Normen
FSG 1997 §1 Abs4;
FSG 1997 §30 Abs1;
FSG 1997 §30 Abs2;
FSG 1997 §39 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 18. Jänner 2010 entzog die Beschwerdeführerin dem Mitbeteiligten die Lenkberechtigung für die Klasse B für einen Zeitraum von 12 Monaten, gerechnet ab 6. Jänner 2010, dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheins (erster Spruchpunkt). Der zweite Satz dieses Spruchpunktes lautet:
"Diese Entziehung erstreckt sich auch auf eine allfällig von einer Behörde eines EWR-Staates erteilte oder innerhalb der Entziehungsdauer zukünftig erteilte ausländische Lenkberechtigung."
Unter einem wurde der Mitbeteiligte aufgefordert, "einen allfällig vorhandenen ausländischen Führerschein unverzüglich der Behörde abzuliefern".
Ebenfalls unter einem erkannte die Beschwerdeführerin dem Mitbeteiligten das Recht ab, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung auf die Dauer der Entziehung in Österreich Gebrauch zu machen, und verbot ihm das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges bis einschließlich 6. Jänner 2011. Überdies wurde die Absolvierung einer Nachschulung für alkoholauffällige Kraftfahrzeuglenker innerhalb der Entziehungsdauer bzw. Verbotsdauer, die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens und einer verkehrspsychologischen Stellungnahme, jeweils innerhalb der Entziehungsdauer bzw. Verbotsdauer, angeordnet.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Nachdem der Mitbeteiligte am 25. September 2013 anlässlich einer Verkehrskontrolle einen am 11. Mai 2011 von einer tschechischen Behörde ausgestellten Führerschein vorgezeigt hatte, wurde dieser Führerschein dem Mitbeteiligten am 8. Oktober 2013 von einem der Beschwerdeführerin zuzurechnenden Organ des Bezirkspolizeikommandos Freistadt gemäß § 39 FSG gegen Bescheinigung abgenommen, dies über Weisung der Beschwerdeführerin, welche damit begründet war, dass der Mitbeteiligte die im Bescheid vom 18. Jänner 2010 enthaltenen Aufträge nicht befolgt hätte.
Der dagegen erhobenen Maßnahmenbeschwerde gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Bescheid vom 5. November 2013 statt und erklärte die Abnahme des tschechischen Führerscheins des Mitbeteiligten am 8. Oktober 2013 durch ein der Beschwerdeführerin zurechenbares Organ für rechtswidrig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 35 Abs. 1 FSG iVm. Art. 131 Abs. 2 B-VG (idF. vor der B-VG Novelle BGBl. I Nr. 51/2012) gestützte, Beschwerde.
Die belangte Behörde, welche die Akten des Verwaltungsverfahrens vorlegte, sowie der Mitbeteiligte erstatteten jeweils Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Das FSG lautet (auszugsweise):
"Geltungsbereich
§ 1.
...
(4) Eine von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staates erteilte Lenkberechtigung ist einer Lenkberechtigung gemäß Abs. 3 gleichgestellt. Das Lenken von Kraftfahrzeugen mit einer solchen Lenkberechtigung ist jedoch nur zulässig, wenn der Lenker das in § 6 Abs. 1 genannte Mindestalter erreicht hat. Für die Anerkennung der Klasse B ist die Vollendung des 17. Lebensjahres ausreichend. Eine von einem EWR-Staat erteilte Lenkberechtigung gilt als österreichische Lenkberechtigung, wenn der Besitzer dieser Lenkberechtigung seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) nach Österreich verlegt oder solange er seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung ist nur im Rahmen der Bestimmungen des § 23 zulässig.
...
Erlöschen der Lenkberechtigung
§ 27. (1) Eine Lenkberechtigung erlischt:
1. nach Ablauf einer Entziehungsdauer von mehr als 18 Monaten;
...
Folgen des Entziehungsverfahrens für Besitzer von ausländischen Lenkberechtigungen und Führerscheinen
§ 30. (1) Dem Besitzer einer ausländischen EWR- oder Nicht-EWR-Lenkberechtigung, der keinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, ist das Recht, von seiner Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, abzuerkennen, wenn Gründe für die Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, von der Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot unter Anwendung der §§ 24 Abs. 1, 25, 26 und 29 auszusprechen. Für die Aberkennung ist die Behörde zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Aufenthalt hat; sie hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten. Sofern dies möglich ist, hat die Behörde der Ausstellungsbehörde des Führerscheines die Tatsache der Aberkennung des genannten Rechtes mitzuteilen.
(2) Einem Besitzer einer ausländischen Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder eines ausländischen EWR-Führerscheines (§ 1 Abs. 4), der einen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, hat die Behörde die Lenkberechtigung unter Anwendung der §§ 24 bis 29 zu entziehen. Der eingezogene Führerschein ist der Ausstellungsbehörde zusammen mit einer Sachverhaltsdarstellung zu übermitteln. Nach Ablauf der Entziehungsdauer hat der Betroffene einen Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Führerscheines gemäß § 15 Abs. 3 oder, falls die Entziehungsdauer länger als 18 Monate war, auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung zu stellen. Die Behörde hat auch die Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR- oder eines Nicht-EWR-Staates anzuordnen, wenn eine Person mit Wohnsitz in Österreich eine solche Lenkberechtigung zu einem Zeitpunkt erlangt hat, zu dem in Österreich bereits die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen war. In diesem Fall ist die Lenkberechtigung bis zu jenem Zeitpunkt zu entziehen, zu dem die bereits angeordnete Entziehungsdauer endet. Eine Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR-Staates oder eines Nicht-EWR-Staates ist auszusprechen, wenn eine Person eine Lenkberechtigung in diesem Staat zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem die Person ihren Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich und nicht im Ausstellungsstaat des Führerscheines hatte.
...
Vorläufige Abnahme des Führerscheines
§ 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht haben einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, dass er insbesondere infolge Alkohol- oder Suchtmittelgenusses, Einnahme von Medikamenten oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Weiters haben die Organe die genannten Dokumente vorläufig abzunehmen, wenn ein Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder mehr oder ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr festgestellt wurde oder der Lenker eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b oder c StVO 1960 begangen hat, wenn der Lenker ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, in Betrieb genommen hat oder versucht hat, es in Betrieb zu nehmen, auch wenn anzunehmen ist, dass der Lenker in diesem Zustand kein Kraftfahrzeug mehr lenken oder in Betrieb nehmen wird. Außerdem haben diese Organe Personen, denen die Lenkberechtigung mit Bescheid vollstreckbar entzogen wurde oder über die ein mit Bescheid vollstreckbares Lenkverbot verhängt wurde und die der Ablieferungsverpflichtung der Dokumente nicht nachgekommen sind, den Führerschein, den Mopedausweis oder gegebenenfalls beide Dokumente abzunehmen. Ebenso können diese Organe bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen, die mit einer Entziehung geahndet werden, den Führerschein vorläufig abnehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheines oder Mopedausweises erforderlichen Schritte enthalten sind.
..."
2.1. Im Hinblick auf § 35 Abs. 1 FSG, wonach die Behörde gegen Bescheide des unabhängigen Verwaltungssenates Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben kann, iVm. Art. 131 Abs. 2 B-VG (idF. vor der B-VG Novelle BGBl. I Nr. 51/2012) ist die Beschwerde zulässig.
2.2. Nach Ausweis der Verwaltungsakten (die Beschwerdeführerin erhielt bereits am 8. November 2013 Kenntnis vom angefochtenen Bescheid) war die Beschwerdefrist vor dem Verwaltungsgerichtshof bereits vor dem 1. Jänner 2014 abgelaufen. Im Beschwerdefall sind daher gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
2.3. Die Beschwerde ist unbegründet.
2.3.1. Die Beschwerdeführerin bringt - soweit hier von Interesse - vor, der erste Spruchpunkt ihres Bescheides vom 18. Jänner 2010 sei, wenn gleichzeitig mit der Entziehung der österreichischen Lenkberechtigung auch eine allfällige während der Entziehungsdauer in einem EWR-Staat erteilte oder zukünftig erteilte Lenkberechtigung als entzogen zu gelten habe, dahin zu verstehen, dass eine solcherart erteilte (ausländische) Lenkberechtigung keine Gültigkeit entfalten könne. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Die Beschwerdeführerin sei gehalten gewesen, dem Mitbeteiligten den tschechischen Führerschein, den der Mitbeteiligte gemäß dem Bescheid vom 18. Jänner 2010 ohnehin der Behörde abzuliefern gehabt hätte, unter Anwendung des § 39 Abs. 1 dritter Satz FSG umgehend abzunehmen.
2.3.2.1. Die Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof gehen übereinstimmend davon aus, dass die Abnahme des tschechischen Führerscheins des Mitbeteiligten am 8. Oktober 2013 einen Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt darstellte. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlass, dieser Einschätzung entgegenzutreten.
2.3.2.2. Strittig ist im Beschwerdefall allein die Frage, ob die am 8. Oktober 2013 erfolgte Abnahme des tschechischen Führerscheins des Mitbeteiligten rechtswidrig war. Im Beschwerdefall ist hingegen nicht die Gültigkeit der dem Mitbeteiligten - nach den Feststellungen der belangten Behörde bereits am 9. Februar 2011 für die Klasse B und am 11. Mai 2011 für die Klassen A und B - erteilten tschechischen Lenkberechtigung zu beurteilen.
2.3.2.3. § 39 FSG regelt die vorläufige Abnahme des Führerscheins durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 erster Satz, zweiter Satz und vierter Satz FSG jedenfalls nicht vorliegen.
Die belangte Behörde hat auch zutreffend erkannt, dass auch § 39 Abs. 1 dritter Satz FSG keine Grundlage für die Zulässigkeit der Abnahme des Führerscheins bieten konnte:
Die Ablieferungspflicht bezieht sich nämlich nur auf Führerscheine, denen wirksam entzogene Lenkberechtigungen zugrundeliegen.
Der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung, dass sich aufgrund der Formulierung ihres in Rechtskraft erwachsenen Bescheids vom 18. Jänner 2010 ("Diese Entziehung erstreckt sich auch auf eine allfällig von einer Behörde eines EWR-Staates erteilte oder innerhalb der Entziehungsdauer zukünftig erteilte ausländische Lenkberechtigung" bzw. "fordert Sie auf, einen allfällig vorhandenen ausländischen Führerschein unverzüglich der Behörde abzuliefern") die Ablieferungspflicht auch auf im Entziehungszeitpunkt noch gar nicht erteilte ausländische Lenkberechtigungen und noch nicht ausgestellte ausländische Führerscheine bezieht, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen.
Die Wendungen "eine allfällig von einer Behörde eines EWR-Staates erteilte" bzw. "einen allfällig vorhandenen ausländischen Führerschein" können sich bei verständiger Würdigung nur auf im Zeitpunkt der Erlassung des Entziehungsbescheides bereits erteilte Lenkberechtigungen bzw. ausgestellte Führerscheine beziehen. Die im Entziehungsbescheid ebenfalls enthaltene Wendung "eine
allfällig von einer Behörde eines EWR-Staates ... innerhalb der
Entziehungsdauer zukünftig erteilte Lenkberechtigung" ist normativ ohne Bedeutung, weil die Beschwerdeführerin als Führerscheinbehörde die Entziehung noch gar nicht erteilter Lenkberechtigungen, die ihr im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides vom 18. Jänner 2010 noch gar nicht bekannt sein konnten, schon von vornherein nicht bewirken konnte; sie ging daher ins Leere.
Da folglich auch § 39 Abs. 1 dritter Satz FSG keine tragfähige Grundlage für die Abnahme des Führerscheins des Mitbeteiligten bot, haftet dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an.
2.3.4. Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm. mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 6. März 2014
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