VwGH 2012/04/0070

VwGH2012/04/007018.3.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 11. April 2012, Zl. N/0028- BVA/10/2012-25, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft; mitbeteiligte Partei: N GmbH in W, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6), zu Recht erkannt:

Normen

31989L0665 Rechtsmittel-RL Art2d Abs2;
31989L0665 Rechtsmittel-RL Art2e Abs1;
31989L0665 Rechtsmittel-RL Art2e Abs2;
61998CJ0337 Kommission / Frankreich;
62006CJ0454 Pressetext Nachrichtenagentur VORAB;
62008CJ0091 Wall VORAB;
ABGB §1048;
ABGB §1431;
ABGB §1437;
ABGB §879 Abs1;
BVergG 2006 §150 Abs2;
BVergG 2006 §151;
BVergG 2006 §152 Abs1;
BVergG 2006 §152;
BVergG 2006 §2 Z26 lita;
BVergG 2006 §334 Abs2;
BVergG 2006 §334 Abs4;
BVergG 2006 §334 Abs7;
BVergG 2006 §334 Abs8;
EURallg;
KartG 2005 §29;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der in Spruchpunkt V. festgesetzten Höhe der Geldbuße wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen, also im Umfang der Anfechtung der Spruchpunkte III., IV. und VI. sowie der Verpflichtung zur Bezahlung einer Geldbuße dem Grunde nach in Spruchpunkt V., wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheids ergibt sich folgender, unstrittiger Sachverhalt:

1.1. Die Beschwerdeführerin schloss am 14. November 2011 gemeinsam mit drei weiteren Sozialversicherungsträgern als Auftraggeber nach vorangegangener europaweiter Ausschreibung eine "Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Arzneimitteln" mit der H. AG. Gegenstand dieser für die Dauer von drei Jahren abgeschlossenen Rahmenvereinbarung war die Belieferung von österreichweiten Standorten der Auftraggeber (Krankenanstalten und Regionaldienststellen) und von Vertragsärzten auf Abruf mit allen im Warenverzeichnis des Österreichischen Apotheker-Verlages genannten Arzneien.

Die Bedingungen der Rahmenvereinbarung lauteten auszugsweise:

"(...)

2.4. Erfüllungsort

Erfüllungsorte für die Leistungserbringung sind die im Leistungsverzeichnis unter jeder Kategorie (I-III) angeführten Standorte der Auftraggeber in ganz Österreich.

(...)

3. Leistungsverzeichnis

(...)

3.2. Ausschreibungsumfang

Gegenstand dieser Ausschreibung ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmen über die

3.2.1. Belieferung

3.2.4. Konsiliarapothekerschaft für Kontroll- und Beratungstätigkeiten

3.2.5. Kundenbetreuung

3.2.6. Zur Orientierung und besseren Kalkulierbarkeit werden im Leistungsverzeichnis einerseits die zu beliefernden Standorte der jeweiligen Auftraggeber mit Adressdaten, getrennt nach drei Kategorien, nach

3.2.7. Die Abrufberechtigten in den einzelnen Standorten der Auftraggeber sind berechtigt, in ihren Bestellungen (Abrufen) die benötigten Produkte und die jeweilige Bestellmenge aus dem Warenverzeichnis I-III frei auszuwählen.

(...)

3.5.2. Kategorie II - Sonstige Dienststellen unter ärztlicher Leitung ohne Medikamentendepot:

Leistungen gemäß der vorstehenden Punkte 3.2. und 3.3. im Leistungsverzeichnis für nachstehend angeführte Auftraggeber und deren Standorte:

(...)

(Anmerkung: angeführt unter der Beschwerdeführerin als Auftraggeberin)

09 Hauptstelle, RB NÖ/Wien

10 Regionalbüro Burgenland

11 Regionalbüro Steiermark

12 Regionalbüro Oberösterreich

13 Regionalbüro Salzburg

Geschätzter Gesamtjahresumsatz: EUR 80.000,--

(...)"

1.2. Im Frühjahr 2012 führte die Beschwerdeführerin eine FSME-Impfaktion in zwei Teilimpfungen durch. Zur Beschaffung des benötigten Impfstoffes samt Zubehör schrieb die Beschwerdeführerin eine (weitere) Rahmenvereinbarung aus. Die in diesem Vergabeverfahren gefällte Zuschlagsentscheidung wurde angefochten und im Nachprüfungsverfahren für nichtig erklärt.

1.3. Mit Schreiben vom 6. Februar 2012 rief die Beschwerdeführerin die für die erste Teilimpfung benötigten FSME-Impfstoffe, Tupfer, Desinfektionsmittel und Impfpflaster auf Basis der Rahmenvereinbarung vom 14. November 2011 bei der H. AG ab. Die Lieferung sollte an die Hauptstelle sowie an die Regionaldienststellen Burgenland, Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Steiermark und Kärnten erfolgen. Mit Schreiben vom 29. Februar 2012 erfolgte ein weiterer Abruf für die zweite Teilimpfung. Dieser Abruf umfasste zusätzlich die Lieferung von Impfpässen.

Beide Abrufe wurden durchgeführt und die gelieferten Waren größtenteils verwendet.

2.1. Die mitbeteiligte Partei stellte am 29. Februar 2012 - soweit verfahrensgegenständlich - den Antrag auf Feststellung, die Durchführung des Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung zur Beschaffung von FSME-Impfstoffen sei rechtswidrig gewesen. Die Rahmenvereinbarung vom 14. November 2011 decke die Lieferverträge nicht, weil die Auslieferung an acht unterschiedliche Erfüllungsorte in der Rahmenvereinbarung nicht vorgesehen sei. Ebenso wenig könne die Rahmenvereinbarung den erforderlichen Kühltransport umfassen. Es handle sich bei dem Auftrag daher um eine im Oberschwellenbereich unzulässige Direktvergabe des Liefervertrages.

2.2. Mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides - die Spruchpunkte I. und II. betreffen die jeweils unangefochten gebliebenen Zurückweisungen von zwei weiteren Nachprüfungsanträgen der mitbeteiligten Partei im Zusammenhang mit dem vorliegenden Sachverhalt und sind nicht verfahrensgegenständlich - gab die belangte Behörde dem (weiteren) Antrag der mitbeteiligten Partei statt und traf die Feststellung, die Durchführung des Vergabeverfahrens zur Beschaffung von FSME-Impfstoffen samt Tupfern, Desinfektionsmittel und Impfpflastern durch die Beschwerdeführerin mit den Schreiben vom 6. und vom 29. Februar 2012 ohne vorherige Bekanntmachung sei rechtswidrig gewesen.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die FSME-Impfaktion stelle ein einheitliches Vorhaben dar, weshalb die Auftragswerte der beiden Lieferungen zusammen zu rechnen seien. Es liege ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vor. Da das Vergabeverfahren beendet und der Lieferauftrag bereits abgeschlossen worden sei, komme der belangten Behörde (nur noch) die Zuständigkeit zur Feststellung gemäß § 312 Abs. 3 Z 3 BVergG 2006 zu.

Betreffend die Rechtmäßigkeit des Abrufs der Leistungen aus der Rahmenvereinbarung vom 14. November 2011 sei festzuhalten, dass die Menge der aus dieser Vereinbarung voraussichtlich zu beziehenden Waren nur durch den Preis festgelegt sei. Die beiden verfahrensgegenständlichen Leistungsabrufe überstiegen den in Aussicht genommenen Auftragswert dieser Rahmenvereinbarung um ein Vielfaches. Auch sehe die Rahmenvereinbarung lediglich die Belieferung taxativ aufgezählter Standorte durch die Auftragnehmerin vor. Der FSME-Impfstoff sei jedoch an weitere Standorte ausgeliefert worden. Die Flexibilität einer Rahmenvereinbarung würde überspannt, könnte in deren Rahmen die Erbringung von Leistungen wie der Lieferung an nicht vorgesehene Standorte oder eine drastische Überschreitung des angegebenen Auftragsumfangs erfolgen. Die verfahrensgegenständlichen Lieferungen hätten daher nicht aus der Rahmenvereinbarung abgerufen werden dürfen.

Da die Abrufe der FSME-Impfstoffe in der Rahmenvereinbarung keine Deckung gefunden hätten, seien die Leistungen in einem Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung beschafft worden, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorgelegen seien.

Mit Spruchpunkt IV. sprach die belangte Behörde die Aufhebung der am 6. und am 29. Februar 2012 geschlossenen Verträge in dem Umfang aus, in dem diese noch nicht erfüllt worden seien. Weil eine Rückstellung der FSME-Impfstoffe nicht mehr möglich sei und daher eine Nichtigerklärung ausscheide, seien die beiden von der Rechtswidrigkeit betroffenen Verträge gemäß § 334 Abs. 4 BVergG 2006 in jenem Umfang aufzuheben, in dem die Impfungen noch nicht verabreicht worden seien.

Mit Spruchpunkt V. verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von EUR 90.000,00. Die Verhängung der Geldbuße beruhe auf § 334 Abs. 7 BVergG 2006, weil im vorliegenden Fall eine Nichtigerklärung nicht ausgesprochen werden könne. Bei der Bemessung der Geldbuße habe erschwerend gewogen, dass die Verträge nahezu zur Gänze aufrechterhalten worden seien, weiter dass die Auftraggeberin das zum Zweck der Abdeckung des Bedarfs der Impfaktion geführte Vergabeverfahren zu spät eingeleitet und nicht mit der gebotenen Dringlichkeit zu Ende geführt habe. Erschwerend gemäß § 5 Abs. 2 Z 2 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz sei, dass die Auftraggeberin den Zeitplan der Impfaktion habe einhalten können. Zudem habe der Auftraggeberin bewusst sein müssen, dass die abgerufenen Leistungen alleine aufgrund des Auftragswerts in der Rahmenvereinbarung keine Deckung finden könnten. Aus diesem Grund sei der Verstoß gegen die Vergabevorschriften nicht mehr als leicht anzusehen. Mildernd sei zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin sämtliche Informationen geliefert habe und noch keine derartige Vorgangsweise durch die Auftraggeberin bekannt geworden sei. Unter Zugrundelegung eines Auftragswerts von EUR 932.404,36 sei die Geldbuße angemessen.

Letztlich verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zum Ersatz der Pauschalgebühr (Spruchpunkt VI.).

3. Gegen diesen Bescheid im Umfang der Spruchpunkte III. bis VI. richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die Entscheidung im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - die Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik und hielt ihre Anträge aufrecht.

 

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

4.2.1. Die relevanten Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 (BVergG 2006) in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 15/2010 lauten auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:

(...)

26. Preis:

Angebotspreis (Auftragssumme) ist die Summe aus Gesamtpreis und Umsatzsteuer (zivilrechtlicher Preis)

(...)

Abschluss von Rahmenvereinbarungen

§ 151. (...)

(5) Das Instrument der Rahmenvereinbarung darf nicht missbräuchlich oder in einer Weise angewendet werden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht wird.

(...)

Vergabe von öffentlichen Aufträgen auf Grund von Rahmenvereinbarungen

§ 152. (1) Bei der Vergabe der auf einer Rahmenvereinbarung beruhenden öffentlichen Aufträge dürfen die Parteien keinesfalls substanzielle Änderungen an den Bedingungen der Rahmenvereinbarung vornehmen.

(...)

Allgemeine Bestimmungen

Zuständigkeit

§ 312. (1) Das Bundesvergabeamt ist nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes auf Antrag zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Unterabschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Unterabschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Unterabschnitt) zuständig.

(...)

(3) Nach Zuschlagserteilung ist das Bundesvergabeamt zuständig

(...)

3. zur Feststellung, ob ein Vergabeverfahren rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde;

(...)

Gebührenersatz

§ 319. (1) Der vor dem Bundesvergabeamt wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller hat Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 318 entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber. Der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz seiner gemäß § 318 entrichteten Gebühren, wenn er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird.

(...)

Feststellung von Rechtsverstößen, Nichtigerklärung und Verhängung von Sanktionen

§ 334. (1) Das Bundesvergabeamt hat eine Feststellung gemäß § 312 Abs. 3 Z 1 und 5 und Abs. 4 Z 1 und 3 nur dann zu treffen, wenn die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss war.

(2) Soweit in diesem Absatz und in den Abs. 4 und 5 nicht anderes bestimmt ist, hat das Bundesvergabeamt im Oberschwellenbereich den Vertrag im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 312 Abs. 3 Z 3 bis 5 für absolut nichtig zu erklären. Das Bundesvergabeamt hat von einer Nichtigerklärung des Vertrages oder einer Aufhebung des Vertrages gemäß den Abs. 4 oder 5 abzusehen, wenn der Auftraggeber dies beantragt hat und zwingende Gründe eines Allgemeininteresses es rechtfertigen, den Vertrag aufrechtzuerhalten. Wirtschaftliche Interessen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem betreffenden Vertrag stehen, können die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht rechtfertigen, andere wirtschaftliche Interessen nur dann, wenn die Nichtigkeit in Ausnahmefällen unverhältnismäßige Folgen hätte.

(...)

(4) Kann die erbrachte Leistung oder ein erbrachter Leistungsteil nicht mehr oder nur wertvermindert rückgestellt werden, so hat das Bundesvergabeamt, sofern Abs. 5 nicht zur Anwendung kommt, im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 312 Abs. 3 Z 3 bis 5 auszusprechen, dass der Vertrag nur soweit aufgehoben wird, als Leistungen noch ausständig oder erbrachte Leistungen noch ohne Wertverminderung rückstellbar sind.

(...)

(7) Wenn das Bundesvergabeamt von der Nichtigerklärung des Vertrages gemäß den Abs. 2 erster Satz oder 3 abgesehen hat, dann ist eine Geldbuße über den Auftraggeber zu verhängen, die wirksam, angemessen und abschreckend sein muss. Die Höchstgrenze für eine Geldbuße beträgt 20vH, im Unterschwellenbereich 10vH, der Auftragssumme. Geldbußen fließen dem ERP-Fonds zu.

(8) Das Bundesvergabeamt hat bei der Verhängung der Geldbuße die Schwere des Verstoßes, die Vorgangsweise des Auftraggebers sowie sinngemäß die Erschwerungs- und Milderungsgründe gemäß § 5 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG), BGBl. I Nr. 151/2005, heranzuziehen und zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß der Vertrag aufrecht erhalten wird."

4.2.2. § 5 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG), BGBl. I Nr. 151/2005, lautet:

"Bemessung der Verbandsgeldbuße

§ 5. (1). Bei der Bemessung der Anzahl der Tagessätze hat das Gericht Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Höhe der angedrohten Geldbuße bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

(2) Die Anzahl ist insbesondere umso höher zu bemessen,

1. je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, für die der Verband verantwortlich ist;

2. je höher der aus der Straftat vom Verband erlangte Vorteil ist;

3. je mehr gesetzwidriges Verhalten von Mitarbeitern geduldet oder begünstigt wurde.

(3) Die Anzahl ist insbesondere geringer zu bemessen, wenn

1. der Verband schon vor der Tat Vorkehrungen zur Verhinderung solcher Taten getroffen oder Mitarbeiter zu rechtstreuem Verhalten angehalten hat;

2. der Verband lediglich für Straftaten von Mitarbeitern verantwortlich ist (§ 3 Abs. 3);

3. er nach der Tat erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat;

  1. 4. er die Folgen der Tat gutgemacht hat;
  2. 5. er wesentliche Schritte zur zukünftigen Verhinderung ähnlicher Taten unternommen hat.

    6. die Tat bereits gewichtige rechtliche Nachteile für den Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen hat."

4.2.3. Die relevanten Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) in der Fassung BGBl. Nr. 275/1992 lauten:

"§ 877. Wer die Aufhebung eines Vertrages aus Mangel der Einwilligung verlangt, muss dagegen auch alles zurückstellen, was er aus einem solchen Vertrage zu seinem Vorteile erhalten hat.

(...)

§ 879. (1) Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(...)"

4.2.4. Die relevanten Bestimmungen der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge idF der Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (RechtsM-RL) lauten:

"Artikel 2d

Unwirksamkeit

(1) Die Mitgliedstaaten tragen in folgenden Fällen dafür Sorge, dass ein Vertrag durch eine vom öffentlichen Auftraggeber unabhängige Nachprüfungsstelle für unwirksam erklärt wird oder dass sich seine Unwirksamkeit aus der Entscheidung einer solchen Stelle ergibt,

(...)

(2) Die Folgen der Unwirksamkeit eines Vertrages richten sich nach innerstaatlichem Recht.

Die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften können somit vorsehen, dass alle vertraglichen Wirkungen rückwirkend aufgehoben werden oder dass die Wirkung der Aufhebung auf die Verpflichtungen beschränkt ist, die noch zu erfüllen sind. Im letzteren Fall tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass auch alternative Sanktionen im Sinne des Artikel 2e Absatz 2 Anwendung finden.

(...)

Artikel 2e

Verstöße gegen diese Richtlinie und alternative Sanktionen

(1) (...) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die vom öffentlichen Auftraggeber unabhängige Nachprüfungsstelle nach Bewertung aller einschlägigen Aspekte entscheidet, ob der Vertrag als unwirksam erachtet oder alternative Sanktionen verhängt werden sollen.

(2) Die alternativen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Sie umfassen Folgendes:

4.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

4.3.1. Für die Vergabe von Aufträgen auf Basis einer Rahmenvereinbarung gelten ausschließlich die §§ 150 Abs. 2, 151, 152 BVergG 2006 sowie die in diesen Bestimmungen verwiesenen Paragrafen. Da eine Rahmenvereinbarung ein Instrument der Auftragsvergabe darstellt, in dem die Bedingungen für die konkrete Leistungserbringung erst nachträglich fixiert oder nachträglich modifiziert werden können, kommt § 152 Abs. 1 BVergG 2006, wonach bei der Vergabe der auf einer Rahmenvereinbarung beruhenden öffentlichen Aufträge die Parteien keinesfalls substanzielle Änderungen an den Bedingungen der Rahmenvereinbarung vornehmen dürfen, als spezieller Ausformulierung des Diskriminierungsverbotes für diesen Bereich besondere Bedeutung zu. "Substanzielle" Änderungen der Bedingungen einer Rahmenvereinbarung wären etwa Änderungen des Leistungsgegenstandes, die wesentlich andere Angebote (für den Abschluss der Rahmenvereinbarung) oder einen stark veränderten Bewerber- oder Bieterkreis (für den Abschluss der Rahmenvereinbarung) zur Folge gehabt hätten (vgl. zu allem RV 1171 BlgNR XXII. GP , 94 f).

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine substanzielle Änderung vorliegt, ist vor allem auf die Gleichbehandlung und den Transparenzgrundsatz zu achten. Die Rechtsprechung des EuGH betreffend die Zulässigkeit nachträglicher Vertragsänderungen bietet Anhaltspunkte für die Ausmittlung der Grenze zwischen einer dem Charakteristikum der Rahmenvereinbarung entsprechenden Abänderung bzw. Konkretisierung der Leistungsverpflichtung und einer unzulässigen substanziellen Vertragsänderung (vgl. Hornbanger/Zellhofer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 20062, § 152 Rz 1, mit Verweis auf Erwägungsgrund 11 der VergabeRL 2004). In seinem Urteil vom 19. Juni 2008, C-454/06 "Pressetext", sprach der EuGH aus, um die Transparenz der Verfahren und die Gleichbehandlung der Bieter sicherzustellen, seien Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer als Neuvergabe des Auftrags im Sinne der Richtlinie 92/50 anzusehen, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen würden als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen ließen (Rn 34; mit Verweis auf das Urteil des EuGH vom 5. Oktober 2000, Kommission/Frankreich, C-337/98 , Slg. 2000, I-8377, Rn 44 und 46). Die Änderung eines öffentlichen Auftrags während seiner Laufzeit könne als wesentlich angesehen werden, wenn sie Bedingungen einführe, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären (Rn 35; vgl. auch das Urteil des EuGH vom 13. April 2010, Rs C-91/08 , Wall AG, Rz 43).

4.3.2. Wendet man die unter 4.3.1. dargestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, erweist sich die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde - ungeachtet der einer Rahmenvereinbarung immanenten Flexibilität - betreffend die strittige Frage der Rechtswidrigkeit des Abrufs der Impfstofflieferungen aus der Rahmenvereinbarung im Ergebnis als zutreffend:

Ausgehend von den der Rahmenvereinbarung vom 14. November 2011 zugrunde liegenden Ausschreibungsbedingungen (s. oben Punkt 1.1.), welche gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2013, 2010/04/0066, mwN), erforderte die Teilnahme an dieser Ausschreibung die Konkurrenzfähigkeit eines Bieters auf dem Gebiet der Versorgung einer relativ großen Anzahl auf Abruf zu beliefernder Standorte der Auftraggeber mit einem breit gestreuten Warensortiment.

Weiter wurde der in den Ausschreibungsbedingungen - ausdrücklich zu Zwecken der Kalkulation angeführte - erwartete Gesamtjahresumsatz in Zusammenhang mit den Standorten der Kategorie II, worunter laut Ausschreibungsbedingungen die Regionaldienststellen der Beschwerdeführerin fielen, die mit dem verfahrensgegenständlichen Impfstoff beliefert wurden, mit EUR 80.000,00 beziffert (s. Punkt 3.2.6. der Ausschreibungsbestimmungen). Dieser Kalkulationsgrundlage steht im konkreten Fall der aus bloß zwei Abrufen betreffend die Lieferung eines medizinischen Produkts lukrierte Warenumsatz gegenüber, der laut Beschwerde EUR 849.400,40 betragen habe. Auch nach dem Beschwerdevorbringen übersteigt der Umsatz aus den Impfstofflieferungen den in den Ausschreibungsbedingungen in Aussicht gestellten Jahresumsatz der Kategorie II um ein Vielfaches und übertrifft auch den von der Beschwerde ins Treffen geführten Jahresumsatzwert der Rahmenvereinbarung aus allen drei Standortkategorien von EUR 750.000,00.

Das bloße Abstellen der Beschwerde auf die Frage, ob der Umsatz aus den Impfstofflieferungen rechnerisch in dem während der Gesamtlaufzeit von drei Jahren zu erwartenden Umsatzwert der Rahmenvereinbarung für alle drei Standortkategorien Deckung findet, greift bei der Beurteilung, ob es sich bei den Abrufen um eine substanzielle Vertragsänderung handelt, zu kurz.

Die Merkmale des Warenlieferungsauftrages betreffend die Impfstoffe unterscheiden sich schon deshalb substanziell von den sich aus der Rahmenvereinbarung ergebenden Anforderungen an den Auftragnehmer, weil die Erwartung des rund zehnfachen Warenumsatzwerts bezogen auf nur eine der drei Standortkategorien zu einer erheblich anderen Kalkulation führen wird als die Zugrundelegung der aufgrund der Rahmenvereinbarungsbedingungen in Aussicht stehenden Umsätze. Während die Rahmenvereinbarungsbedingungen überdies den Auftragnehmer zu einer in Hinblick auf Ware, Umfang und Termin flexiblen Belieferung einer Vielzahl von Standorten verpflichten, erlaubt die abgerufene Lieferung des Impfstoffbedarfs für eine jährliche Impfaktion grundsätzlich eine langfristige Planung und führt zu einem kalkulierbaren Warenumsatz innerhalb einer kurzen Zeitspanne.

Es ist daher davon auszugehen, dass bereits diese unterschiedlichen Anforderungen im Falle einer Ausschreibung des benötigten FSME-Impfstoffes einen zumindest stark veränderten Bieterkreis im Vergleich zur Rahmenvereinbarung zur Folge gehabt hätten, weshalb die Vergabe der verfahrensgegenständlichen Lieferaufträge auf Basis der Rahmenvereinbarung wegen der damit verbundenen substanziellen Änderung gegen § 152 Abs. 1 BVergG 2006 verstieß.

Die von der Beschwerde monierte rechtliche Beurteilung der Bedeutung der Anzahl der mit dem Impfstoff zu beliefernden Standorte kann daher dahinstehen.

4.3.3. Angesichts des dargestellten Ausmaßes der Überschreitung des mit dem verfahrensgegenständlichen Beschaffungsvorgang erzielten Warenumsatzes gegenüber der mit der Rahmenvereinbarung verbundenen Umsatzerwartung betreffend die maßgebliche Standortkategorie kommt der Verfahrensrüge der Beschwerde im Zusammenhang mit dem von der belangten Behörde um ca. 10% höher festgestellten Gesamtauftragswert der Impfstofflieferungen keine Relevanz zu.

4.3.4. Im Ergebnis hat die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Feststellung nach § 312 Abs. 3 Z 3 BVergG 2006, nämlich dass durch die Beschwerdeführerin ein Vergabeverfahren rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt wurde, zu Recht bejaht. Die Beschwerde ist in diesem Umfang als unbegründet abzuweisen.

4.4. Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

4.4.1. Mit Spruchpunkt IV. hob die belangte Behörde die mit Schreiben vom 6. und vom 29. Februar 2012 geschlossenen Verträge in dem Umfang auf, in welchem diese noch nicht erfüllt worden seien, und stützte diese Entscheidung auf § 334 Abs. 4 BVergG 2006. Die bereits verabreichten Impfungen könnten nicht mehr zurückgestellt werden.

Die Beschwerde führt dagegen zusammengefasst ins Treffen, die Beschwerdeführerin habe zu keinem Zeitpunkt das Absehen von der Vertragsaufhebung (gemeint Nichtigerklärung des Vertrages) beantragt. Eine Aufrechterhaltung des Vertrages könne nur im Interesse der Auftraggeberin erfolgen. Zudem handle es sich bei den gelieferten FSME-Impfstoffen um eine Gattungsschuld. Eine Rückabwicklung des Vertrages sei entgegen der Ansicht der belangten Behörde möglich gewesen, weil sich die Beschwerdeführerin den zurückzustellenden Impfstoff am Markt hätte beschaffen können.

4.4.2. Eine Nichtigerklärung nach § 334 Abs. 2 erster Satz BVergG 2006 hat nur zu erfolgen, wenn in diesem Absatz und in den Abs. 4 und 5 leg. cit. nicht anderes bestimmt ist.

Der Beschwerde ist zuzugestehen, dass das in § 334 Abs. 2 zweiter Satz BVergG 2006 normierte Absehen von der Nichtigerklärung des Vertrages im Oberschwellenbereich von einem darauf gerichteten Antrag des Auftraggebers abhängig ist.

§ 334 Abs. 4 BVergG 2006 bestimmt, dass das Bundesvergabeamt auszusprechen hat, dass der Vertrag nur soweit aufgehoben wird, als Leistungen noch ausständig oder erbrachte Leistungen noch ohne Wertverminderung rückstellbar sind, wenn die erbrachte Leistung oder ein erbrachter Leistungsteil nicht mehr oder nur wertvermindert zurückgestellt werden kann.

§ 334 Abs. 4 BVergG 2006 verlangt für das mit der bloß teilweisen Aufhebung des Vertrages einhergehende Absehen von seiner Nichtigerklärung keinen Antrag des Auftraggebers. Andernfalls könnte das (willkürliche) Unterlassen der entsprechenden Antragstellung durch den Auftraggeber, der die Leistung aus dem Vertrag erhalten hat und nicht mehr zurückstellen kann, auch die Verhängung der alternativen Sanktion der Geldbuße verhindern. Dies würde Art. 2d Abs. 2 iVm Art. 2e Abs. 1 Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG (RechtsM-RL) widersprechen, wonach für den Fall, dass die Wirkung der Aufhebung auf die Verpflichtungen beschränkt ist, die noch zu erfüllen sind, dafür Sorge zu tragen ist, dass alternative Sanktionen Anwendung finden, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

Zusammenfassend hatte daher das Bundesvergabeamt - wie sich auch aus § 334 Abs. 2 erster Satz BVergG 2006 ergibt - ohne Vorliegen eines auf das Absehen von der Nichtigerklärung gerichteten Antrags des Auftraggebers zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 334 Abs. 4 BVergG 2006 betreffend das Nichtvorliegen der Möglichkeit der Zurückstellung der Leistung gegeben sind. Für diese Prüfung sind in rechtlicher Hinsicht die Vorschriften des Zivilrechts betreffend die Rückabwicklung nach Nichtigerklärung eines Vertrages wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 879 Abs. 1 ABGB heranzuziehen. Die Rechtsfolgen entsprechen jenen der Kondiktion nach den §§ 1431 und 1437 ABGB (vgl. Bollenberger in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB Kommentar, § 879 Rz 31 und § 877 Rz 3).

4.4.3. Der Argumentation der Beschwerde, fallbezogen sei die Rückabwicklung des Vertrages entgegen der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde möglich, weil es sich bei den FSME-Impfstoffen um eine Gattungsschuld handle, ist nicht zu folgen:

Der Leistungsgegenstand mag im Fall der Lieferung von FSME-Impfstoff durch generelle Merkmale festgelegt sein und daher zunächst eine Gattungsschuld darstellen (zur Unterscheidung von Stückschuld und Gattungsschuld vgl. Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts II13, 28 f, mwN). Spätestens mit dem Zeitpunkt der Erfüllung tritt jedoch die Konzentration (oder Konkretisierung) der Gattungsschuld ein, was dazu führt, dass diese nunmehr als Stückschuld behandelt wird (vgl. Aicher in Rummel, Kommentar zum ABGB I3, § 1048 ff Rz 4). Damit hat im Falle einer auf Wiederherstellung des vorigen Zustands in Natur gerichteten Kondiktion der Empfänger einer unbegründet erlangten Sache diese zurückzugeben, was für Gattungssachen aber nur solange gilt, als diese unterscheidbar im Machtbereich des Empfängers vorhanden sind (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofs, 1 Ob 822/52 = SZ 25/260).

4.4.4. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass Teile der gelieferten FSME-Impfstoffe verabreicht wurden. Die verfahrensgegenständliche Warenlieferung wurde durch die Erfüllung konkretisiert und ist von diesem Zeitpunkt an als Stückschuld zu behandeln. Diese Stücke befinden sich aufgrund ihrer Verabreichung an die Patienten nicht mehr im Machtbereich des Empfängers und können nicht zurückgestellt werden.

Die Rückstellung eines Teiles der erbrachten Leistung ist daher im Sinne des § 334 Abs. 4 BVergG 2006 nicht möglich, weshalb die belangte Behörde zu Recht im Umfang der Erfüllung der Verträge von der Aufhebung abgesehen hat. Die Beschwerde ist daher auch im Umfang der Anfechtung des Spruchpunktes IV. als unbegründet abzuweisen.

4.5. Zu Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids:

4.5.1. Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Verhängung der Geldbuße an sich und bringt vor, das Absehen von der Nichtigerklärung des Vertrages sei nur auf Antrag und im Interesse des Auftraggebers möglich, dem damit eine Wahlmöglichkeit zwischen der Nichtigerklärung des Vertrages und der alternativen Sanktion einer Geldbuße zukomme.

Art. 2e Abs. 1 der RechtsM-RL verlangt als Rechtsfolge der festgestellten Vergaberechtswidrigkeit die Unwirksamkeit des betreffenden Vertrages oder die Verhängung einer alternativen Sanktion. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 334 Abs. 4 erster Halbsatz BVergG 2006 ist nicht mit Nichtigerklärung (ex tunc) des Vertrages im Sinne des § 334 Abs. 2 erster Satz BVergG 2006 vorzugehen, sondern der Vertrag nur soweit aufzuheben, als Leistungen noch ausständig sind oder erbrachte Leistungen ohne Wertminderung rückstellbar sind. In dem keiner Rückabwicklung zugänglichen Umfang des missbilligten Vertrages verbleibt als einzige Sanktionsmöglichkeit des rechtswidrigen Verhaltens des Auftraggebers die gemäß § 334 Abs. 7 BVergG 2006 ausdrücklich für den Fall des Absehens von der Nichtigerklärung gemäß § 334 Abs. 2 erster Satz oder 3 vorgesehene Verhängung einer Geldbuße. Um den Anforderungen der RechtsM-RL gerecht zu werden, ist daher auch dieser Fall unter die Bestimmung des § 334 Abs. 7 BVergG 2006 zu subsumieren und insoweit mit der Verhängung der Geldbuße vorzugehen. Für den Auftraggeber verbleibt in diesem Fall keine Wahlmöglichkeit (vgl. auch RV 327 BlgNR XXIV. GP , 38).

Eines auf die Verhängung einer Geldbuße abzielenden Antrags der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren bedarf es mangels einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung nicht. Das Gesetz enthält auch keine Regelung, wonach die Vergabekontrollbehörde in einem anhängigen Feststellungsverfahren dem Auftraggeber explizit eine Möglichkeit zur Stellungnahme betreffend die als mögliche Rechtsfolge der Feststellung einer Vergaberechtswidrigkeit normierte Verhängung einer Geldbuße einräumen müsse.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 334 Abs. 7 BVergG 2006 für die Verhängung einer Geldbuße angenommen hat. Der Beschwerde kommt insoweit keine Berechtigung zu.

4.5.2. Letztlich wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Höhe der verhängten Geldbuße und bringt in diesem Zusammenhang vor, die belangte Behörde sei bei der Bemessung von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen. Der Gesamtauftragswert der verfahrensgegenständlichen Verträge sei mit EUR 932.404,36 anstelle von EUR 849.400,40 unrichtig festgestellt worden. Die belangte Behörde habe entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid die dieser Feststellung zugrunde liegenden Ermittlungsergebnisse nicht mit der Beschwerdeführerin erörtert. Die Höhe des Auftragswerts stelle ein wesentliches Element zur Bemessung der Strafe dar, weshalb die fehlerhafte Feststellung aufgrund mangelnder Ermittlungen den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belaste.

4.5.2.1. Diesem Beschwerdevorbringen kommt fallbezogen Berechtigung zu:

Die Festsetzung einer Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung, bei der neben den gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es handelt sich um eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände, nicht um das Ergebnis einer schlichten Rechenoperation (vgl. zur Geldbußenbemessung in Kartellrechtssachen den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 25. März 2009, 16 Ok 4/09, mwN, sowie den Verweis der Materialien auf den vergleichbaren Charakter der Sanktion gemäß § 334 Abs. 7 und 8 BVergG 2006 mit den Geldbußen gemäß § 29 Kartellgesetz 2005 (RV 327 BlgNR XXIV. GP , 39); vgl. zum Ermessen auch Art. 2e Abs. 2 RechtsM-RL).

Voraussetzung für die rechtmäßige Ausübung des Ermessens ist, dass der Sachverhalt in den für die Ermessensübung maßgebenden Punkten ordnungsgemäß und hinreichend vollständig ermittelt wurde (Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 267 f). Um die Überprüfbarkeit des bei der Ausmessung der Geldbuße geübten Ermessens zu gewährleisten, hat die Behörde ausgehend von konkreten Feststellungen zu den Sachverhaltsgrundlagen, die in die Ermessensentscheidung erschwerend oder mildernd einfließen, darzulegen, weshalb die Höhe der im Einzelfall verhängten Geldbuße den in § 334 Abs. 7 BVergG 2006 festgelegten gesetzlichen Anforderungen der Wirksamkeit, Angemessenheit und Eignung zur Abschreckung entspricht (zu den Begründungsanforderungen von Ermessensentscheidungen vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 1987, 85/03/0080, und vom 18. November 1993, 93/09/0256).

4.5.2.2. Gemäß § 334 Abs. 7 BVergG 2006 beträgt die Höchstgrenze für die zu verhängende Geldbuße im Oberschwellenbereich 20% der Auftragssumme. Als Auftragssumme ist die Summe aus Gesamtpreis zuzüglich Umsatzsteuer (vgl. § 2 Z 26 lit a BVergG 2006) des vergebenen Vertrages oder auch Vertragsteiles - sofern es sich nur um ein teilweises Absehen von der Aufhebung des Vertrages im Sinne des § 334 Abs. 4 BVergG 2006 handelt - zu verstehen. Die an der jeweiligen Auftragssumme orientierte Höchstgrenze des Ermessensspielraums für die Behörde ist ein unverzichtbarer Parameter für die Ausmittlung der Geldbuße.

4.5.2.3. Die belangte Behörde stützt die Feststellung des Auftragswerts auf eine Eigenberechnung, die der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht worden sei. Die Beschwerde bestreitet den erfolgten Vorhalt und releviert in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Parteiengehörs. Hätte die belangte Behörde ihre Berechnung offen gelegt, so hätte die Beschwerdeführerin darauf hinweisen können, dass der Preiszuschlag von 4,6% bereits in den Umsatzangaben der Beschwerdeführerin enthalten gewesen sei.

Ein entsprechender Vorhalt der Eigenberechnung der belangten Behörde ist dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. April 2012 nicht zu entnehmen. Der vorgebrachte Verfahrensmangel liegt daher vor und ist relevant, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich eine niedrigere Höchstgrenze der Geldbuße im Sinne des § 334 Abs. 7 BVergG 2006 auf das Ergebnis der Ermessensentscheidung ausgewirkt hätte.

Der angefochtene Bescheid ist im Umfang betreffend die Festsetzung der Höhe der Geldbuße bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Ergänzend ist festzuhalten, dass im Zusammenhang mit den von der belangten Behörde angeführten Erschwerungs- und Milderungsgründen die diese Ermessensbegründung tragenden Feststellungen fehlen. Auch geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor, in welchem Umfang der als rechtswidrig erkannte Vertrag aufrecht erhalten bleibt, sodass nicht nachvollziehbar ist, wie groß der Anteil am rechtswidrigen Vertrag ist, dessen Aufrechterhaltung die alternative Sanktion der Geldbuße erfordert.

4.6. Zu Spruchpunkt VI.:

Gemäß § 319 Abs. 1 BVergG 2006 hat es beim Ausspruch betreffend den Gebührenersatz zugunsten der Antragstellerin im Vergabekontrollverfahren zu bleiben.

4.7. Zusammenfassend war der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Geldbuße in Spruchpunkt V. gemäß § 42 Abs. 2 lit. b und c VwGG aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. März 2015

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