VwGH 2013/18/0021

VwGH2013/18/002122.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der Bundesministerin für Inneres gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. Jänner 2013, Zl. UVS-FRG/64/16700/2012-19, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (mitbeteiligte Partei: B in W), zu Recht erkannt:

Normen

32006R0562 Schengener Grenzkodex;
32008L0115 Rückführungs-RL Art11 Abs1;
32008L0115 Rückführungs-RL Art11;
32008L0115 Rückführungs-RL Art3 Z6;
EURallg;
FrPolG 2005 §53 Abs1 idF 2011/I/038;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 22. November 2012 wurden gegen den Mitbeteiligten in erster Instanz gemäß § 52 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot "für den gesamten Schengen-Raum" erlassen. Der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten gab die belangte Behörde keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, dass die im Spruch verwendete Wortfolge "für den gesamten Schengen-Raum" zu entfallen habe.

Begründend führte die belangte Behörde dazu an, der Gesetzgeber definiere das Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 FPG explizit als die an den Fremden gerichtete Anweisung, nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort aufzuhalten. Vor dem Hintergrund der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) sowie angesichts der Wortwahl "Mitgliedstaaten" in § 53 Abs. 1 FPG werde deutlich, dass der Gesetzgeber damit die Mitgliedstaaten der Europäischen Union meine und nicht die Vertragsstaaten des Übereinkommens vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, BGBl. III Nr. 90/1997 (Schengener Durchführungsübereinkommen, SDÜ), hätte er doch sonst den in § 2 Abs. 4 Z 7 FPG legal definierten Begriff "Vertragsstaaten" verwenden müssen.

Unbeschadet dieser vom Gesetzgeber gewählten Terminologie erweise sich der Ausspruch des Einreiseverbotes "für den gesamten Schengen-Raum" auch deswegen als unzulässig, weil ein von österreichischen Behörden rechtskräftig verhängtes Einreiseverbot in das Schengener Informationssystem einzutragen sei. Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) sei als Einreisevoraussetzung verankert, dass der Drittstaatsangehörige nicht im Schengener-Informationssystem zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sei. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Schengener Grenzkodex sei die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten u.a. zu verweigern, wenn nicht alle Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllt seien. Nach Art. 13 Abs. 2 leg. cit. sei diese Entscheidung zu begründen und von einer nach nationalem Recht im Einreisestaat zuständigen Behörde zu erlassen. Vor diesem Hintergrund werde deutlich, dass über eine allfällige Einreisemöglichkeit in einen anderen Schengen-Mitgliedstaat als Österreich nicht österreichische Behörden abschließend entscheiden würden, sondern die zuständige Behörde des Mitgliedstaates, in dem der mit einem österreichischen Einreiseverbot belegte Drittstaatsangehörige einzureisen beabsichtige. Die Gültigkeit eines von den österreichischen Behörden verhängten Einreiseverbotes für den gesamten Schengen-Raum sei daher nicht von österreichischen Behörden normativ anzuordnen, sondern ergebe sich aus den Vorschriften des Schengener Grenzkodex und den dazu ergehenden Entscheidungen der Schengener-Vertragsstaaten.

 

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall ist das FPG in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Februar 2013) geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 50/2012, anzuwenden.

§ 53 Abs. 1 FPG, mit dem nach den ErläutRV (1078 BlgNR 24. GP 29) zum FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38, der Vorgabe des Art. 11 der Rückführungsrichtlinie Rechnung getragen werden soll, lautet:

"Mit einer Rückkehrentscheidung wird ein Einreiseverbot unter Einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten."

Art. 3 Z. 6 und Art. 11 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie

lauten:

"Artikel 3

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke

...

6. 'Einreiseverbot': die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht;

... ."

"Artikel 11

Einreiseverbot

(1) Rückkehrentscheidungen gehen mit einem Einreiseverbot einher,

a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder

b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde.

In anderen Fällen kann eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen.

… ."

Die Rückführungsrichtlinie gilt grundsätzlich für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Entsprechend dem Erwägungsgrund 25 der Rückführungsrichtlinie hat sich auch Dänemark für die Umsetzung der Richtlinie in sein nationales Recht entschieden. Daran sind nach den Erwägungsgründen 26 und 27 der Rückführungsrichtlinie allerdings das Vereinigte Königreich sowie Irland nicht beteiligt. Gemäß den Erwägungsgründen 28 bis 30 stellt diese für Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein eine Weiterentwicklung von Bestimmungen des Schengen-Besitzstandes dar.

Demgemäß sind alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Irland und Vereinigtes Königreich, sowie die assoziierten Schengen-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein an die Rückführungsrichtlinie gebunden (vgl. etwa die Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/11/1097 vom 29. September 2011).

Daraus folgt, dass sich der räumliche Umfang der in § 53 Abs. 1 FPG festgelegten Anweisung schon aus den gesetzlichen in Verbindung mit den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt und somit die Staaten erfasst, für die die Rückführungsrichtlinie gilt. Dieses Gebiet ist - anders als die belangte Behörde meint - nicht deckungsgleich mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union; davon sind - wie erwähnt - das Vereinigte Königreich und Irland ausgenommen und es kommen Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein dazu. In diesem Sinn ist somit der in § 53 Abs. 1 FPG verwendete, offenbar aus der Rückführungsrichtlinie übernommene Begriff "Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten" auszulegen.

Es ist daher nicht erforderlich, im Spruch des Bescheides, mit dem gemäß § 53 Abs. 1 FPG, somit im Sinn des Art. 11 Abs. 1 iVm Art. 3 Z 6 Rückführungsrichtlinie ein Einreiseverbot erlassen wird, jene Staaten, für die das Verbot der Einreise und des Aufenthaltes ausgesprochen wird, noch einmal konkret zu nennen, sofern deutlich wird, dass es sich um ein Einreiseverbot handelt. Auch die Amtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass darüber hinaus die Umschreibung des territorialen Wirkungsbereiches des Einreiseverbotes im Bescheidspruch notwendig wäre. Es ist somit im vorliegenden Fall im Ergebnis nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde die Wortfolge "für den gesamten Schengen-Raum" im erstinstanzlichen Bescheid eliminiert hat.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Mai 2013

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