VwGH 2012/15/0044

VwGH2012/15/004427.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 9. Jänner 2012, Zl. RV/0326-I/11, betreffend Umsatzsteuer 2006 bis 2009 (mitbeteiligte Partei: D GmbH in I, vertreten durch die Schweisgut & Kneringer Wirtschafts- & Steuerberatungs-GmbH & Co KG in 6500 Landeck, Schrofensteinstraße 12), zu Recht erkannt:

Normen

11994N151 EU-Beitrittsvertrag Akte Art151;
11994NN15 EU-Beitrittsvertrag Anh15 Kap9 Z2 liti;
12010E267 AEUV Art267;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art26;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art28 Abs3 litb;
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art306;
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art307;
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art308;
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art309;
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art310;
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art378 Abs2;
62005CJ0251 Talacre Beach Caravan Sales VORAB;
62006CJ0268 Impact VORAB;
62009CJ0497 Bog u.a. VORAB;
62011CJ0044 Deutsche Bank VORAB;
62011CJ0224 BGZ Leasing VORAB;
62011CJ0392 Field Fisher Waterhouse VORAB;
EURallg;
UStG 1972 §6 Z5;
UStG 1994 §1 Abs1 Z1;
UStG 1994 §1;
UStG 1994 §23 Abs1;
UStG 1994 §3;
UStG 1994 §3a Abs7;
UStG 1994 §3a;
UStG 1994 §6 Abs1 Z3 litd;
UStG 1994 §6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte GmbH ist eine österreichische Reiseveranstalterin. Sie führt mehrtägige grenzüberschreitende Flusskreuzfahrten (Beförderung inklusive Nächtigung in der Schiffskabine und Vollpension zu einem Gesamt-Pauschalpreis) auf großen europäischen Flüssen, insbesondere dem Rhein und der Donau, durch. Sie erbringt ihre Leistungen an Unternehmer, nämlich ausländische Reisebüros, deren Kunden zumeist die Endverbraucher (Reiseteilnehmer) sind. Die Mitbeteiligte bezieht ihrerseits die Leistungen von Kreuzfahrtgesellschaften, insbesondere den Gesellschaften BA aus Rumänien und CA aus Deutschland. Mit der Kreuzfahrtgesellschaft BA wurde u.a. der Vertrag vom 24. März 2007 geschlossen. Darin ist festgehalten, BA verchartere das Schiff an die Mitbeteiligte und "garantiert somit folgende Leistungen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Reiseleistung:

Sonderregelungen für Umsätze von Reisebüros (Reiseveranstaltern) finden sich sowohl in der Sechsten RL (Art. 26) wie auch in der MwStSystRL 2006/112/EG (Art. 306 bis 310). Nach Art. 26 Abs. 2 der Sechsten RL und Art. 307 MwStSystRL gelten die bei Durchführung der Reise vom Reisebüro (Reiseveranstalter) erbrachten Umsätze als eine einheitliche Dienstleistung, die in dem Mitgliedstaat besteuert wird, in dem das Reisebüro (der Reiseveranstalter) den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat.

Wie der EuGH im Urteil vom 26. September 2013, C-189/11 , Europäische Kommission gegen Königreich Spanien, Rn 69, ausgesprochen hat, gelten diese Sonderregelungen nicht nur für den Verkauf von Reisen an Reisende (Konsumenten), sondern für den Verkauf von Reisen an alle Arten von Kunden (auch an Unternehmer).

Bei der im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltskonstellation liegt es nahe, dass die Leistungen der Mitbeteiligten Reiseleistungen iSd vorgenannten Richtlinienbestimmungen sein könnten. Diese Richtlinienbestimmungen sind in Österreich durch § 23 UStG 1994 umgesetzt, der auszugsweise wie folgt lautet:

"(1) Die nachfolgenden Vorschriften gelten für Reiseleistungen eines Unternehmers,

- die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind,

soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und

- Reisevorleistungen in Anspruch nimmt.

(...)"

§ 23 Abs. 1 UStG 1994 setzt nach dem eindeutigen Gesetzwortlaut und Willen des Gesetzgebers voraus, dass die vom Unternehmer erbrachten Reiseleistungen nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers erbracht werden. Für Reiseleistungen an andere Unternehmer ist § 23 UStG 1994 daher nicht anwendbar. Dass damit die Richtlinienregelung nicht richtig umgesetzt worden ist, erweist sich im gegenständlichen Fall aufgrund der eindeutigen Regelung im österreichischen Gesetz als nicht entscheidungserheblich. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH begrenzt insbesondere der Grundsatz der Rechtssicherheit die Verpflichtung, bei der Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, so dass der Grundsatz richtlinienkonformer Auslegung nicht zu einer mit dem eindeutigen Inhalt einer Regelung des nationalen Rechts unvereinbaren Auslegung führen darf (vgl. EuGH vom 15. April 2008, C-268/06 , Impact, Rn 100).

Auch eine unmittelbare Anwendung der Richtlinienbestimmung über Reiseleistungen kommt nicht in Betracht. Sie würde sich nämlich zu Lasten der Steuerpflichtigen (Mitbeteiligten) auswirken (vgl. zu an Busreiseunternehmen erbrachte Leistungen das Urteil des BFH vom 15. Januar 2009, V R 9/06).

2. Leistungsort (Verpflegung):

Gemäß § 3a Abs. 7 UStG 1994 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novellierung durch BGBl I Nr. 52/2009 wird eine Beförderungsleistung dort ausgeführt, wo die Beförderung bewirkt wird. Erstreckt sich eine Beförderungsleistung sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland, so fällt (nur) der inländische Teil der Leistung unter das UStG 1994, ist also nur der inländische Teil steuerbar.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist umsatzsteuerlich zum einen jede Leistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten, zum anderen darf im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst (vgl. EuGH vom 27. September 2012, C- 392/11 , Field Fisher Waterhouse LLP, Rn 14, 15; EuGH vom 10. März 2011, C-497/09 , C-499/09 , C-501/09 und C-502/09 , Bog u. a., Rn 52).

Dabei stellt die Rechtsprechung des EuGH fest, dass es für die Bestimmung des Umfangs einer Leistung aus mehrwertsteuerlicher Sicht keine Regel mit absoluter Geltung gibt, aber jedenfalls stets die Gesamtumstände zu berücksichtigen sind. Ob der Unternehmer im konkreten Einzelfall eine einheitliche Leistung erbringt, haben im Rahmen der mit Art. 267 AEUV errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben (vgl. EuGH vom 17. Januar 2013, C-224/11 , BG? Leasing, Rn 32, 33, und vom 27. September 2012, C-392/11 , Field Fisher Waterhouse LLP, Rn 18 bis 20).

Der EuGH hat zu Recht erkannt, dass eine einheitliche Leistung insbesondere dann vorliegt, wenn ein Teil die Hauptleistung, ein anderer Teil aber eine Nebenleistung darstellt, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt. Allerdings kann im Hinblick auf die Mehrwertsteuer auch unter anderen Umständen eine einheitliche Leistung vorliegen: Die Rechtsprechung des EuGH nimmt eine einheitliche Leistung auch dann an, wenn der Unternehmer für den Verbraucher - wobei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist - zwei oder mehr Elemente liefert oder Handlungen vornimmt, die gleichwertig sind, aber so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (EuGH vom 19. Juli 2012, C-44/11 , Deutsche Bank AG, Rn 18 bis 21). Im Falle einer aus mehreren gleichrangigen Leistungen untrennbar zusammengesetzten einheitlichen Leistung liegt eine Leistung eigener Art vor, sodass Begünstigungen (Steuerbefreiungen), die für eine der Leistungen bei ihrem isolierten Auftreten zur Anwendung kämen, auf diese einheitliche Leistung nicht angewendet werden dürfen (vgl. zur Steuerpflicht der einheitlichen, die an sich steuerbefreiten Wertpapierverkäufe mitumfassenden Leistung der Portfolioverwaltung EuGH vom 19. Juli 2012, C-44/11 , Deutsche Bank AG, Rn 42, 43).

Läge im gegenständlichen Fall eine einheitliche Leistung vor, bei welcher der Verpflegungsleistung eine der Beförderung gleichwertige Bedeutung zukäme, wäre sohin für die gesamte Leistung die Anwendbarkeit der speziell für Beförderungsleistungen geltenden Regelungen ausgeschlossen. Von einer Einheit aus mehreren Hauptleistungen geht aber auch das beschwerdeführende Finanzamt nicht aus. Die belangte Behörde hat eine einheitliche Leistung angenommen, bei welcher der Verpflegung bloß untergeordnete Bedeutung (Nebenleistung zur Beförderungsleistung) zukomme. Diese Beurteilung steht in Streit.

Haupt- und Nebenleistung können so eng miteinander verbunden sein, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Eine Leistung ist insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH vom 27. September 2012, C-392/11 , Field Fisher Waterhouse LLP, Rn 16, 17). Eine unselbständige Nebenleistung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommt. Das ist zu bejahen, wenn die Leistung die Hauptleistung ermöglicht, abrundet oder ergänzt (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2008, 2006/15/0161, Slg. 8312/F).

Das Finanzamt bringt in der Beschwerde vor, die von der Mitbeteiligten jeweils zu einem Pauschalpreis veranstalteten mehrtägigen grenzüberschreitenden Schiffsreisen (Kreuzfahrten) umfassten die Beförderungsleistung sowie die Nächtigung in den gebuchten Kabinenkategorien, die Vollpension sowie die Teilnahme an bestimmten Landausflügen. Das Finanzamt habe im Zuge einer Betriebsprüfung die im Pauschalpreis enthaltene Vollpension (Verpflegung auf dem Kreuzfahrtschiff auf der gesamten Strecke in unterschiedlichen Mitgliedstaaten) als eigenständige Leistung angesehen, deren Leistungsort nach § 3a Abs. 12 UStG 1994 in der bis Ende 2009 geltenden Fassung der Sitz des mitbeteiligten Unternehmens in Österreich sei. Es habe im Schätzungswege ermittelt, dass ein Zehntel des Pauschalentgeltes auf die Verpflegungsleistung entfalle, und dieses Entgelt als steuerpflichtig behandelt. Zu Unrecht habe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Vollpension als unselbständige Nebenleistung zur Beförderung angesehen (und daher als steuerfrei behandelt). Nach Ansicht des Finanzamtes stelle die Verpflegung eine selbständige Hauptleistung dar. Ein Galadinner im Panoramarestaurant eines Kreuzfahrtschiffes könne nicht mit der Verpflegung an Bord eines Flugzeugs verglichen werden. Die Verpflegung am Kreuzfahrtschiff habe für den Kunden einen eigenständigen Wert. In einem Prospekt aus dem Jahr 2010 spreche die mitbeteiligte Partei von "Vollpension, bestehend aus 5 Mahlzeiten", von einem "Willkommensdinner" und einem "Kapitäns-Galadinner". Eine vom Finanzamt am 6. Dezember 2012 durchgeführte Abfrage auf der Website der Mitbeteiligten habe ergeben, dass diese mit "fein komponierten Menüs und regionalen Spezialitäten", die ein "ambitionierter Küchenchef" zubereite, sowie "ausgesuchten Weinen" werbe. Das Dinner sei "der krönende Abschluss eines jeden Reisetages". Daraus ergebe sich, dass die Verpflegung nicht nebensächlich, sondern eine eigenständige Hauptleistung sei. Es treffe auch nicht zu, dass die Passagiere keine anderen Verpflegungsmöglichkeiten hätten, könnten sie doch auch bei den Landausflügen Nahrung aufnehmen. Soweit die belangte Behörde auf deutsche Rechtsprechung verweise, übersehe sie, dass in Deutschland eine andere Rechtslage bestehe. In Deutschland sei nämlich die grenzüberschreitende Personenbeförderung nicht steuerbefreit, sondern steuerpflichtig. Deshalb führe es in Deutschland auch nicht zur Steuerbefreiung der Verpflegungsleistung, wenn diese als Nebenleistung zur Personenbeförderung eingestuft werde.

Die Mitbeteiligte führt in ihrer Gegenschrift aus, die Vollpensionsleistung am Kreuzfahrtschiff sei eine Nebenleistung zur Beförderung der Kreuzfahrtteilnehmer. Die Sicht des Finanzamtes würde demgegenüber Wettbewerbsverzerrungen mit sich bringen, weil das auf Verpflegung entfallende Entgelt mehrfach besteuert würde, einerseits zur Gänze in Österreich und andererseits, soweit auf die deutsche Strecke entfallend, in Deutschland.

Das Vorbringen des Finanzamtes zur Einheitlichkeit der Leistung zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Die belangte Behörde hat in sachverhaltsmäßiger Hinsicht festgestellt, dass die jeweils zumindest mehrere Tage dauernden Kreuzfahrten stets mit Nächtigungsmöglichkeit in einer Kabine sowie mit Vollpension angeboten worden sind, wobei Art und Umfang der Verpflegungsleistungen im Wesentlichen vorgegeben und im Pauschalpreis enthalten waren. Die Kunden konnten die Beförderungsleistung einerseits und die Vollpension (Verpflegungsleistung) andererseits nicht unabhängig voneinander nachfragen, sondern nur gemeinsam als Paket. Es entspricht auch durchaus der Verkehrsauffassung, dass Kreuzfahrtleistungen die Verpflegung an Bord zwingend einschließen, wobei die zeitliche Lagerung der Mahlzeiten mit dem Reiseprogramm abgestimmt ist. Kreuzfahrtschiffe verfügen stets auch über die erforderlichen Voraussetzungen zur Verpflegung der Reiseteilnehmer mit regelmäßigen Mahlzeiten (Küche, Restauranträume, etc.). Bei einer mehrtägigen Kreuzfahrt sind die Reiseteilnehmer auf die Verpflegung an Bord angewiesen; der Einwand des Finanzamtes, die Reiseteilnehmer könnten sich während der Landausflüge ernähren, wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Im Gegensatz zur herkömmlichen Pauschalreise ist bei einer mehrtägigen Kreuzfahrt - aus der Sicht der Durchschnittsverbraucher - die Vollpensionsverpflegung an Bord des Schiffes geradezu erforderlich, um die Schiffsreise konsumieren zu können. Dabei steht die Fahrt mit dem Schiff durch üblicherweise touristisch interessante Gebiete im Vordergrund. Die Verpflegung an Bord dient dazu, die Hauptleistung des Leistungserbringers, nämlich die Beförderung per Schiff, überhaupt längerfristig in Anspruch nehmen zu können. Angesichts dieser Sachlage trifft es bei Bedachtnahme auf die Gesamtumstände des gegenständlichen Falles auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass die Beförderung mit dem Schiff im Vordergrund gestanden ist, und die Nächtigungs- und Verpflegungsleistungen (Vollpension) im Rahmen einer einheitlichen Leistung als Nebenleistungen erbracht worden sind.

Soweit das Finanzamt in der Beschwerde mit der besonderen Exklusivität der Verpflegung argumentiert, entfernt es sich von den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde. Im Verwaltungsverfahren war stets nur von Vollpensionsverpflegung die Rede. Im Zuge der Betriebsprüfung wurde dieser Verpflegungsleistung im Schätzungswege lediglich ein Zehntel des pauschalen Reisepreises zugeordnet. Solcherart konnte die belangte Behörde unbedenklich davon ausgehen, dass die Verpflegung dem entsprach, was bei durchschnittlichen Kreuzfahrten üblich ist.

Ob bei Gourmetreisen mit erlesenen, von Haubenköchen zubereiteten Speisen und Weinen aus dem obersten Preissegment eine andere Betrachtung anzustellen ist, kann hier offen bleiben.

Zu Recht hat daher die belangte Behörde die mit dem Pauschalpreis mitabgegoltene Vollpensionsverpflegung in Form der Verabreichung der üblichen Mahlzeiten an Bord der Kreuzfahrtschiffe als Nebenleistung zur Beförderung per Schiff angesehen (vgl. ebenso Rattinger, in Melhardt/Tumpel, UStG, § 6 Anm. 66; Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Tz 67, unter Hinweis auf BFH vom 19. September 1996, BStBl 1997 II 164). Damit bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 7 UStG 1994 idF vor BGBl I Nr. 52/2009. Das pauschale Reiseentgelt ist damit lediglich insoweit in Österreich steuerbar, als es dem inländischen Teil der Beförderungsleistung zuzuordnen ist.

Mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2010 wurde in Umsetzung der Richtlinie 2008/8/EG die Bestimmung des Art. 3a Abs. 3 idF BGBl I Nr. 52/2009 eingeführt, die u.a. eine Regelung für den Leistungsort von Restaurant- und Verpflegungsleistungen an Bord eines Schiffes enthält. Ob dadurch ab dem Jahr 2010 eine dem gegenständlichen (die Jahre 2006 bis 2009 betreffenden) Fall entsprechende Gestaltung zu einer anderen Beurteilung des Leistungsortes der Verpflegungsleistung führt, braucht hier nicht beurteilt zu werden.

3. Steuerbefreiung (Verpflegung):

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 sind umsatzsteuerbefreit "die Beförderungen von Personen mit Schiffen und Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr, ausgenommen die Personenbeförderung auf dem Bodensee".

Die Befreiung erfasst die Beförderung von Personen, wobei es auf den Zweck der Beförderung nicht ankommt (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Tz 63). Ruppe/Achatz, aaO, erachten diese Befreiung als "unsystematisch, weil sie einen letztlich steuerfreien Konsum ermöglichen" kann. Das Unionsrecht kenne keine Befreiung der grenzüberschreitenden Personenbeförderung, erlaube aber für eine Übergangszeit eine Beibehaltung bereits bestehender Befreiungen.

Gemäß Art. 151 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (Beitrittsakte, BGBl Nr. 45/1995), gelten die im Anhang XV angeführten Rechtsakte der Gemeinschaft für die neuen Mitgliedstaaten unter den im Anhang festgelegten Bedingungen. In diesem Anhang lautet Kapitel IX (Steuern) Z 2 (betreffend Sechste Richtlinie 77/388/EWG) Buchstabe i:

"Bei der Anwendung von Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b kann Österreich folgendes von der Mehrwertsteuer befreien:

"(3) Während der in Absatz 4 genannten Übergangszeit können die Mitgliedstaaten

a) die in Anhang E aufgeführten nach Artikel 13 oder 15 befreiten Umsätze weiterhin besteuern;

b) die in Anhang F aufgeführten Umsätze unter den in den Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen weiterhin befreien;

c) …

(4) Die Übergangszeit wird zunächst auf fünf Jahre, beginnend mit dem 1. Januar 1978, festgelegt. Spätestens sechs Monate vor Ende dieses Zeitraums - und später je nach Bedarf - überprüft der Rat an Hand eines Berichts der Kommission die Lage, die sich durch die in Absatz 3 aufgeführten Abweichungen ergeben hat, um auf Vorschlag der Kommission einstimmig über die vollständige oder teilweise Abschaffung dieser Abweichungen zu entscheiden."

Anhang F Z 17 lautet:

"Beförderungen von Personen

Die Beförderung von Begleitgütern der Reisenden, wie Gepäck und Kraftfahrzeuge, oder die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Beförderung der Personen sind von der Steuer zu befreien, soweit die Beförderungen dieser Personen steuerfrei sind."

Art. 378 der mit 1. Jänner 2007 in Kraft getretenen MwStSystRL 2006/112/EG lautet:

"(1) Österreich darf die in Anhang X Teil A Nummer 2 genannten Umsätze weiterhin besteuern.

(2) Solange die betreffenden Umsätze in einem Staat von der Steuer befreit werden, der am 31. Dezember 1994 Mitglied der Gemeinschaft war, darf Österreich die folgenden Umsätze weiterhin zu den in diesem Mitgliedstaat zum Zeitpunkt seines Beitritts geltenden Bedingungen von der Steuer befreien:

  1. a) die in Anhang X Teil B Nummern 5 und 9 genannten Umsätze;
  2. b) mit Recht auf Vorsteuerabzug, sämtliche Teile der grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luft-, See- und Binnenwasserstraßenverkehr mit Ausnahme der Personenbeförderung auf dem Bodensee."

    Diese Ermächtigung (nach der Beitrittsakte) hat Österreich ausgeschöpft, als es die bis zum EU-Beitritt nach § 6 Z 5 UStG 1972 gewährte Steuerfreiheit insoweit beibehalten hat und mit § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 die Beförderungen von Personen mit Schiffen und Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr, ausgenommen die Personenbeförderung auf dem Bodensee, steuerfrei stellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2006, 2002/15/0069, Slg. 8104/F).

    Zur Frage der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 bringt das Finanzamt in der Beschwerde vor, die Mehrwertsteuer-Richtlinien der EU sähen für die grenzüberschreitende Personenbeförderung keine Steuerbefreiung vor. Österreich habe allerdings im Beitrittsvertrag (in Anhang XV, IX.2.i) in Form einer Ausnahmegenehmigung das Recht eingeräumt bekommen, die bis 1994 bestehende Steuerbefreiung für die grenzüberschreitende Personenbeförderung mit Schiffen und Luftfahrzeugen beizubehalten, und zwar "in der Form, in der diese Steuerbefreiung bis zum Beitritt gegolten hat". Die Steuerbefreiung sei in Österreich aber für Verpflegungsleistungen an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeuges bei grenzüberschreitender Personenbeförderung auch schon vor dem Beitritt Österreichs zur EU nicht gewährt worden (Hinweis auf Kranich/Siegl/Waba, UStG 1972, § 6 Z 5 Anm. 40 und 47) und sei daher bei den Beitrittsverhandlungen von Österreich auch gar nicht beantragt worden. Eine weitere Ausnahme als von Österreich begehrt, habe die EU, die bei Ausnahmegenehmigungen ohnedies sehr zurückhaltend sei, im Rahmen der Beitrittsverhandlungen auch nicht gewährt.

    Die Mitbeteiligte bestreitet in ihrer Gegenschrift, dass Österreich im Zeitpunkt des Beitrittes zur EU die Steuerbefreiung für grenzüberschreitende Personenbeförderungen mit Schiffen (§ 6 Z 5 UStG 1972) nicht auch auf die dabei verabreichte Verpflegung angewendet habe. Sie führt u.a. aus: "Die faktische Steuerfreiheit ergibt sich aus der Anerkennung in sämtlichen Betriebsprüfungen sowohl (der Mitbeteiligten) wie auch der Mitbewerber."

    Wie sich dies für Zeiträume ab 1. Jänner 2007 auch aus Art. 378 Abs. 2 MwStSystRL 2006/112/EG ergibt, darf Österreich sämtliche Teile der grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Luft-, See- und Binnenwasserstraßenverkehr (mit Ausnahme der Personenbeförderung auf dem Bodensee) zu den in diesem Mitgliedstaat zum Zeitpunkt seines Beitritts geltenden Bedingungen weiterhin befreien (und zwar mit dem Recht auf Vorsteuerabzug).

    Gleiches ergibt sich für den Zeitraum 2005 und 2006 unmittelbar aus der Regelung des Art. 151 der Beitrittsakte iVm deren Anhang XV, Kapitel IX Z 2 Buchstabe i, die auf Art. 28 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten RL verweist, wo sich wiederum die Anordnung findet, dass bestimmte Umsätze unter den in den Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen weiterhin befreit werden dürfen.

    Zum Recht der Mitgliedstaaten auf Beibehaltung der Steuerbefreiung für Personenbeförderungen gemäß der Regelung des Art. 28 Abs. 3 Buchstabe b der Sechsten RL hat der EuGH im Urteil vom 13. Juli 2000, C-36/99 , Ideal tourisme SA, ausgesprochen:

"(32) Die Mitgliedstaaten sind nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut von Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang F befugt, bestimmte vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie in ihren Rechtsvorschriften vorgesehene Steuerbefreiungen weiterhin unter denselben Bedingungen anzuwenden. Daher ist den Mitgliedstaaten nach diesem Artikel zwar die Einführung neuer oder die Ausweitung bestehender Befreiungstatbestände nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie nicht gestattet, doch steht die Vorschrift einer Einschränkung dieser Tatbestände nicht entgegen, zumal deren Abschaffung Ziel des Artikels 28 Absatz 4 der Sechsten Richtlinie ist (vgl. Urteil vom 29. April 1999 in der Rechtssache C-136/97 , Norbury Developments, Slg. 1999, I-2491, Rn. 19)."

Der EuGH hat im Urteil vom 6. Juli 2006, C-251/05 , Talacre Beach Caravan Sales Ltd., ausgesprochen, es sei unionsrechtlich zulässig, dass der Gesetzgeber einen aus mehreren Komponenten bestehenden einheitlichen Umsatz zum Teil dem einen, zum Teil einem anderen Steuersatz unterwirft (vgl. auch BFH vom 24. April 2013, XI R 3/11; Beiser, DStZ 2010, 568, Punkt II; ebenso Berger/Wakounig, in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2, § 10 Rz 32). Dieses Urteil des EuGH betrifft ein dem hier gegenständlichen Fall vergleichbares Problem aus den Übergangsvorschriften des Art. 28 der Sechsten RL, und zwar ein den Mitgliedstaaten in Art. 28 Abs. 2 Buchstabe a der Sechsten RL eingeräumtes Recht, für bestimmte Leistungen den "Nullsteuersatz" (vgl. Rn 7) beizubehalten. Für den Fall, dass mit einer im betreffenden Mitgliedstaat zulässigerweise zum "Nullsteuersatz" erfassten Hauptleistung eine Nebenleistung verbunden wird, hindert dies nach Ansicht des EuGH die Besteuerung der Nebenleistung zum Normalsteuersatz nicht (Rn 24 bis 27). Da die diesem Urteil des EuGH zugrunde liegende nationale Regelung betreffend einen "Nullsteuersatz" auf bestimmte Leistungen einer echten Steuerbefreiung im Sinne der Terminologie des österreichischen Umsatzsteuerrechts gleichkommt, folgt daraus, dass es das Unionsrecht auch unter den hier gegebenen Voraussetzungen nicht verbietet, einen aus mehreren Komponenten bestehenden einheitlichen Umsatz in einen steuerpflichtigen und einen echt befreiten Umsatz aufzuteilen (vgl. zur Aufteilung einer einheitlichen Leistung in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil auch Husmann, in Rau/Dürrwächer, Kommentar zum UStG, 127. Lfg, § 1 Anm. 138).

Bei Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere der Vorschriften eines speziell zur Durchführung einer nationalen Richtlinie erlassenen Gesetzes, haben die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden die Auslegung im Lichte der Richtlinie vorzunehmen (Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung; vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2008, 2006/15/0161, Slg 8312/F).

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus den oben dargestellten unionsrechtlichen Rechtsquellen unzweifelhaft, dass Österreich die Befreiung für grenzüberschreitende Personenbeförderung nur zu den in Österreich zum Zeitpunkt seines Beitritts geltenden Bedingungen weiterhin beibehalten darf. Es liegt kein Hinweis darauf vor, dass der Gesetzgeber mit dem UStG 1994 von diesen unionsrechtlichen Vorgaben abweichen wollte. Der Gesetzgeber wollte vielmehr mit dem UStG 1994 eine Regelung schaffen, die sich innerhalb dieses unionrechtlichen Rahmens bewegt. Die unionsrechtskonforme Interpretation führt somit genauso wie die Bedachtnahme auf den Willen des Gesetzgebers zu dem Ergebnis, dass der Befreiung nach § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 kein weiterer Umfang zukommen soll, als er zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur EU bestanden hat (vgl. im Ergebnis ebenso bereits das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2006, Slg 8104/F).

Zur Frage, ob (beim Beitritt Österreichs zur EU) die Steuerbefreiung für grenzüberschreitende Personenbeförderung mit Schiffen nach § 6 Z 5 UStG 1972 auch die auf Kreuzfahrtschiffen üblicherweise erbrachte Verpflegungsleistung mitumfasst hat, besteht keine Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Weil die verba legalia des UStG 1972 (auch unter Bedachtnahme auf weitere Interpretationsmethoden) keine eindeutige Antwort auf diese hier anstehende Frage der Steuerbefreiung für Verköstigungsleistung im Rahmen einer grenzüberschreitenden Kreuzfahrt bieten, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im gegebenen Zusammenhang darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt des Beitritts eine einheitliche, vom Bundesministerium für Finanzen gedeckte Verwaltungspraxis zu dieser Frage bestanden hat. Nur wenn die Feststellung getroffen werden kann, dass eine derartige Verwaltungspraxis bestanden und diese zum Inhalt gehabt hat, dass die im Rahmen der Beförderung auf Kreuzfahrtschiffen erbrachte Verpflegungsleistung nicht als (aufgrund der Steuerbefreiung für grenzüberschreitende Personenbeförderungen nach § 6 Z 5 UStG 1972) echt steuerbefreit behandelt wurde, ist § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 die Bedeutung beizumessen, dass aus der einheitlichen grenzüberschreitenden Personenbeförderung mit Kreuzfahrtschiffen eine Teilleistung, nämlich die übliche Verpflegung der Kreuzfahrtteilnehmer, nicht der Steuerbefreiung nach dieser Bestimmung teilhaftig werden kann. Auch in einem solchen Fall bestimmte sich aber der Leistungsort der Verpflegungsleistung (als Nebenleistung der Beförderung auf dem Kreuzfahrtschiff) nach § 3a Abs. 7 UStG 1994 idF vor der Novellierung durch BGBl I Nr. 52/2009, sodass die von der Mitbeteiligten gerügte Wettbewerbsverzerrung aufgrund doppelter umsatzsteuerlicher Erfassung (in Österreich und in einem anderen Mitgliedstaat) jedenfalls unterbleibt.

Im Beschwerdefall fehlen somit noch Sachverhaltsfeststellungen darüber, ob sich ein Nachweis für die in Rede stehende Verwaltungspraxis (und damit ein der Beitrittsakte entsprechend beizulegendes Verständnis) erbringen lässt. Im Zweifel, falls also eine einheitliche, vom Bundesministerium für Finanzen gedeckte Verwaltungspraxis nicht bestanden hat oder nicht mehr festgestellt werden kann, wird § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG 1994 dahingehend zu verstehen sein, dass die Befreiung für die Personenbeförderung auf grenzüberschreitend verkehrenden Kreuzfahrtschiffen auch die mit einem einheitlichen Pauschalpreis abgegoltene Nebenleistung der Verpflegung (Vollpension) auf dem Kreuzfahrtschiff umfasst.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 27. Februar 2014

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