VwGH Ro 2014/02/0106

VwGHRo 2014/02/010626.8.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Revision des K in W, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, Mariahilferstraße 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. April 2014, Zl W172 2000424- 1/6E, betreffend Übertretungen des Börsegesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzmarktaufsichtsbehörde, weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

VStG §51 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1 idF 2013/I/033;
VwGG §42 Abs4 idF 2013/I/033;
VwGVG 2014 §43 Abs1;
VwGVG 2014 §43;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014020106.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass das Strafverfahren gegen den Revisionswerber eingestellt wird.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 8. Jänner 2013, dem Revisionswerber zugestellt am 11. Jänner 2013, wurde der Revisionswerber dreier Übertretungen des Börsegesetzes für schuldig erkannt. Die gegen diesen Bescheid vom Revisionswerber erhobene Berufung wurde am 25. Jänner 2013 zur Post gegeben und langte am 28. Jänner 2013 bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde ein.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der als Beschwerde zu wertenden Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde (mit Maßgaben hinsichtlich der Anführung der verletzten Rechtsvorschriften) bestätigt. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig ist.

Dieses Erkenntnis wurde dem Revisionswerber am 6. Mai 2014, der Finanzmarktaufsichtsbehörde am 2. Mai 2014 zugestellt.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Revision mit dem Antrag, es kostenpflichtig aufzuheben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 51 Abs 7 VStG in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden

Fassung lautete:

"Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Berufung des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis 15 Monate vergangen, tritt es von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen. In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft oder beim Gericht anhängig ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union."

Gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG wurden (ua) die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern mit 1. Jänner 2014 aufgelöst; die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei ihnen anhängigen Verfahren ging nach dieser Bestimmung auf die Verwaltungsgerichte über.

§ 43 VwGVG lautet:

"Verjährung

§ 43. (1) Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen.

(2) In die Frist gemäß Abs. 1 werden die Zeiten gemäß § 34 Abs. 2 und § 51 nicht eingerechnet."

2. Im Revisionsfall langte die Berufung am 28. Jänner 2013 bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde ein. Nach der damals geltenden Rechtslage gemäß § 51 Abs 7 VStG konnte der Revisionswerber davon ausgehen, dass die Berufungsbehörde - der unabhängige Verwaltungssenat - binnen 15 Monaten über die Berufung entscheiden würde, anderenfalls würde das bekämpfte Straferkenntnis außer Kraft treten, dies im Sinne des rechtlichen Interesses des Beschuldigten, die Situation der Ungewissheit über den Ausgang eines Verwaltungsstrafverfahrens zu beenden (vgl dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. November 2008,

G 86/08 ua). Im Falle eines nunmehr mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu bekämpfenden verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses hat der Gesetzgeber in § 43 VwGVG dieselbe fünfzehnmonatige Frist festgelegt, wie sie zuvor in § 51 Abs 7 VStG statuiert war.

3. Die Neuordnung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und damit verbunden der Zuständigkeitsübergang für das hier zu beurteilende Verwaltungsstrafverfahren auf das Verwaltungsgericht ändert nichts an dem aus verfassungsrechtlichen Gründen (vgl auch dazu das soeben zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. November 2008) gebotenen Anspruch auf Entscheidung über die Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen ein Straferkenntnis binnen angemessener Frist.

Vor diesem Hintergrund ist daher § 43 VwGVG dahin auszulegen, dass ein (früher: erstinstanzliches) verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft tritt, wenn seit Einlangen der nun als Beschwerde zu beurteilenden (rechtzeitig eingebrachten und zulässigen) Berufung 15 Monate vergangen sind.

4. Im vorliegenden Revisionsfall endet die fünfzehnmonatige Entscheidungsfrist - ausgehend vom Einlangen der Berufung am 28. Jänner 2013 - am 28. April 2014 (einem Montag, der kein gesetzlicher Feiertag war oder ein anderer Tag, an dem der Ablauf der Frist gemäß § 33 Abs 2 AVG gehemmt gewesen wäre). Dass die Berufung nicht rechtzeitig eingebracht oder aus anderen Gründen nicht zulässig gewesen wäre, wird von den Verfahrensparteien nicht vorgebracht und geht auch aus den vorgelegten Akten nicht hervor. Ebensowenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass Zeiten zu berücksichtigen gewesen wären, die gemäß § 43 Abs 2 VwGVG bzw § 51 Abs 7 zweiter Satz VStG in die Frist nicht einzurechnen wären.

Die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses erfolgte nicht innerhalb dieser Frist (Zustellung an die Finanzmarktaufsichtsbehörde am 2. Mai 2014, an den Revisionswerber am 6. Mai 2014).

5. Entscheidet das Verwaltungsgericht über ein nach Ablauf der fünfzehnmonatigen Frist des § 43 Abs 1 VwGVG als aufgehoben geltendes verwaltungsbehördliches Straferkenntnis, so belastet sie dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl zu § 51 Abs 7 VStG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung das hg Erkenntnis vom 28. März 2014, Ro 2014/02/0025).

Gemäß § 42 Abs 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies trifft im vorliegenden Fall zu.

Das angefochtene Erkenntnis war daher dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber gemäß § 43 VwGVG einzustellen ist, weil das verwaltungsbehördliche Straferkenntnis bereits mit Ablauf des 28. April 2014 außer Kraft getreten ist.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014.

Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 26. August 2014

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