VwGH 2012/15/0211

VwGH2012/15/021130.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des DDr. A L in D, vertreten durch Dr. Georg Rihs, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 16/246, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 9. Mai 2012, Zl. RV/0484-W/11, betreffend Einkommensteuer 2009, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §34 Abs9 idF 2009/I/026;
EStG 1988 §34 Abs9 Z3 idF 2009/I/026;
EStG 1988 §34 Abs9 idF 2009/I/026;
EStG 1988 §34 Abs9 Z3 idF 2009/I/026;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

In der elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung für 2009 beantragte der Beschwerdeführer u.a. die Absetzung von Kinderbetreuungskosten iHv 4.774,60 EUR als außergewöhnliche Belastung.

Das Finanzamt verweigerte die Anerkennung der geltend gemachten Kinderbetreuungskosten unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Z 13 lit. b und § 34 Abs. 9 EStG 1988. Pädagogisch qualifizierte Personen seien Personen, die eine Ausbildung und Weiterbildung zur Kinderbetreuung und Kindererziehung im Mindestausmaß von 8 Stunden nachweisen könnten. Auch Au Pair-Kräfte hätten ein Seminar oder eine Schulung im Ausmaß von 8 oder 16 Stunden innerhalb der ersten beiden Monate des Au Pair-Einsatzes in Österreich zu absolvieren. Die Erfahrung durch einen früheren Au Pair-Aufenthalt reiche als Nachweis nicht aus. Habe die Betreuungsperson eine der in Österreich anerkannten Ausbildung gleichwertige Ausbildung im EU- oder EWR-Raum abgeschlossen, werde sie als Nachweis anerkannt. Da im konkreten Fall diese Voraussetzungen nicht gegeben seien, könne der Aufwand nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

In der Berufung wird vom Beschwerdeführer eingewendet, dass er und seine Ehegattin auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit mehrmals pro Woche bis 21.00 bzw. 22.00 Uhr arbeiten müssten. Institutionelle Kinderbetreuung sei zu diesen Zeiten nicht verfügbar. Auch eine Betreuung durch Familienmitglieder sei auf Grund von Krankheiten und Todesfällen nicht möglich gewesen.

Bei den beiden Au Pair-Kräften handle es sich um pädagogisch qualifizierte Personen iSd § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988: Die Au Pair-Kraft K habe vor ihrer Tätigkeit im Haushalt des Beschwerdeführers im Rahmen ihrer Ausbildung (Gesamtschulsystem) eine einjährige Ausbildung als Erzieherin in Georgien absolviert (pädagogisches Praktikum, vergleichbar mit Horterzieherin). Der Nachweis werde durch eine Kopie der beglaubigten Übersetzung eines Schreibens des Schuldirektors erbracht. Die Au Pair-Kraft S habe vor ihrer Tätigkeit im Haushalt des Beschwerdeführers eine Kindergärtnerinnenausbildung in der Slowakei (Pädagogische und Soziale Akademie) absolviert. Der Nachweis werde durch eine Kopie der beglaubigten Übersetzung des Maturazeugnisses erbracht.

In den Erlässen GZ BMF-010222/0092-VI/7/2009 und BMF- 010222/0120-VI/7/2009 sei festgelegt, dass ein Seminar oder eine Schulung im Ausmaß von 8 oder 16 Stunden zu absolvieren sei, um als pädagogisch qualifiziert iSd § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988 zu gelten. Eine dieser Mindestausbildung gleichwertige Ausbildung, die im EU- oder EWR-Raum abgeschlossen wurde, gelte als gleichwertig. Die vom Beschwerdeführer beschäftigten Au Pair-Kräfte hätten eine entsprechende Ausbildung iSd GZ BMF-010222/0092- VI/7/2009 absolviert (Erzieherin, Kindergärtnerin). Der Nachweis einer entsprechenden Ausbildung derogiere dem Erfordernis eines 8- oder 16-Stunden Kurses. Das Erfordernis der Absolvierung eines solchen Kurses sei deswegen in diesem Falle weder aus dem Erlass noch aus § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988 abzuleiten, weil eine entsprechende Ausbildung vor Dienstantritt gegeben gewesen sei. Die entsprechende Ausbildung der Au Pair-Kraft S wäre zudem in einem EU-Staat (Slowakei) erworben worden.

Es wäre auch widersinnig, die Ausbildung der Au Pair-Kraft K nicht anzuerkennen, nur weil sie in Georgien abgeschlossen worden sei. Eine Beschränkung, dass eine pädagogische Qualifizierung in der EU oder im EWR Raum erworben sein müsse, sei aus § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988 nicht abzuleiten und daher rechtswidrig. Würde § 34 Abs. 9 Z 3 EStG 1988 derart einschränkend interpretiert werden, könnte das zu skurrilen Ergebnissen führen: So wären die Kosten einer Kinderbetreuung durch eine erfahrene Lehrerin an einer pädagogischen Hochschule aus den USA nicht absetzbar, während die Ausgaben für Kinderbetreuung durch Personen mit einer österreichischen Grundschulung im Sinne der Erlassrichtlinien der Finanzverwaltung absetzbar wären. Eine derartige Ungleichgewichtung und Diskriminierung ausländischer Ausbildungen sei nicht im Sinne des Gesetzgebers.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung - nach einer Berufungsvorentscheidung des Finanzamts und dem Antrag des Beschwerdeführers auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz - teilweise Folge. Begründend führte sie aus, dass nach der Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen "pädagogisch qualifizierte Personen" im Sinne des Gesetzes Personen seien, "die eine Ausbildung und Weiterbildung zur Kinderbetreuung und Kindererziehung oder Elternbildung im Mindestausmaß von 8 Stunden - bei Betreuungspersonen zwischen 16 und 21 Jahren im Mindestausmaß von 16 Stunden nachweisen können" (Hinweis auf Info des BMF 4. 12. 2009, BMF-01222/0220-VI/7/2009, sowie BMF 28. 7. 2011, BMF-010222/0155-VI/7/2011). Hingegen habe die belangte Behörde in einer Entscheidung vom 11. Oktober 2011, RV/1801-W/11, die Auffassung vertreten, dass eine Person als "pädagogisch qualifiziert" im Sinne von § 34 Abs. 9 EStG 1988 nur dann angesehen werden könne, wenn das formale Ausbildungsniveau annähernd an jenes der verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in institutionellen - öffentlichen oder privaten - Kinderbetreuungseinrichtungen herankomme. Das Qualifikationsniveau der Einzelperson habe sich demnach an jenem der Mitarbeiter der institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen zu orientieren und müsse zumindest jenen (ohnehin weit geringeren) Umfang aufweisen, der der Ausbildung von Tagesmüttern und -vätern im jeweiligen Bundesland entspreche. Analog zur gesetzlichen Regelung betreffend die institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen werde der Ausbildungsumfang von Tageseltern den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften zu entsprechen haben (Hinweis auf § 21a JWG). Eine "Ausbildung" von 8 oder 16 Stunden könne nicht ausreichen, um von einer pädagogischen Qualifikation iSd § 34 Abs. 9 EStG 1988 sprechen zu können.

Internetrecherchen (http://www.psabuba.sk ) hätten ergeben, dass es sich bei der Pädagogischen und Sozialen Akademie in Bratislava um eine auf Pädagogik spezialisierte, berufsbildende Schule mit folgenden Richtungen handle: Lehrer für Kindergarten und Tutorage (Kinderkrippen-, Kindergarten- und Hortbeaufsichtigung); Animator Freizeit (kulturelle und pädagogische Fachkräfte) sowie Pädagogisches Lyzeum (LehrerInnenseminar). Dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Abiturzeugnis sei zu entnehmen, dass S die Studienrichtung "kulturell erzieherischer Bediensteter" absolviert habe. Dem dazu gehörigen Rahmenlehrplan könne entnommen werden, dass die wöchentliche Unterrichtszeit während der insgesamt vier Jahre dauernden Ausbildung jeweils 33 Stunden, die gesamte Ausbildung somit 132 Unterrichtseinheiten, betrage. Neben "allgemein bildenden Kursen" (Slowakische Sprache und Literatur, Fremdsprachen, Ethik/Religion, Geschichte, Staatsbürgerkunde, Ökologie, Biologie, Mathematik, Informatik und Sportunterricht) liege laut Lehrplan der Schwerpunkt der "beruflichen Themen" in den Bereichen Theorie und Methodik der Aktivitäten und Animation, Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Theorie- und Kulturgeschichte, Biologie- und Gesundheitswesen sowie in einem praktischen Teil (praktische Berufserfahrung im 2., 3. und 4. Jahr im Ausmaß von 10 Tagen, 6 Stunden pro Tag). Obligatorischer Bestandteil der beruflichen Bildung sei auch ein Schwimmkurs mit einem integrierten Erste-Hilfe-Kurs. Die Anzahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden - bezogen auf die beruflichen Themen - betrage während der vierjährigen Ausbildung insgesamt 56 Stunden, davon entfielen auf die Unterrichtsgegenstände "Pädagogik" sechs, auf "Psychologie" acht und auf "Soziologie" vier Wochenstunden, in Summe also 18 Unterrichtsstunden. Im Vergleich dazu biete etwa die 5-jährige Ausbildung zum Kindergartenpädagogen/zur Kindergartenpädagogin (BAKIP) neben den allgemein bildenden Fächern als praxisorientierte Fächer Pädagogik, einschließlich Psychologie, Soziologie und Philosophie, im Gesamtausmaß von 10 Wochenstunden an. Die Au Pair-Kraft S habe damit eine einschlägige pädagogische Grundausbildung in der Slowakei abgeschlossen. Diese konkrete schulische Ausbildung könne sowohl hinsichtlich der Ausbildungsdauer als auch hinsichtlich der Lehrinhalte (insbesondere des im Lehrplan enthaltenen Bereichs der "beruflichen Themen") durchaus mit der in Österreich anerkannten Ausbildung von Tageseltern (vgl. etwa § 5 der NÖ Tagesmütter/- Väterverordnung LGBl. 5065/1) verglichen und als gleichwertig angesehen werden. Der Nachweis einer vierjährigen, einschlägigen Berufsausbildung in einem EU-Land erübrige das Erfordernis nach einem zusätzlichen, in Österreich absolvierten 8- oder 16-Stunden Kurs.

Demgegenüber reiche die Vorlage einer Bestätigung über die Absolvierung eines pädagogischen Praktikums in einer Schule in einem Drittland nicht aus, um von einer pädagogisch qualifizierten Person iSd § 34 Abs. 9 EStG zu sprechen, zumal aus dem vorgelegten Schreiben des Schuldirektors weder Umfang noch Inhalt des Praktikums ersichtlich seien und daher diese Bestätigung keinen geeigneten Nachweis dafür darstelle, dass K tatsächlich eine einschlägige Ausbildung zur Kinderbetreuung oder Kindererziehung absolviert habe.

Von den insgesamt geltend gemachten Kinderbetreuungskosten könnten daher lediglich die Aufwendungen für die Au Pair-Kraft S iHv EUR 936,80 als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

Gegen diesen Bescheid, soweit mit ihm die Absetzbarkeit der Kosten der Kinderbetreuung durch die Au Pair-Kraft K versagt worden ist, wendet sich die Beschwerde.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 21. September 2012, B 761/12, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 34 Abs. 9 EStG 1988 wurde mit dem SteuerreformG 2009 (StRefG 2009), BGBl. I Nr. 26/2009 neu eingeführt und lautet:

"Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis höchstens 2 300 Euro pro Kind und Kalenderjahr gelten unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung:

1. Die Betreuung betrifft

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