VwGH 2012/13/0021

VwGH2012/13/002124.9.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Dr. Fuchs sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 21. Dezember 2011, Zl. RV/1060-W/09, miterledigt RV/1225- W/10, betreffend Körperschaftsteuer 2007 und 2008 (mitbeteiligte Partei: A Privatstiftung in W, vertreten durch die TPA Horwath Wirtschaftstreuhand und Steuerberatung GmbH in 1020 Wien, Praterstraße 62-64), zu Recht erkannt:

Normen

EStG §27;
EStG 1988 §30 Abs1 idF 2001/I/002;
EStG 1988 §30 Abs1 Z1 lita idF 2001/I/002;
EStG §30;
EStG §31;
EStG 1988 §32 Abs2 idF 2012/I/112;
EStG §6;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2012130021.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid sei die mitbeteiligte Stiftung (eine eigennützige Stiftung im Sinne des Privatstiftungsgesetzes) für die Jahre 2007 und 2008 zunächst erklärungsgemäß zur Körperschaftsteuer veranlagt worden. Sie habe mit Beteiligungskaufvertrag vom 18. April 2007 einen 25%igen Kommanditanteil an der H. Vermögensverwaltung GmbH & Co K(E)G (im Folgenden nur: KG) veräußert. Die Beteiligung sei durch eine unentgeltliche Zuwendung des Stifters im Dezember 2005 erworben worden, der diese seinerseits im selben Jahr angeschafft habe. Bei der KG habe es sich um eine rein vermögensverwaltende KG gehandelt, deren Unternehmensgegenstand die Errichtung und langfristige Vermietung eines Bürogebäudes gewesen sei. Die Mitbeteiligte habe im Hinblick auf die in den "EStR 2000 Rz 6022" dargestellte Verwaltungsauffassung in der Körperschaftsteuererklärung 2007 ein Spekulationsgeschäft (Einkünfte in Höhe von rund 500.000 EUR) deklariert. Aus demselben Rechtsgeschäft seien im Jahr 2008 Einkünfte in Höhe von rund 78.000 EUR als nachträglicher Veräußerungserlös in die Körperschaftsteuererklärung aufgenommen worden. Die nach erklärungsgemäßer Veranlagung ergangenen Bescheide seien in der Folge mit Berufung bekämpft worden, weil die in den Einkommensteuerrichtlinien vertretene Rechtsauffassung strittig und nach Ansicht der Mitbeteiligten gesetzlich nicht gedeckt sei.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides hielt die belangte Behörde fest, bei der Mitbeteiligten handle es sich um eine privatrechtliche Stiftung, die mit Stiftungsurkunde vom 23. Dezember 2005 zum Zweck der wirtschaftlichen Unterstützung und Förderung des Stifters und dessen Angehörigen errichtet worden sei. Der Stifter habe mit Kaufvertrag vom 22. April 2005 einen 25%igen Kommanditanteil an der KG erworben, die als vermögensverwaltende Gesellschaft außerbetriebliche Einkünfte erzielt habe. Diesen Anteil habe er mit Widmungserklärung vom 23. Dezember 2005 der Mitbeteiligten "als Erststifter" gestiftet. Mit Beteiligungskaufvertrag vom 18. April 2007 habe die Mitbeteiligte ihren gesamten Kommanditanteil veräußert (zu 24,9% an die S. Fonds GmbH & Co KG sowie zu 0,1% an die S. Fonds Verwaltung GmbH).

Strittig sei, ob die Veräußerung des Gesellschaftsanteiles unter Beachtung des Spekulationstatbestandes des § 30 EStG 1988 zu steuerpflichtigen sonstigen Einkünften führe. Das Finanzamt sei der Ansicht, dass die Veräußerung des Kommanditanteiles einer grundstücksverwaltenden Personengesellschaft im Hinblick auf die direkte (quotenmäßige) Zurechnung der Wirtschaftsgüter an die Gesellschafter eine (anteilige) Grundstücksveräußerung darstelle, auf die die zehn- bzw. fünfzehnjährige Spekulationsfrist für Grundstücke anzuwenden sei. Veräußert werde demnach nach Meinung des Finanzamtes nicht ein Gesellschaftsanteil, sondern ein Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen (Miteigentum). Das Finanzamt berufe sich dabei auf die Einkommensteuerrichtlinien (Rz. 6022) sowie auf die Bestimmung des § 24 Abs. 1 lit. e BAO, nach der Wirtschaftsgüter, die mehreren Personen ungeteilt gehörten, diesen so zuzurechnen seien, als wären sie nach Bruchteilen berechtigt.

Abgesehen davon, dass den Ausführungen des Finanzamtes inhaltlich auch entgegenzuhalten sei, dass das Vermögen von Kommanditgesellschaften nicht im Miteigentum, sondern im Gesamthandeigentum der Gesellschafter stehe, verweise die Mitbeteiligte zu Recht darauf, dass der deutsche Bundesfinanzhof (BFH) bereits mit den Urteilen "vom 4.10.1990 (X R 148/88) bestätigt durch BFH 10.7.1996 (X R 103/95)" Aussagen zum (vergleichbaren deutschen) Spekulationstatbestand getroffen habe und diese Urteile im Sinne der Ausführungen der Mitbeteiligten ergangen seien. Im erstgenannten BFH-Urteil habe der Rechtsmittelwerber einen Kommanditanteil an einer Grundstücks KG unter treuhändiger Zwischenschaltung einer GmbH erworben. Er habe die Beteiligung im Privatvermögen gehalten und innerhalb der Spekulationsfrist für Grundstücke von zwei Jahren (gemäß § 23 (1) Nr. 1 Buchst. a dEStG) veräußert. Der BFH habe dabei die Ansicht des Finanzamtes verworfen, wonach die Veräußerung der Beteiligung als Veräußerung eines Anteiles an einem Grundstück anzusehen sei. Die belangte Behörde teile die vom BFH vertretene Auffassung. Damit stelle die vorliegende Veräußerung des Kommanditanteiles eine Veräußerung eines anderen Wirtschaftsgutes im Sinne des § 30 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 dar, dessen Spekulationsfrist ein Jahr betrage. Nachdem der Kommanditanteil von der Mitbeteiligten unentgeltlich mittels Zustiftung zugewendet (erworben) worden sei, sei unter Bedachtnahme auf § 30 Abs. 1 letzter Satz EStG 1988 auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Da der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung der Kommanditbeteiligung ein Jahr überstiegen habe, sei kein Spekulationsgeschäft im Sinne des § 30 EStG 1988 gegeben.

In der vorliegenden Amtsbeschwerde bekämpft das Finanzamt die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach auf die Veräußerung eines Anteiles an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft die "einjährige Spekulationsfrist des § 30 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 und nicht (hinsichtlich der Grundstücksquote) die zehn- bzw. fünfzehnjährige Spekulationsfrist des § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988" zur Anwendung komme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie der Beibringung eines Schriftsatzes seitens der mitbeteiligten Partei erwogen:

Nach § 30 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 2/2001) sind Spekulationsgeschäfte Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:

a) Bei Grundstücken und anderen Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, nicht mehr als zehn Jahre. Für Grundstücke, bei denen innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Anschaffung Herstellungsaufwendungen in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs. 3 abgesetzt wurden, verlängert sich die Frist auf 15 Jahre.

b) Bei anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren im Sinne des § 1 Abs. 1 des Depotgesetzes, bei sonstigen Beteiligungen und Forderungen, nicht mehr als ein Jahr.

Wurde das Wirtschaftsgut oder die rechtliche Stellung aus einem Geschäft im Sinne der Z 2 unentgeltlich erworben, so ist auf den Anschaffungszeitpunkt oder den Eröffnungszeitpunkt des Geschäftes beim Rechtsvorgänger abzustellen (§ 30 Abs. 1 letzter Satz leg. cit.).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelten Beteiligungen an betrieblich tätigen Mitunternehmerschaften (Personengesellschaften) ertragsteuerrechtlich nicht als eigene Wirtschaftsgüter, sondern als aliquote Beteiligung an jedem aktiven und passiven Wirtschaftsgut des Beteiligungsunternehmens (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 2010, 2007/15/0048, VwSlg 8569/F, mit Hinweis auf Bertl/Fraberger, RWZ 2001/56, 184). Zuletzt hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. Februar 2014, 2011/15/0082, vgl. RdW 2014/247, 235, unter Hinweis auf Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 6 Tz 156.3 ff, ausgeführt, erziele eine Gesellschaft bzw. eine Miteigentümergemeinschaft als solche keine betrieblichen Einkünfte, stelle die Beteiligung notwendiges Betriebsvermögen der Gesellschafter dar und "sind bei den Gesellschaftern die Anteile an den in der Gesellschaft befindlichen Wirtschaftsgütern anzusetzen" (Gegenstand des Beteiligungsansatzes sei unmittelbar der Anteil an den Wirtschaftsgütern). Entsprechend diesem bei der ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Personengesellschaften allgemein (auch wenn diese gesellschaftsrechtlich dem Konzept der so genannten "Gesamthand" folgen) nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geltenden Durchgriffsprinzip ist der belangten Behörde nicht darin zu folgen, wenn sie die Beteiligung (Kommanditanteil) an der vermögensverwaltenden KG selbst als eigenständiges Wirtschaftsgut gewertet und deshalb das Vorliegen von Einkünften aus Spekulationsgeschäften nach § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 (in der oben zitierten Fassung) verneint hat (vgl. in diesem Sinne auch Bergmann, GES 2012/3, S. 154 ff, sowie schon Quantschnigg/Schuch, aaO, § 30 Tz 20). Dass der Gesetzgeber mit dem AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, im § 32 Abs. 2 EStG 1988 nach den Gesetzesmaterialien "klarstellend" mit Wirksamkeit ab 2013 (vgl. § 124b Z 235 EStG 1988) die Bestimmung aufgenommen hat, wonach die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft eine Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter darstelle (daher im Falle einer solchen Anteilsveräußerung - abhängig von der Art der der Personengesellschaft zuzuordnenden Wirtschaftsgüter - Einkünfte gemäß den §§ 27, 30 oder 31 EStG 1988 vorlägen; vgl. die Regierungsvorlage 1960 BlgNR 24. GP 30, sowie in diesem Zusammenhang Doralt/Ruppe, Steuerrecht I11 Tz 120, und Baumann/Raab, ÖStZ 2012/1079, 589), ändert weiters (entgegen dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei in dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigebrachten Schriftsatz) nichts daran, dass sich diese Beurteilung bereits bisher aus den oben aufgezeigten ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen (und der dazu entwickelten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) ergab.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 24. September 2014

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte