzerlös und Gewinn des Betriebes und der Einkünfte des Kommanditisten selbst diese Konstruktion nicht als ungewöhnlich anzusehen sei. Investitionen über EUR 5.000,- würden sehr wohl Großinvestitionen (außergewöhnliche Geschäfte) darstellen, die durchaus auch nicht laufend zu erwarten seien. Dies stimme auch mit den bisher getätigten Investitionen überein. Diesbezüglich sei sohin zusammenfassend von keiner Möglichkeit zur Einflussnahme des Kommanditisten auf die gewöhnliche Geschäftsführung auszugehen.

Zu Punkt 7. des Mietvertrages werde entgegen der Meinung der Einspruchsbehörde angemerkt, dass diese Bestimmung nur die rechtliche Einflussmöglichkeit auf das Bestandverhältnis betreffe, jedoch keine rechtliche Einflussmöglichkeit auf den (gewöhnlichen) Geschäftsbetrieb der KG darstelle. Es handle sich dabei durchaus um eine fremdübliche Vereinbarung im Mietvertrag und ergäben sich daraus keine, wie vom VwGH gefordert, weitreichenden Geschäftsführungsbefugnisse des Kommanditisten. Dies gelte ebenso für Punkt XIII. des Gesellschaftsvertrages (Kündigungs- und Auflösungsrecht).

Dem Vorbringen der Einspruchsbehörde, die Gewinnverteilung räume dem Mitbeteiligten eine rechtliche Stellung ein, die wesentlich stärker sei, als die eines Kommanditisten, und er trage ein erhebliches Unternehmerrisiko, sei zu entgegnen, dass sich aus dem Gesellschaftsvertrag keine unbeschränkte Nachschusspflicht bzw. Verlusthaftung des Kommanditisten ergebe. Eine Tragung des vollen unternehmerischen Risikos durch den Kommanditisten ergebe sich auch daraus nicht. Auch die Berechtigung des Kommanditisten, jederzeit in die Aufzeichnungen und Papiere der Gesellschaft Einsicht nehmen zu können, stelle keine Geschäftsführungsbefugnis dar, die über die gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsrechte hinausgehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Im Beschwerdefall ist die Frage zu klären, ob der Mitbeteiligte als Kommanditist der einen Hotelbetrieb führenden KG auf Grund einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG im hier maßgeblichen Zeitraum der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG unterlag.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 11. September 2008, 2006/08/0041, eingehend mit der Pflichtversicherung von Kommanditisten nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG auseinandergesetzt. Er hat dabei ausgesprochen, dass Kommanditisten einer KG nach Maßgabe einer "aktiven Betätigung" im Unternehmen, die auf Einkünfte gerichtet ist, pflichtversichert sein sollen, nicht aber Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen", d.h. sich im Wesentlichen auf die gesetzliche Stellung eines Kommanditisten beschränken. Die Beantwortung der Frage, ob sich der Kommanditist in einer für § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG relevanten Weise "aktiv" im Unternehmen betätigt, kann in rechtlicher Hinsicht nur vom Umfang seiner Geschäftsführungsbefugnisse, und zwar auf Grund rechtlicher - und nicht bloß faktischer - Gegebenheiten, abhängen. Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen", und die daher nicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sein sollen, sind jedenfalls jene, deren Rechtsstellung über die gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung nicht hinausgeht (vgl. dazu aus jüngerer Zeit etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 2015, 2012/08/0235, und vom 11. Juni 2014, 2012/08/0157, jeweils mwN).

Nach § 164 UGB in der hier anzuwendenden Fassung des Handelsrechts-Änderungsgesetzes - HaRÄG sind in der KG die Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen; sie können einer Handlung der unbeschränkt haftenden Gesellschafter nicht widersprechen, es sei denn, dass die Handlung über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens der Gesellschaft hinausgeht. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch Abweichendes anordnen (vgl. Kammel in Straube, Wiener Kommentar zum UGB, Rz 12 zu § 164).

Wurden dem Kommanditisten entsprechende Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt, welche über die Mitwirkung an außergewöhnlichen Geschäften hinausgehen, oder steht ihm ein derartiger rechtlicher Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens zu, dann ist es unerheblich, in welcher Häufigkeit von diesen Befugnissen tatsächlich Gebrauch gemacht wird, sowie ob und in welcher Form sich der Kommanditist am "operativen Geschäft" beteiligt oder im Unternehmen anwesend ist (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2014, sowie - ebenfalls die Ausübung eines Gastgewerbes betreffend - das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, 2007/08/0043).

Ob einem Kommanditisten mehr Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt wurden, als ihm nach § 164 UGB zustehen, richtet sich also danach, ob sich seine Mitwirkungsrechte auch auf die Angelegenheiten des gewöhnlichen Betriebes der Gesellschaft erstrecken, ihm also nicht nur das Widerspruchsrecht nach § 164 erster Satz zweiter Halbsatz UGB in Verbindung mit § 116 Abs. 1 UGB zusteht (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom 11. September 2008, 2006/08/0041, wobei nun auf das UGB statt dem HGB abzustellen ist).

3. Ob ein Geschäft zu den gewöhnlichen Betriebsgeschäften gehört, ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden. Maßgebend ist dabei der Gesellschaftsvertrag, Art und Umfang des Betriebes und Art, Größe und Bedeutung des Geschäftes für den Betrieb (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2015, mwN).

Gewöhnlich sind Handlungen, die im konkreten Unternehmen, wenn auch nicht alltäglich, so doch von Zeit zu Zeit zu erwarten sind, z.B. der Abschluss und Auflösung von Dienstverhältnissen in einem Gastronomiebetrieb (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 11. Juli 2012, 2012/08/0123, vom 18. Februar 2009, 2007/08/0043, und vom 23. Jänner 2008, 2006/08/0173).

Außergewöhnliche Geschäfte sind solche, die nach Art und Inhalt (z.B. einschneidende Organisationsänderungen, Beteiligungen an anderen Unternehmen), Zweck (z.B. außerhalb des Unternehmensgegenstandes) oder Umfang und Risiko Ausnahmecharakter haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 2008, 2006/08/0041), d.h. jedenfalls in der betreffenden Gesellschaft nicht häufig vorkommen (vgl. Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann, UGB2, § 116 Rz 4ff, mwH). Die Qualifikation einer Geschäftsführung als außergewöhnlich kann stets nur nach einer Gesamtbetrachtung erfolgen (Enzinger in Straube, UGB-Kommentar4 (2011), Rz 12 zu § 116, mwN).

4. Die belangte Behörde hat jedoch verabsäumt, brauchbare Tatsachenfeststellungen zum konkreten Umfang des Geschäftsbetriebes im Jahr 2008 zu treffen. Sie legt lediglich die Einkünfte, gesellschaftsrechtlichen Strukturen, Gewinnverteilung und Vertragsinhalte dar bzw. setzt sich mit bisherigen Aufwendungen auseinander.

Um im Lichte der bereits vorgestellten Judikatur bewerten zu können, ob - auch ausgehend von den Regelungen im Gesellschaftsvertrag - dem Mitbeteiligten im konkreten Fall tatsächlich mehr Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt wurden, als ihm nach § 164 UGB zustehen, ist es unabdingbar, relevante Umstände zum Geschäftsbetrieb, Art und Größe der Anlagen wie auch Angebote des Beherbungsbetriebes, Ausstattung, Zimmeranzahl, Anzahl der Dienstnehmer samt Gehälter, etc, festzustellen.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 2. September 2015

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