VwGH 2013/07/0102

VwGH2013/07/010229.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Brandl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der G GesmbH in H, vertreten durch Loimer Scharzenberger-Preis Rechtsanwälte Partnerschaft in 5020 Salzburg, Johann-Wolf-Straße 13, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg (nunmehr: Landeshauptmann von Salzburg) vom 6. Mai 2013, Zl. 205-01/1267/295-2013, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und einer Berufung in einem Verwaltungsvollstreckungsverfahren (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §22;
AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1;
VStG §22 Abs2;
VVG §4;
ZustG §13 Abs3;
ZustG §16 Abs1;
ZustG §16 Abs2;
ZustG §16 Abs5;
ZustG §21;
ZustG §7;
AVG §22;
AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1;
VStG §22 Abs2;
VVG §4;
ZustG §13 Abs3;
ZustG §16 Abs1;
ZustG §16 Abs2;
ZustG §16 Abs5;
ZustG §21;
ZustG §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 28. Februar 2012 ordnete die Bezirkshauptmannschaft (BH) Hallein gegenüber der beschwerdeführenden Partei infolge nicht vollständiger Erfüllung der ihr mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 2010 auferlegten Verpflichtung zur nachweislichen ordnungsgemäßen Entfernung der in P - U gelagerten Abfälle die bereits mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 angedrohte Ersatzvornahme an und trug der beschwerdeführenden Partei als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme gemäß § 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) die Hinterlegung von EUR 558.697,-- auf. Dieser an die beschwerdeführende Partei adressierte Bescheid wurde ihr mit RSb-Sendung zugestellt und von X R, Mitarbeiterin der beschwerdeführenden Partei, am 29. Februar 2012 übernommen.

Mit Schriftsatz vom 30. März 2012 beantragte die beschwerdeführende Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sowie die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung und erstattete gleichzeitig gegen den Bescheid vom 28. Februar 2012 Berufung. Zum Wiedereinsetzungsantrag brachte die beschwerdeführende Partei vor, X R sei aufgrund des stressigen und oftmals hektischen Büroalltags und einer Vielzahl von Behördenschriftstücken, die Ende Februar bis Mitte März 2012 eingelangt seien, mit der Eintragung bzw. Wahrung von Fristen und Terminen als "Nicht-Juristin" und nicht eigens für die Führung von Fristenbüchern ausgebildete Mitarbeiterin der beschwerdeführenden Partei kurzfristig überfordert gewesen und habe es erstmals übersehen, dem alleinigen Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei den Bescheid der BH Hallein rechtzeitig zur fristgerechten Einbringung einer Berufung zu übergeben. Ihr sei auch die rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung des Bescheides nicht bewusst gewesen. Vielmehr habe sie die zahlreichen Poststücke der BH Hallein und der belangten Behörde "gesammelt", nachdem fast täglich Zustellungen seitens der Behörden erfolgt seien. Der Bescheid der BH Hallein vom 28. Februar 2012 sei dem Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei samt dem Aufforderungsschreiben der BH Hallein vom 21. März 2012 frühestens am 23. März 2012 übergeben worden. X R habe keine juristische Ausbildung bzw. Vorkenntnisse. Es sei auch nicht ihre Aufgabe gewesen, Rechtsmittelfristen zu berechnen und entsprechend zu kalendieren, sondern nur die eingehende Post zu sichten, zu sammeln und zu sortieren und bei nächster Gelegenheit an den Geschäftsführer vorzulegen. Bei einem Transport- und Erdbauunternehmen wie jenem der beschwerdeführenden Partei sei die Führung von Fristenbüchern und die Beschäftigung von zur Fristenberechnung besonders geschulten Mitarbeitern nicht üblich, weshalb der beschwerdeführenden Partei kein internes Organisationsverschulden vorwerfbar sei. Die Versäumung der Berufungsfrist beruhe vielmehr im Hinblick auf die kurzfristige Überforderung der ansonsten verlässlichen Mitarbeiterin auf ein einmaliges, entschuldbares Fehlverhalten. Zudem sei der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei Anfang März wegen migräneartigen Kopfschmerzen für mehrere Tage "außer Gefecht" gewesen. Überdies verfüge X R erst seit Anfang März 2012 über eine Postvollmacht, weshalb sie am 29. Februar 2012 nicht zur Entgegennahme von Behördenpoststücken berechtigt gewesen sei. In der Berufung monierte die beschwerdeführende Partei betreffend der Zustellung des Bescheides hinsichtlich der Anordnung der Ersatzvornahme und über die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme, dieser hätte gemäß § 21 Zustellgesetz (ZustG) eigenhändig an ihren Geschäftsführer zugestellt werden müssen.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2012 wies die BH Hallein im zweiten Rechtsgang die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung sowie die Berufung ab. In der von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten ärztlichen Bestätigung vom 27. März 2012 werde lediglich bestätigt, dass der Geschäftsführer an diesem Tag dem Arzt gegenüber angegeben habe, Anfang März von heftigen Kopfschmerzen geplagt gewesen zu sein und er deshalb einen Termin bei der BH nicht wahrnehmen habe können. Im Übrigen sei die Mitarbeiterin der beschwerdeführenden Partei zur Entgegennahme des Bescheides berechtigt gewesen. Gemäß § 16 Abs. 1 und 2 ZustG sei eine Ersatzzustellung an einen Arbeitnehmer der Empfängerin, der zur Annahme bereit sei, auch in den Fällen des § 13 Abs. 3 ZustG zulässig. Es liege weder ein unvorhergesehenes, noch ein unabwendbares Ereignis iSd § 71 AVG vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab.

Begründend legte die belangte Behörde dar, dass grundsätzlich die an die beschwerdeführende Partei gerichteten Schreiben an deren Geschäftsführer als deren Vertreter iSd § 13 Abs. 3 ZustG zuzustellen seien. Eine Ersatzzustellung an einen geeigneten Ersatzempfänger sei gemäß § 16 Abs. 1 ZustG zulässig, sofern der Vertreter iSd § 13 Abs. 3 ZustG nur kurzfristig abwesend und nicht über längere Zeit hinweg verhindert sei, Zustellvorgänge an der Abgabestelle wahrzunehmen. Die Behauptung im Wiedereinsetzungsantrag, der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei sei Anfang März wegen migräneartigen Kopfschmerzen mehrere Tage "außer Gefecht" gewesen, werde durch die dem Antrag beigefügte ärztliche Bestätigung vom 27. März 2012 nicht belegt. Es sei daher davon auszugehen, dass der Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Ersatzzustellung regelmäßig an der Abgabestelle anwesend gewesen sei. X R sei als Angestellte der beschwerdeführenden Partei geeignete Ersatzempfängerin gemäß § 16 Abs. 2 ZustG. Die Ersatzzustellung sei somit zulässig gewesen.

Entgegen der Rechtsansicht der beschwerdeführenden Partei sei der Bescheid der BH Hallein vom 28. Februar 2012, bei dem es sich um eine Vollstreckungsverfügung nach dem VVG handle, nicht zu eigenen Handen zuzustellen gewesen. Es bestehe keine Bestimmung im VVG, die eine Zustellung einer Vollstreckungsverfügung zu eigenen Handen vorschreibe. Im vorliegenden Fall lägen auch keine besonders wichtigen Gründe iSd § 22 AVG iVm § 10 VVG für eine Zustellung zu eigenen Handen vor. Aus dem der Bescheiderlassung vorangegangenen Schriftverkehr zwischen der BH Hallein und der beschwerdeführenden Partei ergebe sich, dass letztere seit Mitte Dezember 2010 über die drohende Ersatzvornahme informiert gewesen sei und seit Ende März 2011 von der Höhe der Kosten der Ersatzvornahme gewusst habe. Sie habe zwischen März 2011 und Februar 2012 mehrmals Gelegenheit gehabt, zu diesen Kosten Stellung zu nehmen. Der Bescheid vom 28. Februar 2012 habe nichts Neues, Unerwartetes oder Überraschendes enthalten, weshalb es im konkreten Fall ausreichend gewesen sei, den Bescheid mit RSb-Sendung zuzustellen.

Der Umstand, dass X R nach Entgegennahme des Bescheides den Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei nicht unverzüglich vom Erhalt des Schriftstücks verständigt habe, sodass er nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt habe und die Rechtsmittelfrist versäumt worden sei, stelle kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG, welches die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde, dar. Den Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei treffe an der Versäumung der Rechtsmittelfrist ein Organisationsverschulden, das über einen bloß minderen Grad des Versehens hinausgehe. Ausgehend vom Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag verfüge die beschwerdeführende Partei nicht über die für die Einhaltung von Terminen und Fristen notwendige sorgfältige Organisation. Der alleinige Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei habe es entgegen seiner Pflicht als vertretungsbefugtes Organ unterlassen, dafür vorzusorgen, dass während seiner Abwesenheit einlangende Poststücke von Mitarbeitern entgegengenommen werden, die im Umgang mit behördlichen Schreiben geschult seien. Ebenso habe er es verabsäumt, sich während seiner Abwesenheit täglich telefonisch nach den aktuellen Vorgängen im Unternehmen, wozu auch der Posteingang zähle, zu erkundigen bzw. dafür Sorge zu tragen, dass es einen geeigneten Vertreter für ihn gebe, der im Fall seiner Verhinderung die Agenden des Unternehmens inklusive der Bearbeitung der Post übernehme. Sein Verschulden sei der beschwerdeführenden Partei zuzurechnen und der Wiedereinsetzungsantrag mangels Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu "wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgrund sekundärer Verfahrensfehler" in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Im konkreten Fall sind folgende gesetzliche Bestimmungen von Bedeutung:

§ 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) lautet:

"Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen

a) Ersatzvornahme

§ 4. (1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar."

§§ 22 und 71 Abs. 1 Z 1 AVG lauten:

"§ 22. Wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen, ist eine schriftliche Ausfertigung mit Zustellnachweis zuzustellen. Bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist, ist die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder"

§§ 13, 16 und 21 ZustG lauten:

"Zustellung an den Empfänger

§ 13. (1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers.

(2) Bei Zustellungen durch Organe eines Zustelldienstes oder der Gemeinde darf auch an eine gegenüber dem Zustelldienst oder der Gemeinde zur Empfangnahme solcher Dokumente bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf dem Dokument ausgeschlossen ist.

(3) Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist das Dokument einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen.

(4) Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, so ist das Dokument in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden; durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Angestellte nicht oder nur an bestimmte Angestellte zugestellt werden, wenn der Parteienvertreter dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat. Die Behörde hat Angestellte des Parteienvertreters wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer zuvor der Behörde schriftlich abgegebenen Erklärung des Parteienvertreters durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Zustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.

Ersatzzustellung

§ 16. (1) Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

(3) Durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat.

(4) Die Behörde hat Personen wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Empfängers durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Ersatzzustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.

(5) Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Zustellung zu eigenen Handen

§ 21. Dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Dokumente dürfen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden."

Die beschwerdeführende Partei vermeint weiterhin, dass die Zustellung des Bescheids vom 28. Februar 2012 aufgrund der Empfangnahme durch X R, die damals noch nicht über eine Postvollmacht zur Entgegennahme von Behördenpoststücken verfügt habe, unzulässig gewesen sei, weil der Bescheid einerseits dem alleinigen Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei als deren zur Empfangnahme befugten Vertreter, andererseits gemäß § 21 ZustG iVm § 22 AVG der beschwerdeführenden Partei wegen der darin angedrohten Ersatzvornahme und der Höhe der vorgeschriebenen Kosten der Ersatzvornahme zu eigenen Handen hätte zugestellt werden müssen.

Grundsätzlich ist zu diesem Vorbringen in Bezug auf den vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag darauf hinzuweisen, dass damit die beschwerdeführende Partei einen Mangel des Zustellvorgangs geltend macht, der einer rechtswirksamen Zustellung entgegenstehen würde. Ein dementsprechend gesetzwidriger Zustellvorgang würde den Beginn der Rechtsmittelfrist nicht auslösen und somit deren Versäumung, die wiederum gemäß § 71 Abs. 1 AVG Voraussetzung für den vorliegenden Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ist, entgegenstehen. Es handelt sich somit bei diesem Vorbringen nicht um einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund.

Ausgehend vom weiteren Vorbringen, wonach der Bescheid vom 28. Februar 2012 dem Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei frühestens am 23. März 2012 tatsächlich übergeben worden sei, wäre im Fall der Bejahung eines Zustellmangels gemäß § 7 Abs. 1 ZustG die Zustellung mit diesem Zeitpunkt als bewirkt und die gleichzeitig mit dem am 2. April 2012 bei der Erstbehörde eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag erhobene Berufung rechtzeitig eingebracht.

Gemäß § 22 AVG ist eine Zustellung zu eigenen Handen dann zu bewirken, wenn besonders wichtige Gründe vorliegen oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist. Eine gesetzliche Norm, die es der Behörde zur Pflicht macht, den Bescheid betreffend einer Ersatzvornahme gemäß § 4 VVG zu eigenen Handen des Empfängers zuzustellen, existiert nicht. Dass diese Art der Zustellung nur aus "besonders wichtigen Gründen" vorzunehmen ist, macht deren Ausnahmecharakter deutlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2006, 2005/07/0026 mwN). Es kommt auf die Umstände im Einzelfall an, ob besonders wichtige Gründe im Sinne des § 22 AVG zweiter Satz vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2007, 2006/08/0271). Die mit einem Bescheid über die Anordnung einer Ersatzvornahme und Vorschreibung der Vorauszahlung der mit der Ersatzvornahme verbundenen Kosten nach § 4 VVG verbundenen Rechtsfolgen sind vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Vergleich zu anderen Bescheiden weder überdurchschnittlich bedeutsamer noch gewichtiger. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Zustellung zu eigenen Handen unter anderem nicht erforderlich bei baupolizeilichen Beseitigungsaufträgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1981, 3269/80), bei der Androhung eines Abbruchauftrages (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1982, 3083/80), bei Änderungen von Eigenjagdgebieten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1983, 82/03/0069), bei Abweisungen von Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1999, 96/19/0506), oder bei einer Verpflichtung zum Sozialhilfekostenersatz in der Höhe von EUR 13.717,47 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2001, 2000/11/0343). Aus dem Umstand, dass die Vorschreibung der Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme - unzweifelhaft - einen hohen Betrag betraf, kann kein "besonders wichtiger Grund" für eine Zustellung zu eigenen Handen iSd § 22 AVG abgeleitet werden, zumal selbst die Zustellung von Straferkenntnissen, durch die etwa bei Kumulation mehrerer Verwaltungsübertretungen Geldstrafen in Höhe sechsstelliger Eurobeträge verhängt werden können, zu eigenen Handen nicht geboten ist. Nicht zuletzt verwies die belangte Behörde zu Recht auf den Umstand, dass der beschwerdeführenden Partei nachweislich bereits mit Schreiben der BH Hallein vom 6. Dezember 2010 die Ersatzvornahme auf ihre Kosten angedroht wurde sowie mit Schreiben der BH Hallein vom 17. März 2011 die Stellungnahme des abfallwirtschaftlichen Amtssachverständigen mit Kostenschätzungen zur Kenntnis gebracht wurde und ihr deshalb im Falle, dass sie dem ihr gegenüber mit Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 2. September 2010 erteilten Beseitigungsauftrag nicht nachkommt, die bescheidmäßige Anordnung der Ersatzvornahme samt Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme bewusst sein musste. Die belangte Behörde hat somit zu Recht die Voraussetzungen des § 22 AVG für eine Zustellung des Bescheids vom 28. Februar 2011 zu eigenen Handen verneint.

Gemäß § 13 Abs. 3 ZustellG war dieser Bescheid der beschwerdeführenden Partei als juristische Person deren Geschäftsführer als dem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen. Unstrittig ist, dass der Bescheid dem Geschäftsführer im Zeitpunkt der Entgegennahme durch die Mitarbeiterin X R nicht zugestellt werden konnte. Die Anordnung des § 13 Abs. 3 ZustG bedeutet nicht, dass damit der Kreis derer, denen zugestellt werden kann, abschließend geregelt ist. Eine Ersatzzustellung ist auch in diesen Fällen gemäß § 16 Abs. 1 ZustG zulässig (vgl. hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2010, 2004/10/0082), der im vorliegenden Fall eine Verpflichtung zur Zustellung zu eigenen Handen nicht entgegenstand. Als Arbeitnehmerin der beschwerdeführenden Partei, die zur Entgegennahme des Bescheides bereit war, war X R zulässige Ersatzempfängerin iSd § 16 Abs. 2 ZustG. Das Vorliegen einer Postvollmacht ist nicht Voraussetzung für die Qualifikation einer Arbeitnehmerin als Ersatzempfängerin iSd Bestimmung. Dass der Geschäftsführer wegen Abwesenheit von der Abgabestelle iSd § 16 Abs. 5 ZustG nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, konnte die beschwerdeführende Partei nicht glaubhaft machen. Die Zustellung des Bescheides vom 28. Februar 2012 an die beschwerdeführende Partei mittels RSb-Sendung im Wege der Entgegennahme durch die Mitarbeiterin X R war somit rechtswirksam. Dementsprechend musste sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid entgegen der Rechtsmeinung der beschwerdeführenden Partei nicht mit der erst im März 2012 gegenüber X R erteilten Postvollmacht auseinandersetzen und dazu Feststellungen treffen.

Ebenso wenig ist der beschwerdeführenden Partei darin zu folgen, dass die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist gegeben seien, weil für sie nicht vorhersehbar gewesen sei, dass die sonst zuverlässliche X R die Behördenpoststücke dem Geschäftsführer gesammelt übergeben werde und X R betreffend dieser Vorgangsweise kein auffallend sorgloses Verhalten sondern lediglich ein minderer Grad des Versehens vorwerfbar sei.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen (vgl. Erkenntnis vom 15. Oktober 2009, 2008/09/0225). Insofern kommt einem Verschulden von X R, als Angestellte der beschwerdeführenden Partei, an der Versäumung der Berufungsfrist und dem Vorbringen über deren persönliche Überforderung keine rechtliche Relevanz zu.

Führt das Fehlverhalten anderer Personen, etwa das von Angestellten, zu einer Fristversäumung, so ist zu prüfen, ob der Vertreter der Partei (bzw. die Partei) selbst dadurch ein schuldhaftes Verhalten gesetzt hat, dass er (bzw. sie) eine ihm (ihr) auferlegte Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen hat (vgl. hg. Beschluss vom 30. März 2015, Ro 2014/15/0009). Im Zusammenhang mit der Einhaltung von Terminen und Fristen muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den hg. Beschluss vom 24. November 1989, 89/17/0116, sowie das hg. Erkenntnisse vom 10. März 1998, 97/08/0405) die Organisation einer Kapitalhandelsgesellschaft Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation erfüllen. Diese Organisation erfordert, wenn sich das verantwortliche Organ hiebei der Unterstützung von Hilfskräften bedient, - im Rahmen der Zumutbarkeit - ein Kontrollsystem. Die Wiedereinsetzungswerberin hat das, was sie in Erfüllung ihrer der Sachlage nach gebotenen Pflicht zur Überwachung allfälliger für sie tätig gewordener Hilfskräfte hinsichtlich der Wahrung einer Frist vorgekehrt hat, im Wiedereinsetzungsantrag substanziiert zu behaupten (hg. Erkenntnisse vom 10. März 1998, 97/08/0405 und vom 15. Oktober 2009, 2008/09/0225). Im vorliegenden Fall hat sich das diesbezügliche Vorbringen der beschwerdeführenden Partei darauf beschränkt, dass die ansonsten zuverlässliche Mitarbeiterin X R es erstmals im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 28. Februar 2012 übersehen habe, ein Behördenpoststück dem Geschäftsführer rechtzeitig zu übergeben und der Geschäftsführer deshalb keine Veranlassung gehabt habe, an der Zuverlässlichkeit seiner Mitarbeiterin zu zweifeln. Unabhängig davon, dass die beschwerdeführende Partei kein Vorbringen über ein Kontrollsystem im Zusammenhang mit der umgehenden Vorlage von Behördenpoststücken an deren Geschäftsführer, das angesichts der zugestandenen zahlreichen Poststücke der BH Hallein und der - nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag - für die Eintragung und Wahrung von Fristen nicht eigens ausgebildeten Mitarbeiterin X R umso erforderlicher gewesen wäre, ist dem Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag überdies nicht zu entnehmen, dass X R betreffend den Umgang mit Behördenschriftstücken besonders eingeschult worden wäre. Die belangte Behörde ist daher zu Recht von einem für die Versäumung der Berufungsfrist ursächlichen, den minderen Grad des Versehens überschreitenden Organisationsverschulden des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei, das sich diese zurechnen lassen muss, ausgegangen.

Es war somit weder die Zustellung des Bescheids vom 28. Februar 2012 an X R als Ersatzempfängerin unzulässig, noch liegt ein Wiedereinsetzungsgrund iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG vor.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 29. Oktober 2015

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