VwGH 2011/16/0188

VwGH2011/16/018819.3.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Mairinger und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde des Mag. ES, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in H, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 30. Juni 2011, ABK - 258/10, betreffend Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
DienstgeberabgabeG Wr §6a Abs1;
KommStG 1993 §6a Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
DienstgeberabgabeG Wr §6a Abs1;
KommStG 1993 §6a Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 220,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der A Steuerberatung GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 23. Februar 2009 der Konkurs eröffnet wurde.

Mit Bescheid vom 13. April 2010 zog der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführer zur Haftung für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen (EUR 4.854,10) und an Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen (EUR 143,94) der A Steuerberatung GmbH jeweils für das Kalenderjahr 2008 heran.

Nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab, und änderte den Spruch dahingehend ab, dass eine Haftung über einen Rückstand an Kommunalsteuer in Höhe von EUR 4.758,92 sowie Säumniszuschlag von EUR 95,18 jeweils für Jänner bis Dezember 2008 und eine Haftung an Dienstgeberabgabe in Höhe von EUR 141,12 sowie an Säumniszuschlag von EUR 2,82 jeweils für August bis Dezember 2008 ausgesprochen werde. Begründend führte die belangte Behörde aus, das Bestehen der Abgabenforderungen ergebe sich aus der Kommunalsteuer-Erklärung vom 27. März 2009 mit einem Gesamtbetrag von EUR 10.409,59 für das Jahr 2008, wovon noch EUR 4.758,92 aushafteten, und aus der nach Monaten aufgeschlüsselten Dienstgeberabgabe-Erklärung für 2008 vom 24. März 2009, die einen Gesamtbetrag von EUR 388,80 aufweise, wovon noch ein Betrag von EUR 141,12 aushafte. Es bestehe kein Anlass für Zweifel an der Richtigkeit der beiden Steuererklärungen, weil diese von der Primärschuldnerin selbst erstellt worden seien.

Durch die Konkurseröffnung am 23. Februar 2009 und die Schließung des Unternehmens am 4. Mai 2009 stehe fest, dass der Abgabenrückstand bei der Primärschuldnerin zumindest nur unter Schwierigkeiten einbringbar sei. Der Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom 25. Jänner 2010 und 18. Mai 2010 aufgefordert worden, innerhalb eines Monats eine Liquiditätsaufstellung betreffend die in Rede stehenden Haftungszeiträume vorzulegen sowie seine Behauptung, ohne Verschulden nicht in der Lage gewesen zu sein, für die Primärschuldnerin die Abgaben zu bezahlen, und keine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt zu haben, durch konkrete und detaillierte Angaben und Beweismittel zu stützen. Er habe aber keine Liquiditätsaufstellung vorgelegt, sondern lediglich vorgebracht, ihm seien die entsprechenden Unterlagen aufgrund des laufenden Konkursverfahrens nicht mehr zugänglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht, nicht zur Haftung für Abgabenrückstände der A Steuerberatung GmbH herangezogen zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten vor, erstattete eine Gegenschrift und stellte den Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 (KommStG), haften die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Gemäß § 6a Abs. 1 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (DienstgeberabgabeG), LGBl. Nr. 17/1970, haften die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe werden für jeden Kalendermonat am 15. des darauffolgenden Kalendermonats fällig (§ 11 Abs. 2 KommStG und § 6 Abs. 1 DienstgeberabgabeG).

Für jedes abgelaufene Kalenderjahr hat der Unternehmer gemäß § 11 Abs. 2 KommStG bis Ende März des folgenden Kalenderjahres der Gemeinde eine Kommunalsteuererklärung abzugeben. Die Steuererklärung hat die gesamte auf das Unternehmen entfallende Bemessungsgrundlage aufgeteilt auf die beteiligten Gemeinden zu enthalten. Die Übermittlung der Steuererklärung hat elektronisch im Wege von FinanzOnline zu erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, den Inhalt und das Verfahren der elektronischen Übermittlung mit Verordnung festzulegen.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war. Für die Haftung nach § 6a KommStG und nach § 6a des Wiener Landesgesetzes über die Dienstgeberabgabe gilt nichts anderes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. März 2013, 2011/16/0187, mwN).

Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. für viele wieder das hg. Erkenntnis vom 18. März 2013, 2011/16/0187).

Ist ein Abgabenbescheid dem Abgabenschuldner gegenüber nicht ergangen, dann muss sichergestellt sein, dass dem in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen, wenn schon nicht vom "Bescheid über den Abgabenanspruch", so doch von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis verschafft wird. Mitteilungen über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) müssen in dem Maß gemacht werden, dass der Haftende zumindest den Kenntnisstand gewinnen kann, den er einnehmen könnte, wäre ihm der Abgabenbescheid zugeleitet worden. Es muss dem Haftungspflichtigen von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2000, 2000/16/0227).

Entgegen den Beschwerdeausführungen hat die belangte Behörde aber im angefochtenen Bescheid das Bestehen der Kommunalsteuerschuld für 2008 und der Dienstgeberabgabe für August bis Dezember 2008 als Vorfrage behandelt und ausreichende Feststellungen darüber getroffen. Sie durfte sich dabei auch auf die vom Masseverwalter erstellten Abgabenerklärungen stützen. Dass die mit Haftungsbescheid geltend gemachten Abgaben dem Grunde und der Höhe nach unrichtig seien, hat der Beschwerdeführer weder während des Haftungsverfahrens noch in seiner Beschwerde behauptet.

Der Beschwerdeführer hat auch kein Vorbringen erstattet, aus dem sich ergäbe, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, seine abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen. Mit seinem Vorbringen, dass die belangte Behörde keinen Nachweis seiner schuldhaften Pflichtverletzung erbracht hätte, verkennt er, dass im Haftungsverfahren den zur Haftung herangezogenen Vertreter der Primärschuldnerin die diesbezügliche Beweislast trifft.

Dem steht auch nicht der behauptete Umstand entgegen, dass weder der Masseverwalter noch der Sachverständige dem Beschwerdeführer Einblick in bei ihnen befindliche Unterlagen betreffend die Primärschuldnerin gewährt haben. Dem Beschwerdeführer wäre es nämlich noch als Vertreter der Primärschuldnerin oblegen gewesen, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2013, 2010/16/0019, mwN). Warum es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sein sollte, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechende Vorsorgen zu treffen, wird in der Beschwerde nicht dargetan.

Wenn der Beschwerdeführer rügt, auch die belangte Behörde habe ihm "die Einsichtnahme in die bei der Behörde aufliegenden Unterlagen verweigert", so unterlässt er jede konkrete Angabe, welche Unterlagen er hätte einsehen wollen. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die vom Masseverwalter unterfertigte Jahreserklärung betreffend die Kommunalsteuer für das Jahr 2008 sei ihm von der Abgabenbehörde nicht zur Kenntnis gebracht worden, erweist sich im Übrigen als aktenwidrig. Nach dem in den Verwaltungsakten einliegenden Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom 11. April 2011 wurde dem Beschwerdeführer nämlich neben der Ablichtung der Jahreserklärung für die Dienstgeberabgabe 2008 auch ein Ausdruck der elektronisch eingebrachten Jahreserklärung für die Kommunalsteuer des Jahres 2008 übermittelt, wozu der Beschwerdeführer auch in seinem Schreiben vom 5. Mai 2011 Stellung genommen hat, sodass davon auszugehen ist, dass ihm diese Unterlagen auch zugegangen sind. Dass diese Erklärungen vom Masseverwalter (und nicht vom Beschwerdeführer) eingereicht worden sind, ist entgegen dem Beschwerdevorbringen für die Haftungsinanspruchnahme nicht von Bedeutung.

Der Beschwerdeführer rügt auch, es sei ihm nicht möglich gewesen, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, weil ihm die belangte Behörde nicht die monatlichen Beträge bekannt gegeben hat, die den Jahreserklärungen zugrunde gelegt wurden. Damit zeigt er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die Kommunalsteuer 2008 lediglich in einem Jahresbetrag bekannt gegeben wurde. Dadurch wurde der Beschwerdeführer aber nicht in die Lage versetzt, die geforderte, nach Monaten gegliederte Liquiditätsaufstellung zu erstellen und dabei die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu berechnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2012, 2009/16/0181).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Einem Wirtschaftsprüfer in eigener Sache ist Schriftsatzaufwand nicht zuzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2011, 2009/15/0223, mwN).

Wien, am 19. März 2015

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