VwGH 2011/07/0225

VwGH2011/07/022520.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der S GmbH in S, vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. Juli 2011, Zl. KOW2- AW-0615, betreffend Kostenersatz nach § 73 Abs. 2 AWG 2002, zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002 §73 Abs1;
AWG 2002 §73 Abs2;
AWG 2002 §73 Abs3;
AWG 2002 §73 Abs4;
AWG 2002 §73;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §31 Abs1;
WRG 1959 §31 Abs3;
WRG 1959 §31;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Die A. GmbH hat am Standort F. in S u.a. auf im Eigentum der beschwerdeführenden Partei stehenden Liegenschaften eine Abfallbehandlungsanlage betrieben, für die mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 2003 eine Betriebsbewilligung erteilt worden war, die am 31. Mai 2005 erloschen ist. Im Rahmen dieser Betriebsstätte wurden von der A. GmbH Abfälle ohne Bewilligung im Freien gelagert. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 4. März 2005 und 13. Dezember 2005 wurden der A. GmbH Aufträge zur Entfernung der im Freien gelagerten Abfälle im Ausmaß von insgesamt 110.540 m3 erteilt. Diese Bescheide wurden auch der beschwerdeführenden Partei zugestellt.

Am 23. Mai 2006 brach auf dem Gelände der A. GmbH ein Großbrand aus, wovon u.a. die Grundstücke der beschwerdeführenden Partei sowie ein Teil der im Freien gelagerten Abfälle und der nördliche Teil der Halle für die Abfallaufbereitung auf einer Gesamtfläche von knapp 2 ha betroffen waren.

Da weder die A. GmbH noch die Grundeigentümer Maßnahmen zur Beseitigung der Brandabfälle getroffen hatten, wurde seitens der Abfallbehörde gemäß § 73 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 ein Unternehmen mit der Entsorgung und Verbrennung der Abfälle beauftragt, das diesen Auftrag erfüllt hat. Dieses Unternehmen legte für seine Tätigkeit mehrere Rechnungen, die von einem Amtssachverständigen überprüft wurden.

Mit Beschluss des Landesgerichtes K wurde über das Vermögen der A. GmbH am 8. Juni 2006 der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss desselben Gerichtes vom 12. November 2007 wurde der Konkurs aufgehoben. Am 7. Mai 2009 wurde die A. GmbH im Firmenbuch von Amts wegen gelöscht.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K (im Folgenden: BH) vom 21. März 2008 wurde die beschwerdeführende Partei als Eigentümerin der Grundstücke unter Hinweis auf die §§ 73 und 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002 verpflichtet, für die gemäß § 73 Abs. 2 AWG 2002 von der Behörde am 9. Juni 2006 angeordneten Sofortmaßnahmen insgesamt EUR 762.947,29 innerhalb von zwei Wochen zu bezahlen.

Die beschwerdeführende Partei erhob dagegen Berufung.

Nach Einholung eines (weiteren) Gutachtens des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz durch die belangte Behörde ergänzte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 5. Juli 2011 ihr Berufungsvorbringen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Juli 2011 wurde der Berufung gemäß § 66 AVG iVm §§ 73 und 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002 keine Folge gegeben.

Nach Darstellung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde aus, dass die beschwerdeführende Partei zu 37% der Stammeinlagen im Zeitraum vom 8. August 2002 bis 12. Oktober 2006 Mitgesellschafterin der am 22. Mai 2001 im Firmenbuch eingetragenen A. GmbH und der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei vom 22. Mai 2001 bis 5. April 2006 Prokurist dieser GmbH gewesen sei. Im Genehmigungsbescheid vom 7. Mai 2003 betreffend die mechanische Abfallaufbereitungsanlage der A. GmbH sei als Auflage Punkt 17. eine Lagerung und Manipulation mit Input- und Outputmaterialien im Freiflächenbereich um die Halle verboten worden. Der beschwerdeführenden Partei sei auf Grund der Zustellung dieses Bescheides bekannt gewesen, dass Lagerungen (von Abfällen) im Freibereich auf den von ihr an die A. GmbH verpachteten Flächen abfallrechtlich nicht genehmigt würden.

Die Abfallrechtsbehörde habe bei der Überprüfungsverhandlung am 17. Juni 2004 festgestellt, dass mit den Lagerflächen in der "ABS-Halle" bei weitem nicht das Auslangen habe gefunden werden können bzw. die Anliefermenge an für die Abfallaufbereitung vorgesehenen Abfällen bei weitem die Kapazität der Aufbereitungsanlage übersteige. Der beschwerdeführenden Partei in ihrer Funktion als Gesellschafterin der A. GmbH habe bewusst sein müssen, dass diese die abfallwirtschaftliche Tätigkeit nicht dem abfallrechtlich erteilten Konsens entsprechend werde ausüben können. Zur Feststellung der konsenslosen Lagerungen hätten eine Lage- und Höhenvermessung des Geländes um die Hallen und eine Massenermittlung der gelagerten Abfälle durchgeführt werden müssen. In weiterer Folge habe am 19. Juli 2004 eine Überprüfungsverhandlung stattgefunden, bei der habe festgestellt werden können, dass es erneut zu Abfalllagerungen gekommen sei. Daraufhin sei am 28. September 2004 gemäß § 62 AWG 2002 der notwendige Auftrag erteilt worden.

Am 28. Februar 2005 sei die Anlage erneut überprüft worden, und bei dieser Verhandlung sei auch ein Vertreter der beschwerdeführenden Partei anwesend gewesen sowie festgestellt worden, dass der Maßnahmenauftrag vom 28. September 2004 nicht erfüllt worden sei. Im Hinblick darauf sei mit Bescheid vom 4. März 2005 der Entfernungsauftrag erteilt worden.

Die von der beschwerdeführenden Partei im Verfahren vorgelegten Auszüge der Korrespondenz ihres Rechtsvertreters belegten einen Streit zwischen den Gesellschaftern der A. GmbH, bei dem die Ablagerungen jedoch nur ein Randthema gewesen seien. Zwischen den Gesellschaftern sei lediglich der Abschluss eines Pachtvertrages angestrebt worden, welcher eine Reduktion des Pachtzinses betreffend die Liegenschaften der beschwerdeführenden Partei für (von Abfall) geräumte Grundflächen unter Entlassung dieser Liegenschaftsteile aus dem Pachtverhältnis vorgesehen habe. Die Liegenschaftseigentümerin (beschwerdeführende Partei) habe im Zusammenhang mit der Unterfertigung eines Abtretungsvertrages von den Mitgesellschaftern nur gefordert, jene Flächen, welche von Lagerungen betroffen seien, zu asphaltieren oder für Lagerungen nur jene Flächen zu verwenden, welche befestigt seien. Trotz Kenntnis, dass Lagerungen im Freien abfallrechtlich verboten gewesen seien, sei sohin die Lagerung von Abfällen auf Teilen der Liegenschaft auch noch im April 2005 gestattet worden.

Die beschwerdeführende Partei habe weder in ihrer Funktion als Gesellschafterin der Anlagenbetreiberin noch als Grundstückseigentümerin Handlungen in die Wege geleitet, welche zum Ziel gehabt hätten, den Abfalllagerbetrieb einzustellen bzw. die Liegenschaften der beschwerdeführenden Partei von Abfällen zu räumen. Vielmehr seien von ihr - in Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieser Tätigkeit - die Ablagerungen auf den Grundstücken geduldet worden.

Im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens habe die technische Gewässeraufsicht am 2. Mai 2006 erhoben, dass ein Großteil der vom Entfernungsauftrag umfassten Abfallfraktionen zu diesem Zeitpunkt auf den verfahrensinkriminierten Grundstücken gelagert gewesen seien. Insbesondere auf den Grundstücken der beschwerdeführenden Partei seien die bei den Vermessungen am 1. Juli 2004 und 12. September 2005 festgestellten Ablagerungsmengen förmlich im gleichen Zustand vorhanden gewesen, woraus sich ergebe, dass die bei diesen Vermessungen vorgefundenen Abfälle nahezu unverändert bei Ausbruch des Großbrandes am 23. Mai 2006 auf den Liegenschaften der beschwerdeführenden Partei gelagert gewesen seien.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde nach Hinweis auf die zu § 31 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 ergangene hg. Judikatur und Rechtsprechung des OGH die Auffassung, dass sich der Begriff des "Verpflichteten" im Sinn des § 73 Abs. 1 AWG 2002 von jenem des § 31 Abs. 1 WRG 1959 unterscheide. Im konkreten Fall gebe es keine Anhaltspunkte, aus welchen sich schließen ließe, dass die beiden Geschäftsführer der A. GmbH in eigenen Namen und auf eigene Rechnung gehandelt hätten. Deren Handlungen seien daher eindeutig der Anlagenbetreiberin zuzurechnen gewesen, und es seien die Maßnahmenaufträge daher nur an die A. GmbH als Anlagenbetreiberin gerichtet worden, die als (einzige) Verpflichtete im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 anzusehen sei. Eine Haftung von natürlichen Personen neben der juristischen Person, welche Haftung sich auf die Organstellung stütze, könne aus § 73 Abs. 1 leg. cit. nicht abgeleitet werden.

Die A. GmbH habe nicht beauftragt werden können, weil sie wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen sei, die Kosten der Ersatzvornahme zu bezahlen. In diesem Fall könne - bei Verwirklichung der übrigen Tatbestandselemente des § 74 Abs. 2 AWG 2002 - der Liegenschaftseigentümer zum Kostenersatz herangezogen werden.

Voraussetzung für eine Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers auf Grund einer Duldung sei, dass aus den Begleitumständen geschlossen werden könne, dass er das Verhalten des (Ab)lagerns zulasse und billige. Die beschwerdeführende Partei sei zu 37% Gesellschafterin der Anlagenbetreiberin und ihr Geschäftsführer im Ablagerungszeitraum auch Prokurist der primär Verpflichteten gewesen. Der Großteil der Lagerungen auf den Grundstücksflächen der beschwerdeführenden Partei sei im Zeitraum Mai 2002 bis Juli 2004 erfolgt, und diese habe - trotz Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieser Tätigkeit - in keiner Weise versucht, den konsenslosen Lagerbetrieb einzustellen. Bei Wertung all dieser Begleitumstände sei daher vom Tatbestandselement der Duldung auszugehen. Auch habe die beschwerdeführende Partei als Liegenschaftseigentümerin keine zumutbaren Abwehrmaßnahmen im Sinne des § 74 Abs. 2 AWG 2002 gesetzt, und sie habe die Anlagenbetreiberin nicht einmal zur Räumung ihrer Liegenschaften von Abfalllagerungen aufgefordert.

Der Berufung habe daher kein Erfolg beschieden sein können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

§ 73 Abs. 1 und 2 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, sowie § 74 Abs. 1 und 2 leg. cit. in der im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Stammfassung haben folgenden Wortlaut:

"Behandlungsauftrag

§ 73. (1)

1. Werden Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen gesammelt, gelagert oder behandelt,

2. werden Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der EG-VerbringungsV befördert oder verbracht oder

3. ist die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der Untersagung des rechtswidrigen Handelns, dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen.

(2) Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

(...)"

"Subsidiäre Haftung für Behandlungsaufträge § 74. (1) Ist der gemäß § 73 Verpflichtete

nicht feststellbar, ist er zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden, so ist der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen. Ersatzansprüche des Liegenschaftseigentümers an den gemäß § 73 Verpflichteten bleiben unberührt.

(2) Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten.

(...)"

Die Beschwerde bringt vor, dass, worauf die beschwerdeführende Partei bereits in ihrer Stellungnahme vom 5. Juli 2011 hingewiesen habe, die Haftung des Liegenschaftseigentümers nur subsidiär zur Anwendung komme und primär eine Haftung nicht nur des Anlagenbetreibers selbst, sondern auch der unmittelbar verpflichteten Geschäftsführer überprüft werden müsse. Da die Bestimmungen des § 31 WRG 1959 und § 74 AWG 2002 beinahe gleichlautend seien und sich derselbe Normzweck ergebe, sei die zu § 31 WRG 1959 ergangene Judikatur analog heranzuziehen. Es seien daher nicht nur der Anlagenbetreiber, sondern auch die Geschäftsführer, welchen faktisch die Vertretung der juristischen Person obliege, haftbar zu machen, weshalb eine allfällige Verantwortung der Geschäftsführer zu überprüfen gewesen wäre. Aufgabe eines Geschäftsführers sei es, wie im konkreten Fall, die Abfalllagerung zu veranlassen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Aus den Materialien zu § 73 AWG 2002 (vgl. RV 984 BlgNR 21. GP, 103/104) leuchtet die gesetzgeberische Absicht hervor, dass gemäß § 73 Abs. 1 leg. cit. jeder zu den in dieser Gesetzesbestimmung genannten Maßnahmen zu verpflichten ist, dem die Abfälle bzw. die Gefahr zuzurechnen sind, vor allem der - wenn auch schuldlose - Verursacher (sowie der Eigentümer der Abfälle). Laut diesen Materialien sei bei § 73 leg. cit. "ebenso wie beim § 31 WRG 1959" von einer Solidarhaftung auszugehen, und es unterlägen "analog zum Wasserrecht" Anordnungen gemäß § 73 Abs. 1 bis 4 AWG 2002 keiner Bewilligungspflicht nach anderen Bundesvorschriften.

Diese Ausführungen lassen somit erkennen, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des § 73 Abs. 1 AWG 2002 den Verursacherbegriff des § 31 WRG 1959 vor Augen hatte, sodass es sachgerecht erscheint, insoweit auf die zu dieser Gesetzesbestimmung ergangene Judikatur zurückzugreifen.

Nach der zu § 31 WRG 1959 ergangenen hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. April 1989, Zl. 88/07/0134, mwN) ist die Verpflichtung zur Vornahme von nach § 31 WRG 1959 erforderlichen Maßnahmen verschuldensunabhängig und kann diese mehrere Personen treffen, die gleichzeitig zur gemeinsamen Kostentragung notstandspolizeilicher Maßnahmen verhalten werden können; hiebei kann die Heranziehung mehrerer Personen als Verpflichtete durchaus auf verschiedenen Rechtsgründen beruhen.

In seinem Erkenntnis vom 24. April 2003, Zl. 2002/07/0018, hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass auch eine "de facto"-Anordnungsbefugnis des Geschäftsführers einer handelsrechtlichen Gesellschaft, wie etwa der dort zweitbeschwerdeführenden GmbH, für eine Anlage, die für die Gesellschaft als Betriebsstätte dient, ausreicht, um eine Verantwortlichkeit im Sinn des § 31 Abs. 1 WRG 1959 zu begründen, sodass es nicht rechtswidrig war, auch den (dort erstbeschwerdeführenden) Geschäftsführer der GmbH zu verpflichten.

Ebenso wird in der zu § 31 WRG 1959 ergangenen Rechtsprechung des OGH eine Mithaftung des Geschäftsführers in diesem Sinn vertreten (vgl. etwa den Beschluss des OGH vom 14. September 2010, 1 Ob 152/10z).

Der Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer Gesellschaft, dem eine "de facto"-Anordnungsbefugnis zukommt, steht auch nicht das im angefochtenen Bescheid zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2003, Zl. 2001/07/0105, entgegen. Dieses Erkenntnis, in dem die Frage der Haftung ehemaliger Komplementäre einer gelöschten Kommanditgesellschaft (Anlagenbetreiberin) behandelt wird, bezieht sich nämlich dabei in der Begründung ausschließlich auf die persönliche Haftung der Komplementäre nach den §§ 128, 161 Abs. 2 des (damals geltenden) HGB, welche die Haftung der Gesellschafter für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die Gesellschaft nicht erfasst. Diese Entscheidung spricht hingegen eine Geschäftsführungsbefugnis der persönlich haftenden Gesellschafter, also die ihnen mögliche Einflussnahme auf eine Beeinträchtigung der Schutzgüter oder deren Vermeidung, als Kriterium für die Stellung als Verpflichtete im Sinn des § 31 Abs. 1 WRG 1959 nicht an.

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass auch der Geschäftsführer einer GmbH, wenn er im Rahmen seiner faktischen Anordnungsbefugnis in dieser Eigenschaft dafür ursächlich ist, dass Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen des AWG 2002 gelagert oder behandelt werden, als Verpflichteter gemäß § 73 Abs. 1 und 2 leg. cit. herangezogen werden kann.

Mit ihrer Auffassung, dass die Geschäftsführer einer GmbH, weil diese nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelten und deren Handlungen der von ihnen vertretenen Gesellschaft zuzurechnen seien, nicht als Verpflichtete im Sinn des § 73 Abs. 1 AWG 2002 herangezogen werden könnten, hat die belangte Behörde daher das Gesetz verkannt.

Infolge Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen, ob im vorliegenden Beschwerdefall die Geschäftsführer der A. GmbH unter Beachtung der in § 74 Abs. 1 erster Satz leg. cit. normierten Kriterien als Verpflichtete herangezogen werden könnten. Eine Haftung der beschwerdeführenden Partei als bloße Liegenschaftseigentümerin kommt nach dieser Gesetzesbestimmung nur subsidiär in Betracht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 20. Februar 2014

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