VwGH Ra 2014/02/0081

VwGHRa 2014/02/008119.12.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, in 1200 Wien, Dresdner Straße 81-85, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. Juni 2014, Zl. VGW- 031/008/24462/2014-5, betreffend Einstellung eines Verfahrens wegen Übertretung des KFG (mitbeteiligte Partei: S in W), zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §103 Abs2;
KFG 1967 §134 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:RA2014020081.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 21. März 2014 wurde über den Mitbeteiligten wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 128,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 26 Stunden) verhängt, weil er es als Zulassungsbesitzer eines näher genannten Kraftfahrzeuges unterlassen habe, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 31. Juli 2013 innerhalb der Frist von zwei Wochen bekannt zu geben, wer das Fahrzeug an einem näher bezeichneten Ort abgestellt habe, sodass es am 14. März 2013 um 22.03 Uhr dort gestanden sei.

Der Mitbeteiligte hatte das mit der Lenkeranfrage vom 31. Juli 2013 übermittelte Formular zur Beantwortung unausgefüllt mit dem bloßen handschriftlichen Vermerk "Da es sich um meine Firmenautos handelt und die noch dazu auf meiner Firmeneinfahrt standen erhebe ich Einspruch" der anfragenden Behörde zurückgesandt.

In seiner Beschwerde gegen das darauf ergangene Straferkenntnis brachte der Mitbeteiligte zusammengefasst vor, dass er nicht verstehe, wofür er eigentlich bestraft werde, weil er vor seiner (eigenen) Einfahrt gestanden sei.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG eingestellt, sowie ausgesprochen, dass gegen sein Erkenntnis eine ordentliche Revision unzulässig sei.

Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dem Akteninhalt nach sei das auf den Mitbeteiligten zugelassene näher bezeichnete Tatfahrzeug zur Tatzeit in Wien 10, H.-gasse 34, vorschriftswidrig, offensichtlich vor der dort befindlichen Haus- und Grundstückseinfahrt, abgestellt gewesen. Laut vom Verwaltungsgericht eingeholter Auskunft der Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft sei die Liegenschaft H.-gasse 34 zur Gänze an den Mitbeteiligten vermietet, der dort eine KFZ-Reparaturwerkstätte betreibe. Sinn und Zweck einer Lenkeranfrage sei es, den Lenker eines vorschriftswidrig abgestellten Kraftfahrzeuges zu ermitteln und gegen diesen ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des begangenen Delikts einzuleiten. Das strafrechtlich geschützte Rechtsgut liege im vorliegenden Fall in der Erteilung einer Lenkerauskunft zur Ermittlung eines bestimmten Lenkers, der sein Fahrzeug vorschriftswidrig vor einer Hauseinfahrt geparkt habe, wodurch ein berechtigter Lenker an der Zufahrt gehindert gewesen sei. Da dem Akteninhalt nach aber der Mitbeteiligte über die zur Liegenschaft gehörende Einfahrt allein verfügungsberechtigt gewesen sei und er mit seinem eigenen Fahrzeug vor der Einfahrt gestanden sei, sei ein solches Interesse der Behörde an der Ermittlung des Fahrzeuglenkers "nicht geschädigt". Aus demselben Grund gebe es auch kein Verschulden des Mitbeteiligten an der Nichtbekanntgabe des Fahrzeuglenkers. Im Hinblick darauf seien die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG vorgelegen.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Magistrats der Stadt Wien als der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht (Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG), die vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde. Revisionsbeantwortung seitens der mitbeteiligten Partei wurde keine erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Die Revisionswerberin bringt unter näherer Darstellung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Auskunftsersuchen nach § 103 Abs. 2 KFG vor, das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts weiche insofern von dieser ab, als bereits der Verdacht der Übertretung unter anderem einer straßenpolizeilichen Vorschrift für eine Lenkeranfrage genüge und die Behörde nicht zu vorangehenden langwierigen und umfangreichen Ermittlungen in der Verwaltungsstrafsache selbst verpflichtet sei. Aus den Beanstandungsdaten sei auch eindeutig ersichtlich gewesen, dass die der Lenkeranfrage zugrundeliegende Verwaltungsübertretung nicht, wie vom Verwaltungsgericht irrtümlich angenommen, darin bestanden habe, dass die mitbeteiligte Partei das angeführte Kraftfahrzeug am Tatort vor einer Haus- und Grundstückseinfahrt abgestellt hätte, sondern dass dieses Kraftfahrzeug entgegen den Bestimmungen des § 32 Abs. 2 StVO nicht parallel, sondern schräg zum Fahrbahnrand gestanden sei. Vor diesem Hintergrund könne entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass im vorliegenden Fall kein begründetes Behördeninteresse an der Erteilung einer Lenkerauskunft bestehe.

Doch auch wenn die irrtümlich vom Verwaltungsgericht angenommene Verwaltungsübertretung des Parkens vor einer Haus- und Grundstückseinfahrt vorläge, sei die Einholung einer Lenkerauskunft durch die Behörde nicht grundlos und würde die Verpflichtung des Zulassungsbesitzers zur Auskunftserteilung auslösen.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

§ 103 Abs. 2 KFG lautet:

"(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

Die mitbeteiligte Partei hat im Verfahren nicht bestritten, die Lenkeranfrage nicht beantwortet zu haben; auch das Verwaltungsgericht geht von dieser Sachlage aus, vermeint aber, dass nach seiner Beurteilung der die Lenkeranfrage ausgelöst habenden Verwaltungsübertretung nach der StVO kein behördliches Interesse an einer Lenkeranfrage gegeben sei.

Wie die Revisionswerberin demgegenüber zutreffend ausgeführt hat, schützt die Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG das Interesse an einer jederzeit und ohne unnötige Verzögerung möglichen Ermittlung von Personen, die im Verdacht stehen, eine straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Übertretung begangen zu haben, mithin das Interesse an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/03/0434, mwH). Sinn und Zweck der Bestimmung ist es, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2010, Zl. 2010/02/0090, mwH), wobei die Lenkeranfrage auch einem anderen Zweck als dem der Ausforschung eines Straßenverkehrstäters dienen kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2003, Zl. 2000/02/0322).

Die gesetzliche Auskunftspflicht ist auch nicht davon abhängig, dass rechtmäßiger Weise eine Bestrafung des Lenkers wegen einer Verwaltungsübertretung erfolgen darf (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 89/18/0177, mwH, siehe auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Juni 1973, B 71/73, VfSlg. 7056); die Lenkeranfrage darf seitens der Behörde bloß nicht grundlos und somit willkürlich erfolgen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Jänner 1992, Zl. 91/03/0349, oder vom 12. Juli 1994, Zl. 92/03/0200).

Für die Annahme, die Behörde habe im vorliegenden Fall ohne jeglichen Grund willkürlich Auskunft verlangt, bestand angesichts der für die Lenkeranfrage Anlass gegeben habenden Verwaltungsübertretung kein Hinweis.

Davon ausgehend war die mitbeteiligte Partei aber verpflichtet, die gesetzliche Auskunftspflicht zu erfüllen, dies unbeachtlich der im gegenständlichen Verfahren wegen Verletzung der Auskunftspflicht nicht relevanten Erwägungen, die das Verwaltungsgericht zu dem die Lenkeranfrage auslösenden verwaltungsstrafrechtlichen Delikt angestellt hat.

Nach der hg. Rechtsprechung ist der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 erfüllt, wenn eine Lenkerauskunft des Zulassungsbesitzers nicht richtig und vollständig erfolgt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. November 2000, Zl. 2000/02/0194, mwH). Dies trifft im vorliegenden Fall zu.

Das angefochtene Erkenntnis war daher nach dem oben Gesagten gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 19. Dezember 2014

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