Normen
ÄrzteG 1998 §100 Abs1;
ÄrzteG 1998 §100 Abs2;
ÄrzteG 1998 §100;
ÄrzteG 1998 §18 Abs1;
AVG §37;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §18 Abs1;
ÄrzteG 1998 §100 Abs1;
ÄrzteG 1998 §100 Abs2;
ÄrzteG 1998 §100;
ÄrzteG 1998 §18 Abs1;
AVG §37;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §18 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer, ein Arzt für Allgemeinmedizin, mit Schreiben vom 29. Dezember 2010 einen Antrag auf Invaliditätsversorgung stellte. Dem Antrag waren Bestätigungen über die Ordinationsschließung und Rücklegung der Krankenkassenverträge beigelegt. Mit Schreiben vom 17. Februar 2011 ergänzte er seinen Antrag um eine Beschreibung seiner Krankengeschichte und eine Bestätigung eines Psychotherapeuten, in der dem Beschwerdeführer "die Pensionierung dringend" empfohlen wird, "um noch intensiveren Belastungsreaktionen und Erschöpfungssymptomen vorzubeugen".
Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 19. April 2011 wurde der Antrag auf Invaliditätsversorgung wegen dauernder Berufsunfähigkeit abgewiesen (Spruchpunkt 1.) und für den Zeitraum von 1. Jänner 2011 bis 31. März 2011 eine Invaliditätsversorgung wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit zuerkannt (Spruchpunkt 2.). Begründend wurde ausgeführt, aus der Bestätigung des Psychotherapeuten und dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 17. Februar 2011 ergebe sich die derzeitige Berufsunfähigkeit, jedoch könne nicht abschließend beurteilt werden, ob diese von Dauer sei. Der Beschwerdeführer habe am 14. März 2011 das 60. Lebensjahr vollendet und somit Anspruch auf Altersversorgung.
Mit seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung legte der Beschwerdeführer eine fachärztliche Stellungnahme des Psychiaters Dr. P vom 16. Februar 2011 vor, aus der sich ergibt, dass der Beschwerdeführer seit November 2010 wegen eines "präsuizidalen Syndroms mit einer beginnenden Einengung auf Basis einer langjährigen unbehandelten Depression bei hochgradigem Verdacht auf eine Bipolar II Erkrankung" in psychiatrischer Behandlung war. Eine weitere berufliche Tätigkeit als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin sei aus psychiatrischer Sicht nicht mehr möglich, weshalb Dr. P ihm "einen Pensionsantrag nahelege". Mit Schreiben vom 11. August 2011 legte der Beschwerdeführer eine weitere fachärztliche Stellungnahme des Psychiaters Dr. P vom 27. Juli 2011 vor, in der die Arbeitsfähigkeit weiterhin verneint wird.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde im ersten Spruchpunkt der erstinstanzliche Bescheid in seinem Spruchpunkt 2. (Zuerkennung der Invaliditätsversorgung wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit) bestätigt, im zweiten Spruchpunkt jedoch der Berufung gegen die in Spruchpunkt 1. ausgesprochene Abweisung des Antrags auf Invaliditätsversorgung wegen dauernder Berufsunfähigkeit "statt gegeben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 ... AVG zur Berechnung der Altersversorgung und Erlassung eines Bescheides an den Verwaltungsausschuss zurückverwiesen".
Nach Darstellung des Verfahrensgangs und auszugsweiser Wiedergabe der Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde begründend Folgendes aus:
"Aufgrund der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Verwaltungsausschusses vorliegenden Unterlagen ergibt sich keine dauernde Berufsunfähigkeit. Da nicht absehbar war, ob eine dauernde Berufsunfähigkeit vorliegt, erfolgte die Gewährung einer Invaliditätsversorgung wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit zu Recht.
Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer mit 14.3.2011 das 60. Lebensjahr vollendet hat. Er hat demnach Anspruch auf Altersversorgung. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen,
insbesondere der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. ... P... ist
davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Zukunft keine ärztliche Tätigkeit aufnehmen wird. Nach § 18 Abs. 5 der Satzung ist dem Beschwerdeführer sohin die Altersversorgung zu gewähren. Der Verwaltungsausschuss wird daher die Altersversorgung des Beschwerdeführers zu berechnen haben."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Da die vorliegende Beschwerde mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof bereits anhängig war, sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG darauf die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
1.2. Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Ärztegesetzes 1998 lautet:
"§ 100. (1) Invaliditätsversorgung ist zu gewähren, wenn der Kammerangehörige infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen zur Ausübung des ärztlichen oder zahnärztlichen Berufes dauernd oder vorübergehend unfähig ist. Die Satzung kann festlegen, ab welchem Zeitraum der Berufsunfähigkeit eine vorübergehende Invaliditätsversorgung zu gewähren ist. Der Verwaltungsausschuß ist berechtigt, zur Feststellung der Voraussetzungen eine vertrauensärztliche Untersuchung anzuordnen.
(2) Vorübergehende Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn diese nach begründeter medizinischer Voraussicht in absehbarer Zeit zu beheben ist. Der Leistungsfall der vorübergehenden Berufsunfähigkeit liegt jedenfalls nicht vor, wenn diese weniger als drei Monate andauert.
(3) Der Leistungsfall der vorübergehenden Berufsunfähigkeit liegt jedenfalls nicht vor, wenn diese weniger als drei Monate andauert. Die näheren Voraussetzungen für den Bezug der Invaliditätsversorgung sind in der Satzung zu regeln."
1.3. Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, Stand 14. Dezember 2010, lautet:
"Invaliditätsversorgung
§ 18
(1) Die Invaliditätsversorgung ist bei Eintritt des Ereignisfalles der dauernden Berufsunfähigkeit zu gewähren, sofern das Fondsmitglied bei Eintritt des Ereignisfalles das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Invaliditätsversorgung ist bei Eintritt des Ereignisfalles der vorübergehenden Berufsunfähigkeit zu gewähren.
(2) Die Invaliditätsversorgung wegen dauernder Berufsunfähigkeit besteht aus der:
- a) Grundleistung,
- b) Ergänzungsleistung,
- c) Zusatzleistung.
(3) Die Invaliditätsversorgung wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit besteht aus der:
- a) Grundleistung,
- b) Ergänzungsleistung.
(4) Die dauernde oder vorübergehende Berufsunfähigkeit ist auf Grund der vom Fondsmitglied beizubringenden fachärztlichen Befunde und falls erforderlich auf Grund einer von einem Vertrauensarzt vorgenommenen Untersuchung des in Betracht kommenden Fondsmitgliedes festzustellen. Die Invaliditätsversorgung wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit kann nur gewährt werden, wenn der Antrag hierzu während der Berufsunfähigkeit eingebracht wird. Der Leistungsfall der vorübergehenden Berufsunfähigkeit liegt jedenfalls nicht vor, wenn diese weniger als drei Monate andauert.
(5) Dauert eine an sich ärztlich festgestellte vorübergehende Berufsunfähigkeit länger als der Zeitraum, für den nach dieser Satzung Krankenunterstützung zu gewähren ist, so kann je nach Art des Falles entweder die Altersversorgung oder die Invaliditätsversorgung gewährt werden.
(6) Bei Zuerkennung der Invaliditätsversorgung wegen dauernder Berufsunfähigkeit kann der Verwaltungsausschuß bestimmen, daß das weitere Vorliegen der dauernden Berufsunfähigkeit durch eine vertrauensärztliche Untersuchung überprüft wird."
2. Die Beschwerde ist begründet.
2.1. Nach § 100 Abs. 2 des Ärztegesetzes 1998 liegt vorübergehende Berufsunfähigkeit vor, wenn diese nach begründeter medizinischer Voraussicht in absehbarer Zeit zu beheben ist.
Die Beurteilung der Berufsunfähigkeit setzt somit in der Regel (wenn nicht Offenkundigkeit vorliegt) auf ärztlichen Sachverständigengutachten beruhende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde über die körperlichen und geistigen Gebrechen des Beschwerdeführers und die davon ausgehenden Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Ausübung des ärztliche Berufes voraus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0226, und vom 24. Mai 2011, Zl. 2009/11/0233).
2.2. Derartige Feststellungen finden sich weder im erstinstanzlichen noch im angefochtenen Bescheid. Entgegen den Ausführungen in letzterem ergaben sich daher für den Verwaltungsausschuss im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung keine Anhaltspunkte für eine Beurteilung der Berufsunfähigkeit als vorübergehend. Ohne Verfahrensergänzung durch ein fachärztliches Gutachten dazu, ob und seit wann der Beschwerdeführer dauernd oder vorübergehend berufsunfähig war, erwies sich daher bereits die im ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides betreffend die Zuerkennung der Invaliditätsversorgung wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit als verfehlt.
2.3.Von einer Verfahrensergänzung im oben erwähnten Sinn konnte auch nicht mit dem Argument der belangten Behörde abgesehen werden, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt ihrer Entscheidung bereits das 60. Lebensjahr vollendet hatte. Gemäß § 18 Abs. 1 der Satzung ist nämlich die Invaliditätsversorgung bei Eintritt des Ereignisfalles der dauernden Berufsunfähigkeit zu gewähren, sofern das Fondsmitglied bei Eintritt des Ereignisfalles das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Es kommt somit nicht auf den Entscheidungszeitpunkt der Behörde, sondern auf den "Eintritt des Ereignisfalles" an.
Schon aufgrund des Antragsdatums 29. Dezember 2010 wird jedoch davon auszugehen sein, dass der Ereignisfall jedenfalls vor dem 14. März 2011, dem 60. Geburtstag des Beschwerdeführers, lag. Überdies ergaben sich für die belangte Behörde aufgrund der Stellungnahmen des Psychiaters Dr. P Hinweise auf eine zumindest seit November 2010 bestehende dauernde Berufsunfähigkeit. Solange nicht anhand ärztlicher Gutachten festgestellt ist, ob im Fall des Beschwerdeführers vorübergehende oder dauernde Berufsunfähigkeit vorliegt, kann nicht beurteilt werden, ob ein Fall des § 18 Abs. 1 erster Satz oder des - von der belangten Behörde zugrunde gelegten - § 18 Abs. 5 der Satzung voliegt.
Auch der zweite Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides, mit dem dem Beschwerdeführer Altersversorgung zuerkannt wurde, erweist sich daher - weil in Verkennung der Rechtslage die notwendige Verfahrensergänzung unterblieb - als nicht nachvollziehbar begründet. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG.
3. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 20. November 2014
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